• 13.06.2017, 10:24:40
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  • OTS0069

Lt. Urteil LG Wiener Neustadt: 9.500 EUR Anwalts-Entgelt für 7 Stunden zulässig

Rechtsanwalt verrechnet für 5-Minuten-Telefonat 220 EUR. Gesamtschaden: EUR 22.000. Leistbare Rechtsanwaltstarife wie in Deutschland gefordert.

Utl.: Rechtsanwalt verrechnet für 5-Minuten-Telefonat 220 EUR.
Gesamtschaden: EUR 22.000. Leistbare Rechtsanwaltstarife wie
in Deutschland gefordert. =

Wr. Neustadt/Wien (OTS) - So teuer waren Telefonate und die Suche
nach einer Rechtsvertretung vermutlich noch nie: Ein Rechtsanwalt
verrechnet für Vorgespräche und Telefonate über 9.500 EUR, ohne je
tätig geworden zu sein, und das Berufungsgericht gibt dem Anwalt nun
sogar Recht. In Deutschland wäre das kaum möglich, wie die Recherche
beweist.

Viel Geld für Untätigkeit

Die Vorgeschichte: Fr. N. suchte einen ihr im Bekanntenkreis
empfohlenen Wiener Rechtsanwalt für arbeitsrechtliche Probleme auf.
Nach Telefonaten und zwei Vorgesprächen ohne Mandatserteilung
verrechnete der Anwalt für 7 Stunden und 10 Min. satte 9.526 EUR!
Selbst das 5-Minuten-Telefonat des Anwalts mit der Klientin
(aufgerundet auf 10 Min.), bei dem er bezüglich einer
Mandatserteilung nachfragte, wurde mit 222 EUR verrechnet. Der Anwalt
war für die Frau nie aktiv geworden und hatte keinen Schriftsatz
erstellt. Mündlich oder schriftlich mitgeteilte Ergebnisse seiner
behaupteten “intensiven rechtlichen Prüfungen” gab es nicht. Frau N.
verweigerte eine Zahlung, die über das Stundenhonorar von 300 EUR
hinausging; der Anwalt klagte und bekam beim Bezirksgericht Mödling
und beim Berufungsgericht Wiener Neustadt Recht, womit sich der
Gesamtschaden inkl. Prozesskosten auf über 22.000 EUR erhöhte. In der
Urteilsbegründung wird argumentiert, die Kenntnis der Tarife werde
beim Aufsuchen eines Rechtsanwaltes vorausgesetzt, wenn ein Mandant
in der Vergangenheit bereits „anwaltliche Erfahrungen“ gehabt habe.
„Ein sehr bedenkliches Urteil, denn oft haben sogar Rechtsanwälte am
Beginn ihrer Laufbahn Schwierigkeiten, sich im Tarifdschungel zurecht
zu finden“, so ein Insider. Auch Frau N.s Erfahrung war bisher, dass
andere Anwälte keine so exorbitanten Preise – erst recht nicht ohne
eine adäquate Gegenleistung – verlangten.

Ganz anders in Deutschland

Für außergerichtliche Beratungen fordert sie Gebühren vergleichbar
mit dem deutschen Tarifmodell, da die Stundensätze dort generell
leistbarer sind. Ist der Mandant Verbraucher, so darf – lt. Auskunft
der deutschen Bundesrechtsanwaltskammer – ein Rechtsanwalt für
Beratung oder Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens eine Gebühr
von höchstens 250 EUR sowie für das Erstberatungsgespräch eine Gebühr
von höchstens 190 EUR (netto; zzgl. USt) verrechnen. Bei besonders
ausgewiesenen spezialisierten Anwälten liegt das Stundenhonorar in
der Regel bei 250 EUR; der bundesweite Durchschnittssatz liegt bei
rund 180 EUR; in der Praxis erhalten allenfalls 3 % der deutschen
Rechtsanwälte einen höheren Stundensatz als 300 EUR. Nach Auffassung
des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) ist die mehr als fünffache
Überschreitung der gesetzlichen Höchstgebühr unangemessen. Bei
Honorarunstimmigkeiten kann in Deutschland eine neutrale
Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft angerufen werden: Die
Akzeptanz dieser Einrichtung ist groß, da der vermittelnde
Ombudsmann/-frau drei Jahre vor Aufnahme seiner Tätigkeit nicht als
Rechtsanwalt gearbeitet haben darf. Exorbitante Rechtsanwaltskosten
wie in Österreich und ihre gerichtliche Absegnung schädigen das Image
der Anwälte und erschweren den Zugang zum Rechtsstaat, weil sie das
Vertrauen in die Justiz erschüttern und sich nur mehr gut Situierte
einen Rechtsanwalt leisten können. Recht darf nicht den Wohlhabenden
vorbehalten sein.

Rechtsanwaltsgebühren in Deutschland:
http://www.brak.de/fuer-anwaelte/gebuehren-und-honorare/
Rechtsanwaltsgebühren im europ. Vergleich:
http://www.brak.de/fuer-anwaelte/gebuehren-und-honorare/iw-studie.pdf

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