- 13.06.2017, 21:49:49
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Nach UK-Wahl: Kurz will Brexit-Verhandlungen zügig fortsetzen
Neue verfahrensrechtliche Regelungen im EMRK; Änderungen im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
Utl.: Neue verfahrensrechtliche Regelungen im EMRK; Änderungen im
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs =
Wien (PK) - Trotz des Verlusts der absoluten Mehrheit im Parlament
für die britischen Konservativen unter Premierministerin Theresa May
tritt Außenminister Sebastian Kurz dafür ein, die Brexit-
Verhandlungen zügig fortzusetzen. Den britischen BürgerInnen als auch
jenen in den verbleibenden 27 Mitgliedstaaten müsse so schnell wie
möglich Rechtssicherheit gegeben werden, sagte er heute im
Außenpolitischen Ausschuss. Zudem könne sich die EU dann wieder auf
andere Projekte fokussieren.
Kurz stellt sich darüber hinaus nach wie vor gegen höhere EU-
Beitragszahlungen Österreichs nach dem Brexit. Auch die Einführung
einer EU-Steuer hält der Minister zum jetzigen Zeitpunkt für nicht
sinnvoll. Die Steuerlast müsse gesenkt werden, sagte er gegenüber
entsprechenden Vorschlägen seitens des Grünen Abgeordneten Georg
Willi.
Hinsichtlich der in Diskussion stehenden EU-Armee kann sich Kurz ein
Engagement Österreichs in "einem wohlüberlegten Ausmaß" und im Rahmen
seiner Neutralität vorstellen. Grundsätzlich sei es notwendig, eine
stärkere europäische Zusammenarbeit sicherzustellen.
ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka wertete den Brexit im Ausschuss als
schwersten Verlust der EU seit ihrer Gründung. Die Union verliere
nicht nur einen Nettozahler, sie habe auch enorm an weltpolitischem
Gewicht verloren. Aus seiner Sicht ist die EU gut beraten, in den
Verhandlungen zu gemeinsamen Ergebnissen mit Großbritannien zu
kommen. Geht es um die Ausfälle im EU-Budget von rund 15 Mrd. €,
sollten diese aus Sicht Lopatkas bei den EU-Ausgaben eingespart
werden. "Die österreichischen Nettozahler können nicht immer zur
Kassa gebeten werden", so der ÖVP-Klubobmann.
Genehmigt wurden vom Außenpolitischen Ausschuss kleine Anpassungen im
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs sowie ein
Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK),
durch das nun auch Österreich die neuen organisatorischen und
verfahrensrechtlichen Regelungen im Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte (EGMR) akzeptiert.
Vertagt wurden hingegen zwei Entschließungen der NEOS zum Brexit, in
denen sie auf einen unabhängigen Expertenrat während der
Verhandlungen und die Ansiedelung der EU-Arzneimittelbehörde in Wien
drängen. In die Warteschleife kam außerdem ihre Forderung, EU-Gelder
an die Türkei einzufrieren.
Übergangsbestimmung im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
wird gestrichen
Die Parlamentsfraktionen sprachen sich einstimmig dafür aus, im
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs eine Übergangsbestimmung
ersatzlos zu streichen (1644 d.B.). Gemäß dieser Bestimmung kann ein
Staat, wenn er Vertragsstaat wird, erklären, dass er für einen
Zeitraum von sieben Jahren nach Inkrafttreten des Statuts die
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs für Kriegsverbrechen nicht
anerkennt. Über die Streichung dieser Übergangsbestimmung sind die
Vertragsstaaten 2015 in Den Haag übereingekommen, sie sei für Nicht-
Vertragsstaaten kein Anreiz, um das Statut des Strafgerichtshofs zu
ratifizieren.
EMRK: Neue organisatorische und verfahrensrechtliche Regelungen
Einhellige Zustimmung gab es zudem für die Genehmigung eines
Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), in
dem es primär um neue organisatorische und verfahrensrechtliche
Regelungen im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geht
(1673 d.B.).
Eingeführt wird damit ein Höchstalter für KandidatInnen für die Wahl
der EGMR-RichterInnen. Zur Zeit endet die Amtszeit der RichterInnen
mit der Vollendung des 70. Lebensjahres. Diese Bestimmung soll
entfallen und dadurch ersetzt werden, dass AnwärterInnen das 65.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen. Darüber hinaus wird
durch das Zusatzprotokoll die Beschwerdefrist von sechs auf vier
Monate verkürzt und das Subsidiaritätsprinzip und der
Ermessensspielraum der einzelnen Vertragsstaaten in der Präambel der
EMRK ausdrücklich niedergeschrieben.
