- 21.06.2017, 15:51:13
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- OTS0229
Entschädigung für Heimopfer: Volksanwaltschaft nimmt Arbeit auf, sieht aber noch Schwachstellen im Gesetz
Volksanwaltschaftsausschuss befasst sich mit aufgezeigten Mängeln in der Verwaltung
Utl.: Volksanwaltschaftsausschuss befasst sich mit aufgezeigten
Mängeln in der Verwaltung =
Wien (PK) - Die bei der Volksanwaltschaft angesiedelte
Rentenkommission zur Entschädigung von Heimopfern wird ihre Arbeit
Anfang Juli aufnehmen, Volksanwalt Günther Kräuter sieht aber noch
Schwachstellen im jüngst verabschiedeten Gesetz. Kinder und
Jugendliche, die in Krankenanstalten misshandelt und missbraucht
wurden, seien derzeit nämlich nicht von der Rentenleistung umfasst.
"Hier darf es keinen Unterschied geben", sagte er im heutigen
Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats. Als Vorsitzender der
Rentenkommission in der Volksanwaltschaft, die künftig Empfehlungen
über die Zuerkennung einer zusätzlichen Rente von 300 Euro pro Monat
für Heimopfer aussprechen wird, will deswegen eine halbjährliche
Evaluierung dieser "höchst sensiblen und schwierigen" Aufgabe
durchführen. Es sei schwer abzuschätzen, wie viele Fälle auf die
Volksanwaltschaft zukommen, so Kräuter.
Mit der Rentenkommission wird die Volksanwaltschaft jedenfalls mit
zusätzlichen Aufgaben betraut. Bereits versprochene Planstellen
wurden bis dato aber nicht zugeteilt. Kräuter rechnet aufgrund der
Verlegung des Bundesfinanzrahmens in den Spätherbst und die Neuwahlen
im Oktober mit einer Personalaufstockung im Frühjahr. "Das wird uns
vor erhebliche Probleme stellen", so Kräuter. Volksanwalt Peter
Fichtenbauer bekräftigte den Personalwunsch insbesondere im
juristischen Bereich.
Der Volksanwaltschaftausschuss beschäftigt sich heute und morgen mit
den Ergebnissen der Behörden- und Menschenrechtskontrollen der
Ombudsstelle aus dem vergangenen Jahr. In der heutigen Sitzung stand
die Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, in der 2016 ein
Beschwerdeplus zu verzeichnen ist, im Fokus. Morgen Nachmittag geht
es um den Menschenrechtsauftrag der Volksanwaltschaft als Nationaler
Präventionsmechanismus. Hauptthema werden die aufgedeckten Missstände
in der Pflege sein.
Brunnenmarkt-Mord: Behördliches "Multiorganversagen"
Von den Abgeordneten Christian Lausch (F), Nikolaus Scherak (N) und
Alev Korun (G) wurde im heutigen Ausschuss der Brunnenmarkt-Mord
aufgerollt. Aufgrund der öffentlichen Kritik über mögliche
Behördenunterlassungen führte die Volksanwaltschaft ein amtswegiges
Prüfverfahren durch, in dem sie sich mit den
niederlassungsrechtlichen, fremdenpolizeilichen und
unterbringungsrechtlichen Aspekten befasste.
Fichtenbauer kritisierte den Fall als "Multiorganversagen" aller
betroffenen Behörden. Es sei unter den Teppich gekehrt worden, dass
der Täter bereits davor mit einer Eisenstange auf Menschen
losgegangen ist. Die Polizei nahm er aber teilweise in Schutz, dort
hätten ihm zufolge einzelne Personen versucht, zu intervenieren. Um
derartige Fälle künftig zu vermeiden, schwebt dem Volksanwalt eine
Einrichtung ähnlich des in Wien ansässigen "Büros für
Sofortmaßnahmen" vor. In der Realität hakt es Fichtenbauer zufolge
nämlich an der Überschneidung von Kompetenzen zwischen Polizei,
Justiz und der Psychiatrie.
