SPÖ-ÖVP-Initiativantrag einstimmig angenommen; keine Einigkeit zu Studienplatzfinanzierung und Bildungsreform
Utl.: SPÖ-ÖVP-Initiativantrag einstimmig angenommen; keine Einigkeit
zu Studienplatzfinanzierung und Bildungsreform =
Wien (PK) - Die unter dem ehemaligen Wissenschaftsminister Reinhold
Mitterlehner zugesagte Erhöhung der Studienförderung wurde heute vom
Nationalrat einstimmig beschlossen. Grundlage des Beschlusses ist ein
Initiativantrag mit entsprechenden Änderungen des
Studienförderungsgesetzes. Er wurde von der Wissenschaftssprecherin
der SPÖ, Andrea Kuntzl, und ÖVP-Wissenschaftssprecher Karlheinz
Töchterle gemeinsam eingebracht. Damit kommt es zu einer Erhöhung der
Studienbeihilfe um rund 18%, was laut AntragstellerInnen einer
Valorisierung der Inflation seit 2008 entspricht. Änderungen des
Beihilfensystems zielen vor allem auch auf die Bedürfnisse von
älteren Studierenden ab, um deren steigenden Lebenshaltungskosten
Rechnung zu tragen.
Grundsätzlich zufrieden waren ÖVP und SPÖ über die Verbesserung der
sozialen Lage von Studierenden. Uneinigkeit trat aber in der Frage
der raschen Umsetzung der Studienplatzfinanzierung zutage.
Grundsätzlich hat sich die Koalition seit Längerem auf das neue
Finanzierungsmodell geeinigt. Damit sollen optimale Rahmenbedingungen
für Forschung und Lehre an den österreichischen Universitäten
hergestellt werden. Thematisiert wurde auch die Bildungsreform, SPÖ-
Abgeordnete drängten auf deren rasche Umsetzung.
Wissenschaftsminister Mahrer versicherte, es gebe seitens der ÖVP
keine Junktimierung der Bildungsreform mit der Frage der
Studienplatzfinanzierung.
ÖVP hofft auf rasche Umsetzung der Studienplatzfinanzierung
Zufriedenheit über den Ausbau der Studienförderung äußerte sich ÖVP-
Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle. Bereits in den vergangenen
Jahren habe man wesentliche Schritte zur Verbesserung der
Studienförderungen unternommen. Nun setze man den Schlussstein dieser
Entwicklung. Der Kreis der BezieherInnen werde ausgeweitet, die
Beihilfensätze erhöht und vor allem auch ältere Studierende
berücksichtigt. Töchterle appellierte, wie seine KlubkollegInnen Eva
Maria Himmelbauer und Asdin El-Habbassi an den Koalitionspartner und
die Opposition, den günstigen Moment zu nützen, um die geplante
Studienplatzfinanzierung genauso rasch umzusetzen. Ein Gesetzestext
dazu liege bereits vor und müsse nur noch abgestimmt werden. Mit dem
neuen Finanzierungsmodell würde ein Paradigmenwechsel eingeleitet,
die Universitäten erhielten die Möglichkeit, auf einer sicheren
finanziellen Basis zu planen. Ziel müsse genauere Planbarkeit, die
Bereitstellung einer optimalen Infrastruktur und bessere
Betreuungsverhältnisse sein, sagte Himmelbauer.
Himmelbauer ist es wichtig, die Durchlässigkeit im Ausbildungssystem
zu erhöhen und auch einen späteren Studienbeginn möglich zu machen.
Habbassi zeigte sich mit der Valorisierung der Studienbeihilfe
zufrieden. Durch die Neuerungen würde die soziale Treffsicherheit
erhöht. Er drängte darauf, bis Oktober die Zusagen für die nächste
Leistungsvereinbarungsperiode zu erfüllen.
SPÖ sieht Verbesserung der sozialen Situation von Studierenden
Auch die Wissenschaftssprecherin der SPÖ, Andrea Kuntzl, zeigte sich
erfreut über die erreichte Einigung. Damit sei eine wesentliche
Maßnahme zu einer spürbaren Verbesserung der sozialen Situation von
Studierenden gesetzt worden. Man setze hier bei den Erkenntnissen der
Studierendensozialerhebung an. Vor allem werde nun auch auf die
Lebensumstände älteren Studierenden mehr Rücksicht genommen. Durch
die Anhebung der Einkommensgrenzen der Eltern werde zudem der
BezieherInnenkreis wesentlich erweitert. Der SPÖ sei es ein großes
Anliegen, dass auch jenen, die nicht auf finanzielle Unterstützung
ihrer Eltern setzen können, der Zugang zur Hochschulbildung
ermöglicht wird.