Entfallen soll zudem das Widerspruchsrecht, wenn Rechtssachen von der
Kleinen Kammer an die Große Kammer abgegeben werden sollen.
Gestrichen wird außerdem die Bagatellbeschwerde, die es dem
Gerichtshof ermöglicht hatte, eine Beschwerde für unzulässig zu
erklären. Diese findet in der Praxis nämlich so gut wie keine
Anwendung, heißt es in der Regierungsvorlage.
Grund für die Anpassungen im EGMR sind u.a. eine hohe Zahl von
eingebrachten Beschwerden und ein Rückstau an anhängigen Verfahren.
Das Individualbeschwerderecht soll laut Regierungsvorlage aber auch
weiterhin gesichert sein.
NEOS: Regierung soll Europäische Arzneimittelbehörde nach Wien holen
Mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union werden
die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) sowie die Europäische
Bankenaufsicht (EBA) von London in andere europäische Städte verlegt.
Wohin die zwei EU-Agenturen übersiedeln werden, soll noch in diesem
Jahr vom EU-Rat entschieden werden, ein möglicher Kandidat für den
Standortwechsel der EMA ist Wien. In einer Entschließung fordern die
NEOS, dass sich die Regierung auf eine offizielle Bewerbung
Österreichs um den Standort der EMA konzentrieren soll.
Nach Berichten des Online-Standard im Sommer vorigen Jahres haben
sich Finanzminister Hans Jörg Schelling und Kurz für eine
Übersiedlung der EBA nach Wien ausgesprochen. Die NEOS befürchten
nun, dass eine etwaige Doppelbewerbung Österreichs die Chance, die
Arzneimittelbehörde nach Wien holen zu können, verschlechtert. Karin
Doppelbauer fordert eine Prioritätensetzung für die EMA seitens der
Regierung (2069/A(E)).
"Es ist besser, in den Verhandlungen zwei Eisen im Feuer zu haben",
meinte dazu SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Einen
Parlamentsbeschluss zugunsten einer Institution sei zum jetzigen
Zeitpunkt nicht sinnvoll.
NEOS-Anträge für unabhängigen Brexit-Expertenrat und Einfrieren von
EU-Geldern an die Türkei vertagt
Hinsichtlich des Brexit schlagen die NEOS die Einrichtung eines
unabhängigen Expertenrats vor, der den Brexit-Prozess tagesaktuell
analytisch begleiten und der Bundesregierung und dem Parlament
Vorschläge zur weiteren Vorgehensweise bereitstellen soll. Diese
Expertise soll nach Vorstellungen der pinken Fraktion auch der
Öffentlichkeit zugänglich sein (2120/A(E)). Um einen optimalen
Austausch mit den heimischen EU-Experten während der Verhandlungen
geht es auch den Grünen. Sie forderten in einem gemeinsamen
Abänderungsantrag mit den NEOS eine "strukturierte begleitende
Debatte über den Verlauf der Brexit-Verhandlungen im Nationalrat".
Angesichts der in der Türkei immer schwieriger werdenden Grundrechts-
und Menschenrechtslage drängen die NEOS außerdem auf Konsequenzen
seitens der EU. Insbesondere seit dem Putsch im Juli voriges Jahr
entwickle sich die Türkei immer weiter weg von einem demokratischen
Rechtsstaat hin zu einem autokratischen Regime. Auch Aussagen
Erdogans und anderer Regierungsmitglieder würden den Schluss
zulassen, dass das Land kein Interesse mehr daran hat, Teil der EU zu
werden, argumentiert die Oppositionspartei in ihrer Entschließung
(2117/A(E)). Karin Doppelbauer bezweifelt, dass die zugesagten 4,45
Mrd. € an Heranführungshilfe zur Förderung von Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und zivilgesellschaftlicher Projekte tatsächlich
dafür verwendet werden. Nach Meinung ihrer Partei soll sich die
Regierung in Brüssel dafür einsetzen, dass die EU-Gelder an die
Türkei eingefroren werden. Unterstützt wurde die Initiative von den
Grünen. (Fortsetzung Außenpolitischer Ausschuss) keg
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