- 23.05.2017, 16:30:53
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Volksbegehren gegen CETA: Verfassungsausschuss nahm Beratungen auf
InitiatorInnen fordern fairen und gerechten Handel
Utl.: InitiatorInnen fordern fairen und gerechten Handel =
Wien (PK) - Mit einer Generaldebatte hat der Verfassungsausschuss des
Nationalrats heute die Beratungen über das Volksbegehren gegen die
Freihandelsabkommen CETA und TTIP aufgenommen. Zwar ist CETA schon
fix und fertig ausverhandelt und könnte nach Zustimmung des
Europäischen und des Kanadischen Parlaments in wesentlichen Teilen
bald vorläufig angewendet werden, die InitiatorInnen des
Volksbegehrens, allen voran der Traisener Bürgermeister Herbert
Thumpser, haben jedoch die Hoffnung nicht aufgegeben, das Abkommen
letztendlich doch noch zu Fall bringen zu können. Für ein endgültiges
Inkrafttreten braucht es schließlich die Zustimmung aller nationalen
Parlamente der EU-Staaten. Thumpser appellierte in diesem Sinn an die
Abgeordneten, CETA ihre Zustimmung zu verweigern. Auch die Mehrzahl
der geladenen ExpertInnen äußerte sich kritisch zu CETA und TTIP.
Für die Sitzung entschuldigt hatte sich Wirtschaftsminister Harald
Mahrer. Er musste laut ÖVP-Abgeordneter Angelika Winzig einen
unaufschiebbaren Termin wahrnehmen.
Thumpser betonte in seinem einleitenden Statement, dass die
InitiatorInnen des Volksbegehrens selbstverständlich für Handel
seien. Man müsse die Handelspolitik und die Handelsverträge aber auf
eine neue Basis stellen. Es brauche einen fairen und gerechten
Handel, von dem möglichst alle profitieren. Im Mittelpunkt dürften
nicht die Interessen der Industrie und der Agrarkonzerne stehen,
sondern die Interessen der ProduzentInnen, der ArbeitnehmerInnen, der
Klein- und Mittelbetriebe und der öffentlichen Einrichtungen sowie
die Umwelt.
Vorliegende Studien würden nur wenig positive Effekte durch CETA
prognostizieren, machte Thumpser geltend. Zudem kritisierte er, dass
bei den Verhandlungen keinerlei Transparenz gegeben war. Auch den
Sinn von Sonderklagsrechten kann er nicht erkennen. In Kanada sei
überdies das Vorsorgeprinzip rechtlich nicht verankert, damit könnte
dieses Prinzip ausgehebelt werden und die hohen Standards in
Österreich unter die Räder kommen. "Die Spirale muss sich nach oben
drehen", appellierte Thumpser an die Verantwortung der Abgeordneten.
Was das dritte vom Volksbegehren umfasste Abkommen, TiSA, betrifft,
sorgt sich der Initiator des Volksbegehrens um eine exzessive
Liberalisierung von Dienstleistungen.
Wedl: CETA und TTIP bringen nur wenig Nutzen
Kritisch zu TTIP und CETA äußerte sich auch die Mehrzahl der
geladenen ExpertInnen. So anerkannte Valentin Wedl, Leiter der
Abteilung EU/Internationales der Arbeiterkammer Wien, zwar die
Verdienste der österreichischen Regierung bei den Nachverhandlungen
zu CETA, seiner Meinung nach sind aber weitere Nachschärfungen
notwendig. Vor allem die Investitionsschutzklausel ist ihm ein Dorn
im Auge. Es brauche eine faire Globalisierung, der Wettbewerb dürfe
nicht auf Kosten der Allgemeinheit forciert und auf dem Rücken von
ArbeitnehmerInnen ausgetragen werden.
Wedl wies auch darauf hin, dass die zu CETA und TTIP erstellten
Studien wenig Nutzen der Abkommen erkennen ließen. Selbst
Auftragsstudien der EU-Kommission würden nur ein marginales
zusätzliches Wirtschaftswachstum prognostizieren. Gleichzeitig würde
darin vieles wie soziale Transaktionskosten und Arbeitsmarktkosten
nicht berücksichtigt. Für umso wichtiger hält er es, sich die
Nachteile der Abkommen anzuschauen.