Harry Buchmayr (S) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bis
zu einem Viertel der Studierenden von finanzieller Deprivation
betroffen seien. Die Erhöhung der Studienbeihilfe sei daher ein
richtiger Schritt. Elisabeth Hakel (S) sah die Politik gefordert, die
besten Rahmenbedingungen für das Studium zu schaffen. Dazu gehören
auch gute Studienbeihilfen. Die Ausweitung des BezieherInnenkreises
sei daher zu begrüßen. Die Menschen mit ihren Begabungen und
Qualifikationen seien die wichtigste Ressource Österreichs, betonte
Elisabeth Grossmann (S). Deshalb brauche man Chancengerechtigkeit,
damit niemand der Weg zur Bildung aufgrund sozialer Kriterien
verwehrt bleibe. Grossmann forderte weitere Maßnahmen zur
Verbesserung der Situation von Studierenden. Auch Elmar Mayer (S) sah
den Beschluss als Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit im
Bildungssystem. Dazu gehöre auch, dass Studierende, die weit entfernt
vom Studienort wohnen, Unterstützung erhalten.
... und will Studienplatzfinanzierung in Ruhe verhandeln
Zur Frage der Studienplatzfinanzierung sagte SPÖ-Abgeordnete Kuntzl,
die SPÖ habe sich immer für ein Modell der fairen und transparenten
Universitätsfinanzierung ausgesprochen. Erst seit zwei Wochen liege
dazu ein Gesetzesentwurf vor, der eine äußerst komplexe Änderung des
Gesamtsystems bedeute. Die SPÖ wolle seriöse Verhandlungen darüber,
sei aber gegen ein "Durchpeitschen" dieser Gesetzesänderung, betonte
Kuntzl. Eine Junktimierung dieser Frage mit dem Bildungsreformpaket,
wie sie von der ÖVP nun in den Raum gestellt werde, sei daher sehr
bedauerlich. Kuntzl appellierte an die ÖVP, zu einem normalen
Verhandlungstempo zurückzukehren.
Freiheitliche: Zustimmung, aber weitere Schritte erforderlich
Der Freiheitliche Wissenschaftssprecher Andreas Karlsböck (F) sprach
von einem Minimalkonsens und einem "Reförmchen" der Studienförderung.
Die FPÖ spreche sich dafür aus, Einkünfte in der vorlesungsfreien
Zeit nicht zur Eigenleistung laut Studienförderungsgesetz zu zählen.
Außerdem müssten die Leistungsstipendien wesentlich erhöht werden, um
Leistungswillige zu unterstützen. Die Universitäten befänden sich vor
gewaltigen Herausforderungen, in der derzeitigen Situation sei jedoch
die Finanzierung der nächsten Leistungsvereinbarungsperiode noch
nicht gesichert. Die FPÖ spreche sich für eine ausschließliche
Universitätsfinanzierung mittels Studienplatzfinanzierung aus. Die
Koalition habe genug Zeit gehabt, dieses Modell umzusetzen, hier
lasse er keine Ausreden mehr gelten, sagte Karlsböck. Seine Fraktion
sei grundsätzlich dagegen, dass man aus wahltaktischen Überlegungen
mit der Frage der Universitätsfinanzierung "Schlagzeilenpolitik"
betreibe.
Seine Fraktionskollegin Jessi Lintl bekräftigte mit einem
Entschließungsantrag die Forderung der FPÖ nach einer Erhöhung der
Zuverdienstgrenze bei der Studienbeihilfe. Derzeit würden
leistungswillige Studierende benachteiligt. Mit einer weiteren
Entschließung forderte sie Erleichterungen des Nachweises der
Berufstätigkeit für Anträge auf Erlass des Studienbeitrages. Die
derzeitige Praxis einiger Universitäten, als Nachweis nur den
Einkommensteuerbescheid des Vorjahres zu akzeptieren, benachteilige
ebenfalls berufstätige Studierende. Beide Anträge wurden mehrheitlich
abgelehnt.