Auch Volksanwältin Gertrude Brinek bestätigte aus dem Prüfverfahren,
"dass an den Schnittstellen gar nichts funktioniert". Sie sieht eine
Professionalisierung insbesondere im psychiatrischen Wissen in den
Polizeiberufen und bei Juristen als unabdingbar.
Konkret regt die Volksanwaltschaft an, psychiatrisches Wissen als
standardisiertes Fortbildungsmodul in die Polizeiausbildung zu
implementieren. Man könne nach dem Brunnenmarkt-Mord nicht einfach
zur Tagesordnung übergehen, sagte Fichtenbauer.
Positiv bewertet es der Volksanwalt, dass angehende Polizistinnen und
Polizisten ab 2017 ein Modul zur Volksanwaltschaft durchlaufen
müssen. Hier gebe es nämlich noch "weiße Flecken". Nicht begeistert
zeigte sich Fichtenbauer hingegen darüber, dass es über die
Möglichkeit, Ersatzfreiheitsstrafen bei Jugendlichen durch
gemeinnützige Arbeit ersetzen zu können, noch keinen
parlamentarischen Beschluss gibt, wie er gegenüber Günther Kumpitsch
von den Freiheitlichen klarmachte.
Unzumutbare Wartezeiten bei MRT- und CT-Untersuchungen
Eine unbefriedigende Versorgungssituation bemängelt die
Volksanwaltschaft bei MRT- und CT-Untersuchungen, für die die
PatientInnen unzumutbare Wartezeiten auf sich nehmen müssen. Darunter
sind Kräuter zufolge "atemberaubende Fälle, die man kaum glauben
kann". Sollte die nunmehrige Vereinbarung mit dem Verband der
Sozialversicherungsträger, wonach die Wartezeit für ein CT und MRT
nicht länger als 10 bzw. 20 Tage dauern darf und bei extremen
Akutfällen umgehend Termine zu vergeben sind, nicht funktionierten,
drängt er auf eine gesetzliche Regelung.
Im medizinischen Bereich beklagte Kräuter außerdem, dass manche
Regionen in Österreich psychiatrisch noch immer unterversorgt sind.
Insbesondere in der Kinder- und Jugendpsychiatrie appellierte er an
das Parlament, etwas zu tun.
In Sachen Masern-Impfpflicht spricht sich Kräuter gegen
"Brachialvorhaben wie in Italien aus". Eine staatliche Steuerung etwa
durch den Mutter-Kind-Pass sei dennoch denkbar. "Nur mit gut zureden
passiert zu wenig", sagte er.
Kräuter fordert "konkrete Politik" für 24-h-Betreuung
Martina Schenk vom Team Stronach sprach Mängel bei der Einstufung von
Pflegegeld an. In der Praxis würden "unglaubliche Zustände"
existieren, etwa würden Personen Einstufungen durchführen, die von
der Angelegenheit wenig bis gar keine Ahnung hätten.
Den Informationen Kräuters zufolge gibt es tatsächlich
bundesländerübergreifende Defizite. Er regt eine parlamentarische
Enquete mit Gutachterverbänden und Ministerien an. Vorstellen kann er
sich einen Kodex, in dem festgehalten wird, welche Mindeststandards
sich ein anspruchsberechtigter Mensch bei Einstufungsterminen
erwarten darf.
Anknüpfend an die Pflege bemängelte Team-Stronach Abgeordnete Schenk
außerdem einen Wildwuchs von Agenturen bei der 24-h-Betreuung.
Oftmals würde das Personal kein Deutsch sprechen, beanstandete sie.
Nach Meinung Kräuters gibt es zur Zeit mehrere Opfer, nämlich die
Betreuten als auch die Pflegenden. Laut Kontrollen sei in 99,9 % der
Fälle alles in Ordnung, in Zukunft müsse aber ein präventives Modell
überlegt und unangekündigt überprüft werden. In diesem Bereich ist
für ihn jedenfalls "eine konkrete Politik notwendig."
