Behinderte Menschen dürfen sich im ORF-Publikumsrat künftig selbst vertreten
Utl.: Behinderte Menschen dürfen sich im ORF-Publikumsrat künftig
selbst vertreten =
Wien (PK) - Seit dreieinhalb Jahren wird auf parlamentarischer Ebene
über die Abschaffung des Amtsgeheimnisses verhandelt.
Zwischenzeitlich sind sich Regierungs- und Oppositionsparteien zwar
näher gekommen, in dieser Legislaturpeiode wird es aber wohl keinen
Beschluss mehr geben. Das wurde heute im Verfassungsausschuss des
Nationalrats deutlich. Laut Kanzleramtsminister Thomas Drozda sind
die Verhandlungen an der ÖVP gescheitert. Es sei einfach nicht
gelungen, die notwendige Verfassungsmehrheit für einzelne
Gesetzesbestimmungen zu finden, hielt dazu ÖVP-Verfassungssprecher
Wolfgang Gerstl fest. Enttäuscht zeigten sich Grüne und NEOS.
Vertagt wurden auch die Beratungen über zwei Anträge der FPÖ, die auf
eine verfassungsrechtliche Absicherung des Bargelds und der
Wasserversorgung abzielen. Laut SPÖ-Abgeordneter Angela Lueger sollen
die beiden Anliegen gemeinsam mit der ins Auge gefassten Erweiterung
der Staatszielbestimmungen beraten werden. Durchsetzen konnten sich
hingegen die Grünen mit ihrer Forderung nach Selbstvertretung
behinderter Menschen im Publikumsrat des ORF. Ein entsprechender
Gesetzesantrag wurde unter Berücksichtigung eines Sechs-Parteien-
Abänderungsantrags einstimmig angenommen.
Grüne und NEOS pochen auf Informationsfreiheit
Basis für die Diskussion über die Abschaffung des Amtsgeheimnisses
bildeten Anträge der NEOS (6/A) und der Grünen (18/A), die beide auf
eine grundsätzliche Auskunftspflicht der Behörden im Sinne einer
umfassenden Informationsfreiheit abzielen und bereits zu Beginn der
Gesetzgebungsperiode eingebracht worden waren. Er zweifle daran, dass
es die Regierungsparteien mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses
jemals ernst gemeint haben, meinte Grün-Abgeordneter Albert
Steinhauser in der Debatte. Zunächst hätten sich SPÖ und ÖVP hinter
der Forderung der Grünen nach Einrichtung eines
Informationsfreiheitsbeauftragten "verschanzt", und als die Grünen
dann signalisierten, dass sie davon abgehen könnten, sei es plötzlich
an anderen Fragen gescheitert. Man habe ihm gegenüber angedeutet,
dass die Länder für das Platzen der Gespräche verantwortlich sind,
das könne er aber nicht beurteilen.
Enttäuscht zeigte sich auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak. "Mir
ist ziemlich egal, wer am Scheitern Schuld ist", es brauche ein
generelles Umdenken in Sachen Amtsverschwiegenheit, bekräftigte er.
Die BürgerInnen hätten ein Recht auf Information. Immer dann, wenn es
darum gehe, dass der Staat transparenter wird, "kriegen wir es aber
nicht auf die Reihe". Umgekehrt wolle der Staat selbst immer mehr
Informationen über die BürgerInnen sammeln.
Christoph Hagen vom Team Stronach fragte sich, warum es die SPÖ nicht
mit dem angekündigten freien Spiel der Kräfte probiert. Er selbst
lehne die beiden vorliegenden Anträge zwar ab, die SPÖ könnte es aber
versuchen.
Seitens der SPÖ erinnerten Johannes Jarolim und Josef Cap daran, dass
der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz seinerzeit selbst die Abschaffung
des Amtsgeheimnisses gefordert habe. Cap ist überzeugt, dass nicht
nur die BürgerInnen, sondern auch der Staat selbst von der Einführung
der Informationsfreiheit profitieren würde. Er erwartet sich davon
mehr Glaubwürdigkeit der Behörden und steigende Qualität, ohne dass
die Handlungsfreiheit eingeschränkt wäre.
ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl unterstrich, dass es keine
Partei im Nationalrat gebe, die sich nicht Informationsfreiheit
wünsche. Es sei aber nicht gelungen, für einzelne
Gesetzesbestimmungen die notwendige Mehrheit von drei Parteien zu
finden. Ihm sei jedenfalls wichtig, dass kein verwaschenes Gesetz
herauskomme. Gerstl setzt in diesem Sinn auf weitere Verhandlungen
und wandte sich dezidiert dagegen, das Informationsfreiheitsgesetz
zum Wahlkampfthema zu machen. Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz
Kopf (V) machte geltend, dass SPÖ-Abgeordneter Cap der Abschaffung
des Amtsgeheimnisses früher selbst skeptisch gegenüber gestanden sei.