Strickner und Gewessler urgieren faire Handelspolitik
Eine gerechte Handels- und Investitionspolitik urgierten auch
Alexandra Strickner (Attac Österreich) und Leonore Gewessler,
Geschäftsführerin von Global 2000. Der Mensch und die Umwelt müssten
im Mittelpunkt stehen, bekräftigten sie. Strickner rief die
Abgeordneten in diesem Sinn dazu auf, einen Kriterienkatalog für
künftige Handels- und Investitionsabkommen zu erstellen, wobei sie
gleichzeitig einige aus ihrer Sicht wesentliche Punkte nannte. So
haben ihrer Einschätzung nach öffentliche Dienstleistungen in
derartigen Abkommen nichts zu suchen. Das gleiche gelte für
Sonderklagsrechte sowie für Klauseln, die verhindern, dass einmal
gesetzte Liberalisierungsschritte wieder zurückgenommen werden
dürfen. Es brauche auch keine Sondergremien, auf die Lobbyisten
leicht Einfluss nehmen können. Die Expertin regte überdies an,
Handels- und Investitionsabkommen nur noch auf Zeit abzuschließen und
nicht vor dem Inkrafttreten anzuwenden.
Gewessler äußerte sich unter anderem besorgt darüber, dass die
Gentechnikfreiheit, auf die Österreich zu Recht stolz sein könne,
durch CETA unter die Räder kommt. Überdies sieht sie das "right to
regulate" der nationalen Parlamente eingeschränkt. Bei den im
Abkommen verankerten Regulierungsgremien vermisst sie Transparenz und
die Pflicht zur Rechenschaft.
Wichtig sind Strickner und Gewessler darüber hinaus demokratische
Verhandlungsprozesse. Es müssten alle Verhandlungsdokumente
offengelegt und auch die Zivilgesellschaft in die Verhandlungen
eingebunden werden. CETA biete die Möglichkeit, einen neuen Beginn
der Handelspolitik der EU in Richtung partizipative Handelspolitik
anzustoßen, so Gewessler.
Schrott: Beseitigung von Handelsbarrieren hilft auch österreichischen
Unternehmen
Als einzige Expertin reihte sich Susanne Schrott, Abteilung für
Finanz- und Handelspolitik der Wirtschaftskammer Österreich, nicht in
die Reihe der KritikerInnen ein. Sie wies auf die Bedeutung des
Außenhandels für Österreich hin und gab zu bedenken, dass andere
Studien zu TTIP und CETA zu anderen Ergebnissen kommen als die von
Wedl dargestellten. Schrott machte außerdem geltend, dass die EU-
Handelspolitik ein System sei, das sich aus Bausteinen zusammensetze.
Einen einzelnen Baustein wie CETA "herauszukatapultieren", würde die
Gesamtstrategie gefährden und der Effektivität der Abkommen schaden.
Niemand spreche von einer totalen Liberalisierung des Handels,
unterstrich Schrott. Vielmehr gehe es um die schrittweise Beseitigung
von Hürden, denen auch exportorientierte österreichische Unternehmen
gegenüberstehen. Dass nicht alle 28 EU-Mitglieder, sondern nur die -
mit einem Verhandlungsmandat ausgestattete - Europäische Kommission
am Verhandlungstisch sitzen, ist für Schrott zweckmäßig. Es gebe mit
dem handelspolitischen Ausschuss aber einen Sonderausschuss auf EU-
Ebene, in dem sich alle Mitgliedsstaaten wie Österreich einbringen
könnten. Das werde von österreichischer Seite auch getan.
Grüne: SPÖ und ÖVP-Chef Kurz müssen Farbe bekennen
Den Bedenken der InitiatorInnen des Volksbegehrens schlossen sich
auch drei der vier Oppositionsparteien an. Die mehr als 560.000
Unterschriften seien ein deutliches Votum der Bevölkerung, meinte
etwa Werner Kogler von den Grünen. Er forderte sowohl die SPÖ als
auch den neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz auf, angesichts der
bevorstehenden Wahlen Farbe zu bekennen. Bundeskanzler Kern habe zwar
einen "Beipacktext" zu CETA ausverhandelt, dieser ändere aber nichts
daran, "dass das Präparat giftig bleibt".
Kogler plädierte in diesem Sinn dafür, dem Abkommen einige Giftzähne
zu ziehen. Konkret nannte er das Schiedssystem und die Aushöhlung des
Vorsorgeprinzips. Was TTIP betrifft, hat Österreich ihm zufolge
bisher nichts unternommen, das Mandat der EU abzuändern.
Der österreichischen Bevölkerung sei Fairness im Handel ein Anliegen,
bekräftigte Koglers Fraktionskollege Wolfgang Pirklhuber. Die
Abgeordneten müssten sich die Frage stellen: "Sind wir Lobbyisten
oder Vertreter des Volkes?" Im Konkreten wandte er sich gegen die
Pestizid- und Gentechniklobby.
FPÖ und Team Stronach beharren auf Volksabstimmung zu CETA
Sowohl FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan als auch Team-Stronach-
Abgeordneter Christoph Hagen sprachen sich für eine Volksabstimmung
zu CETA aus. Es gebe eine große Skepsis in der Bevölkerung, was das
Abkommen betrifft, man solle daher die BürgerInnen entscheiden
lassen, betonte Stefan. Damit würde man auch verhindern, dass die
Energie der InitiatorInnen des Volksbegehrens verpuffe und dieses in
der Schublade lande.