Provisorische Schulleiterbestellungen "Spielwiese des
Rechtsmissbrauchs"
Hinterfragt wurden von NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Scherak zudem die
von der Ombudsstelle beanstandeten provisorischen
Schulleiterbestellungen. Geht es nach Fichtenbauer, handelt es sich
dabei um eine "Spielwiese des Rechtsmissbrauchs". Schulleitungen
würden oft jahrelang provisorisch bestellt, um objektive
Aufnahmeverfahren zu umgehen. "Ich lade den Gesetzgeber ein, hier den
Blick zu schärfen", sagte er. Dieser hat Katharina Kucharowits (S)
zufolge mit der gestern im Unterrichtsausschuss beschlossenen
Bildungsreform bereits reagiert.
Lange Asylverfahren unbegleiteter Minderjähriger
Die meisten Beschwerden betreffen 2016 wie in den drei Jahren zuvor
auch asylrechtliche Verfahren. Genau genommen sind es 1.445
Beschwerden über zu lange Asylverfahren beim Bundesamt für
Fremdenwesen und Asyl (BFA), im Jahr davor waren es noch 745.
Darunter sind auch Fälle unbegleiteter Minderjähriger und
Jugendlicher.
Ein Problem, das insbesondere Katharina Kucharowits (S) und Alev
Korun (G) beunruhigt. Fichtenbauer zufolge gibt es aber nicht den
geringsten Hinweis darauf, dass Asylverfahren vorsätzlich verzögert
wurden, bis Minderjährige das 18. Lebensjahr und damit die
Volljährigkeit erreichen. Nach Angaben des BFA sollte mit Mitte 2018
der Verfahrensrückstau behoben sein.
Brinek will Systematik in Denkmalentscheidungen bringen
Geht es um leistbares Wohnen, erklärte Brinek gegenüber Norbert
Sieber (V), dass im Gegensatz zu früher nunmehr auf größerem Raum
gewohnt werde, was wiederum oft nicht mit Leistbarkeit kombiniert
werden könne. Offen ist für sie auch die Diskussion um das Wiener
Wohn-Ticket. Die jetzige Regelung ist aus ihrer Sicht nicht EU-
konform.
Gegenüber der Kritik von Wolfgang Zinggl (G) an Fällen von
aufgehobenen Unterschutzstellungen im Denkmalschutz und
Wunschwidmungen im Städtebau sagte die Volksanwältin, dass diese
beiden Bereiche nicht demokratisiert werden könnten. Sie nehme diese
Themen aber sehr ernst und werde weiterhin an der
Professionalisierung und Transparenz arbeiten. Bei Flächenwidmungen
dürfe jedenfalls nicht das Motto "Geld richtet alles" gelten. Beim
Thema Denkmalschutz bemüht sich die Volksanwaltschaft darum, eine
Systematik in die Entscheidungen des Bundesdenkmalamts zu bringen.
Heimopfer: 12 ExpertInnen in der Rentenkommission
Neben Volksanwalt Günther Kräuter wurden Brigitte Dörr (Unabhängige
Opferschutzanwaltschaft), Gabriele Fink-Hopf (Vizepräsidentin am OLG
Wien), Norbert Gerstberger (Richter am LG für Strafsachen Wien), Ralf
Gößler (Kinder- und Jugendpsychiater am KH Hietzing), Hansjörg Hofer
(Behindertenanwalt), Michael John (Sozialhistoriker), Rainer Loidl
(Soziologe an der FH Joanneum Graz), Oliver Scheiber (Leiter BG
Meidling, Vorstandsmitglied Weißer Ring), Romana Schwab (Obfrau
Verein ehemalige Heim- und Pflegekinder), Natascha Smertnig (Weißer
Ring, JKU Linz), Barbara Winner (Psychologin Kinder- und
Jugendanwaltschaft Tirol) sowie Hedwig Wölfl (Psychologin und
Psychotherapeutin, Die Möwe) in die Rentenkommission zur
Entschädigung von Heimopfern nominiert. (Schluss
Volksanwaltschaftausschuss) keg
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