Kanzleramtsminister Thomas Drozda hielt fest, seiner Beobachtung nach
seien die Verhandlungen an der ÖVP gescheitert. Man könne jedenfalls
nicht den Grünen die Schuld daran anlasten. Es habe zahlreiche
Verhandlungsrunden gegeben. Die beiden Anträge wurden schließlich mit
SP-VP-Mehrheit vertagt.
FPÖ will Bargeld durch eigenes Bundesverfassungsgesetz absichern
Neuerlich vertagt wurden auch die Beratungen über zwei Anträge der
FPÖ. Zum einen wollen Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer und
seine Fraktionskollegen mit einem eigenen Bundesverfassungsgesetz
sicherstellen, dass Bargeld auch künftig uneingeschränkt im
Zahlungsverkehr verwendet werden kann (1573/A). Zum anderen soll ein
neuer Passus in der Verfassung gewährleisten, dass die
Wasserversorgung in Österreich in öffentlicher Hand bleibt (584/A).
Es gebe viele Argumente gegen die Abschaffung des Bargelds, betonte
Harald Stefan im Ausschuss. Auch wenn die Bankomatkassen ausfallen,
sollte es möglich sein, einzukaufen. Er fürchtet zudem eine
flächendeckende Überwachung der BürgerInnen im Falle eines
lückenlosen elektronischen Zahlungsverkehrs. Dass das Verbot hoher
Bargeldtransaktionen im Kampf gegen den Terrorismus notwendig ist,
hält Stefan für ein Scheinargument, Terroristen hätten andere
Möglichkeiten und könnten etwa auf Bitcoins ausweichen. Bargeld sei
nichts anderes als gedruckte Freiheit, schloss sich FPÖ-Abgeordneter
Philipp Schrangl der Argumentation Stefans an.
Hinter die beiden Forderungen der FPÖ stellte sich auch Christoph
Hagen (T). Beide Anliegen seien grundvernünftig, bedauerte er die
Vertagung der Anträge.
Skeptisch äußerte sich hingegen Nikolaus Scherak. Ihm zufolge braucht
es eine generelle Diskussion darüber, welche Staatszielbestimmungen
notwendig sind. Scherak hält es für wichtig, dass man in Zukunft
weiter mit Bargeld bezahlen kann, eine Staatszielbestimmung in der
Verfassung ist seiner Meinung nach aber überschießend.
Differenziert beurteilte Grün-Abgeordnete Sigrid Maurer die Anträge.
Jenen zur staatlichen Wasserversorgung würden die Grünen
unterstützen, sagte sie. Den Bargeld-Antrag qualifizierte sie
hingegen als rein populistisch und sprach von einer "erfundenen
Abschaffung". Niemand habe derartige Absichten. Verständnis zeigte
Maurer für die Einstellung der Produktion von 500-Euro-Scheinen,
diese würden vorrangig dazu benötigt, Geld in großen Mengen über die
Grenze zu bringen.
SPÖ-Abgeordnete Angela Lueger wies darauf hin, dass man sich in der
Koalition darauf geeinigt habe, im Rahmen einer größeren
Veranstaltung über Staatszielbestimmungen insgesamt zu diskutieren.
Dabei solle es auch um die beiden vorliegenden FPÖ-Anträge gehen.
Selbstvertretung behinderter Menschen im Publikumsrat
Unter Berücksichtigung eines Sechs-Parteien-Abänderungsantrags
einstimmig beschlossen wurde ein Antrag der Grünen (2213/A), der eine
Novellierung des ORF-Gesetzes zum Inhalt hat. Demnach soll künftig
jenes Mitglied im ORF-Publikumsrat, das die Interessen behinderter
Menschen vertritt, selbst aus dem Kreis der Betroffenen kommen. Schon
in der letzten Plenarwoche hatte der Nationalrat eine entsprechende
Entschließung gefasst. Die Neuregelung soll ab der nächsten
Funktionsperiode des Publikumsrats gelten. In den Erläuterungen zum
Antrag weist Helene Jarmer darauf hin, dass die UN-
Behindertenrechtskonvention den Grundsatz der Selbstvertretung von
behinderten Menschen in allen sie betreffenden Gremien vorsieht.
(Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs
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