Grüne: Keine Studienplatzfinanzierung mit Zugangsbeschränkungen
Seitens der Grünen signalisierte ihre Wissenschaftssprecherin Sigrid
Maurer (G) Zustimmung zur Erhöhung der Studienbeihilfe. Die deutliche
Erhöhung der Studienförderung um rund 60 Mio. € sei grundsätzlich
gut. Allerdings müsse auch sichergestellt werden, dass die
Studienbeihilfenbehörde genug Personal erhalte, um Anträge rasch
erledigen zu können. Maurer sprach auch ihrerseits die Frage der
kommenden Leistungsvereinbarungsperiode an. Die Universitäten hätten
bisher keine Rechts- und Planungssicherheit erhalten. Die
Studienplatzfinanzierung sieht Maurer kritisch. Die Opposition sei
noch nicht darüber informiert worden, wie das geplante Modell
aussehen soll, dieses müsse endlich auf den Tisch, forderte sie. Die
Grünen würden aber keinesfalls damit verbundenen
Zugangsbeschränkungen zustimmen, sagte Maurer, die sich auch gegen
jede Form der Junktimierung der Studienplatzfinanzierung mit der
Bildungsreform wandte.
NEOS fordern finanzielle Absicherung der Universitäten
NEOS-Mandatarin Claudia Gamon (N) meinte, die Änderung der
Studienbeihilfe sei nur eine Korrektur von Versäumnissen der letzten
Jahre, aber nicht der große Wurf zu einer besseren Studienförderung.
Gamon forderte, inhaltlich über die geplanten Gesetzesänderungen zu
reden und sich nicht in gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen den
Parteien zu ergehen. Die Frage sei, wie die Hochschulen langfristig
finanziell abgesichert werden können. Sie hege Zweifel daran, ob die
bisherigen Koalitionspartner überhaupt interessiert seien, vor den
Wahlen noch große Themen anzugehen. Die Universitäten seien jedoch
auf Planungssicherheit angewiesen, diese Frage dürfe nicht an der
Uneinigkeit von SPÖ und ÖVP scheitern.
Team Stronach für Anhebung der Zuverdienstgrenzen für Studierende
Ulrike Weigerstorfer vom Team Stronach begrüßte die Erhöhung der
Studienbeihilfe. Als zusätzliche Maßnahme müsse aber die
Zuverdienstgrenze angehoben werden, da sehr viele Studierende
berufstätig seien, gab sie zu bedenken. Hier seien die hohen
Lebenshaltungskosten für Studierende im Auge zu behalten.
Auch die fraktionslosen Abgeordneten Gerhard Schmid und Rupert
Doppler kündigten ihre Zustimmung an. Schmid meinte allerdings, dass
die Studienbeihilfe österreichischen Studierenden vorbehalten bleiben
solle. Für ausländische Studierende forderte er eine
Arbeitsverpflichtung in Österreich bzw. ein Kreditsystem. Doppler
forderte weitere Schritte, etwa eine Anhebung der Zuverdienstgrenze.
Mahrer hofft auf rasche Umsetzung der Studienplatzfinanzierung
Wissenschaftsminister Harald Mahrer bezeichnete es als erfreulich,
dass der Kreis der BezieherInnen von Studienbeihilfe ausgeweitet
werde. Diese Erhöhung war ursprünglich nur als eine Begleitmaßnahme
zu einer grundlegenden Umstellung des Finanzierungssystems der
Universitäten gedacht, erinnerte Mahrer. Das Ziel der
Studienplatzfinanzierung sei eine transparente
Universitätsfinanzierung und eine Verbesserung der
Betreuungsrelationen. Diese sei seit 2008 in Diskussion, seit kurzem
liege ein Gesetzesentwurf vor, der eine rasche Umsetzung ermögliche,
sagte Mahrer.
Disput über Abschluss der Bildungsreform
Andrea Kuntzl (S) brachte auch strittige Punkte der Bildungsreform
zur Sprache. Die SPÖ sei bereit, über offene Fragen noch einige
Wochen zu verhandeln, unterstrich sie. Sie hoffe jedoch, dass die
öffentlich getätigte Aussage des Wissenschaftsministers, wonach es
kein Junktim mit der Studienplatzfinanzierung gebe, auch hinter den
Kulissen gelte. Die SPÖ selber setze keine Junktims, wehre sich aber
gegen schlechten politischen Stil. Ebenso plädierte Elisabeth
Grossmann (S) für eine rasche Umsetzung der Bildungsreform. Dieses
Paket sei nun beschlussreif. Ihr Fraktionskollege Elmar Mayer zeigte
sich enttäuscht darüber, dass Teile der ÖVP offenbar die Umsetzung
der Bildungsreform blockieren. Damit werde die Umsetzung einer
bereits fertig ausgearbeiteten Modellregion in Vorarlberg behindert.
Brigitte Jank (V) hingegen betonte, dass zur Bildungsreform bisher
sehr gute Gespräche zwischen den Parteien geführt wurden. Allerdings
gebe es noch einige Details zu klären, hier habe man nach ihrer
Wahrnehmung noch keine Einigung erreicht. Ein Junktim sieht sie nur
auf Seiten der SPÖ, die über die Studienplatzfinanzierung nicht reden
wolle, solange die Bildungsreform nicht beschlossen sei. Aus ihrer
Sicht gibt es kein Ende der Gespräche, sagte die Abgeordnete.
Harald Walser (G) kritisierte die in der Koalition aufgebrochene
Diskussion über die Bildungsreform. Seit letzter Woche gebe es eine
Einigung dazu, betonte er, das Gesetz könne beschlossen werden.
Allerdings sei vom Wissenschaftsminister der versprochene
Gesetzestext bisher nicht vorgelegt worden. Die Tatsache, dass in
Folge noch Verordnungen zur Umsetzung der Reform notwendig sein
werden, sei kein Hindernis für eine rasche Umsetzung, sagte Walser,
der Aussagen von Wissenschaftsminister Mahrer dazu vehement
widersprach. Die Modellregion Vorarlberg sei gut vorbereitet, auch
hier sei nicht zu befürchten, dass auf dem Rücken der SchülerInnen
Experimente durchgeführt werden. Auch weitere vom Minister angeführte
Bedenken könne man nicht gelten lassen, sagte der Vorarlberger
Abgeordnete. So werde das Konzept der Modellregion Vorarlberg von den
Landesparteien von ÖVP und FPÖ mitgetragen. Keinem Bundesland werde
etwas aufgezwungen. Der Gesetzesbeschluss zur Bildungsreform müsse
aber rasch fallen, um sicherzustellen, dass jene Bundesländer, die
etwas umsetzen wollen, das auch tun können.
Wendelin Mölzer (F) stellte dazu fest, die FPÖ lehne eine
Modellregion Gesamtschule ab. Die Bedingungen der FPÖ seien bekannt,
unter denen sie bereit sei, über eine Umsetzung der Bildungsreform zu
verhandeln.
NEOS Mandatar Gerald Loacker kritisierte aus seiner Sicht die in der
ÖVP bestehende Doppelgleisigkeit, da sie in Vorarlberg die
Modellregion zur Schulreform mittrage, eine solche aber auf
Bundesebene blockiere.
Was die Bildungsreform betreffe, so gebe es eine Reihe von
Verordnungen, die noch auszuarbeiten seien, sagte
Wissenschaftsminister Harald Mahrer. In Fragen der Schulverwaltung
seien beispielsweise noch viele Details mit den Ländern zu
abzuklären, um nicht plötzliche Unsicherheiten zu erzeugen. Er wende
sich daher dagegen, in diesen Fragen Beschlüsse über die Köpfe der
Betroffenen hinweg zu fassen. Das gelte auch für die Einrichtung
einer Modellregion. Hier müssten alle Seiten einbezogen werden. Was
den Gesetzesentwurf zur Studienplatzfinanzierung betreffe, so sei das
vorgeschlagene Modell längst bekannt. Hierzu habe es viele Gespräche
dazu gegeben und er sei der Ansicht, dass bei gutem Willen eine
Einigung in den nächsten Wochen möglich wäre. Ein Junktim der
Bildungsreform mit der Studienplatzfinanzierung und
Zugangsbeschränkungen bestehe seitens der ÖVP jedoch nicht, betonte
der Wissenschaftsminister. Man sei in den bisherigen Gesprächen einer
Einigung schon sehr nahe gekommen und er hoffe, dass man auch das
letzte Stück des Weges gemeinsam gehen könne. (Fortsetzung
Nationalrat) sox
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