CETA berühre unter anderem die soziale Sicherheit, die Rechte von
ArbeitnehmerInnen, den Umweltschutz und die Demokratie, hob Hagen
hervor. Während die breite Masse verliere, gebe es einen einzigen
Gewinner: die Großkonzerne. Die hohe Zahl der Unterschriften wertete
Hagen als klares Zeichen an die Politik, auch Stefan sprach gegenüber
den InitiatorInnen Hochachtung aus.
"Beipacktexte" seien zu wenig, stimmte auch FPÖ-Abgeordneter Axel
Kassegger in den Chor der KritikerInnen ein. Für ihn ist CETA eine
Mogelpackung, da es nur in geringen Teilen um Freihandel gehe. Er
bemängelt außerdem, dass gemäß dem Vertrag künftig ExpertInnen mit
keinerlei demokratischer Legitimation Entscheidungen mit
weitreichenden Folgen treffen können.
NEOS: Chance von Handeslabkommen sehen
Seitens der NEOS hinterfragte Josef Schellhorn demgegenüber die
Argumente der CETA-KritikerInnen. Anstatt auf mögliche Gefahren zu
fokussieren, solle man auch die Chance von Handelsabkommen sehen,
mahnte er. So könnten Österreich und die heimischen Bauern etwa durch
die Weiterentwicklung des "Spezialitätenladens" profitieren. Würde
man der Argumentation der KritikerInnen folgen, müssten zudem alle
bestehenden 3.600 Handelsverträge in Frage gestellt werden.
Es brauche eine mutige und ehrliche Diskussion darüber, was fair sei
und was das in einem europäischen Kontext heiße, betonte Schellhorn.
Stattdessen würde "Sand in die Augen gestreut" und Angst geschürt.
Kritik übte er in diesem Zusammenhang auch am Boulevard und dem
Handelsriesen Spar, die gegen CETA kampagnisiert hätten.
SPÖ gratuliert BetreiberInnen des Volksbegehrens
Den BetreiberInnen des Volksbegehrens gratulierten auch SPÖ-
Abgeordneter Kai Jan Krainer und seine FraktionskollegInnen Katharina
Kucharowits und Christoph Matznetter. Die Frage sei, welche Stellung
hätten Ökologie und Konsumentenschutz bei der Globalisierung, sagte
Krainer. Die hohe Zahl der Unterschriften zeigt für ihn jedenfalls,
dass das Thema der Bevölkerung unter den Nägeln brennt. Kucharowits
sieht die Chance, eine andere Handelspolitik auf EU-Ebene zu
initiieren. In den Nachverhandlungen zu CETA sei einiges erreicht
worden, meinte sie, etliche Punkte wie Sanktionsmechanismen und die
Rolle der Schiedsgerichte sind für sie aber noch offen.
ÖVP: Hoheitsrechte der Nationalstaaten bleiben gewahrt
ÖVP-Abgeordnete Angelika Winzig bedauerte, dass im Volksbegehren drei
äußerst unterschiedliche Abkommen vermischt werden. Das Wissen über
CETA sei in Österreich nach wie vor gering, selbst bei jenen, die das
Volksbegehren unterzeichnet haben, meinte sie. Das habe sie auch bei
Gesprächen in ihrem Wahlkreis immer wieder feststellen müssen. Winzig
zufolge bleibt mit CETA die Hoheit der Nationalstaaten, Gesetze im
Interesse des Umweltschutzes oder der Gesundheit zu beschließen,
erhalten, auch die hohen Standards seien weiter gesichert.
Ausdrücklich begrüßte Winzig, dass der EuGH die neuen Handelsabkommen
der EU als gemischte Abkommen qualifiziert hat. Ihr Fraktionskollege
Nikolaus Berlakovich hob die Notwendigkeit hervor, die
kleinbäuerliche Landwirtschaft in Österreich abzusichern. Viele
Menschen hätte das Gefühl, die supranationalen Konzerne richten es
sich, während kleine Betriebe auf der Strecke bleiben.
Das Volksbegehren, das sich nicht nur gegen TTIP und CETA, sondern
auch gegen das plurilaterale Dienstleistungsabkommen TiSA richtet,
wurde von exakt 562.379 Personen - bzw. 8,87% der stimmberechtigten
ÖsterreicherInnen - unterzeichnet. "Der Nationalrat möge ein
Bundesverfassungsgesetz beschließen, das österreichischen Organen
untersagt, die Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA)
oder das plurilaterale Dienstleistungsabkommen (TiSA) zu
unterzeichnen, zu genehmigen oder abzuschließen", heißt es kurz und
bündig im Antragstext.
Neben Thumpser nahmen auch Karl Slama und Heidi Edelmaier als
stellvertretende Bevollmächtigte des Volksbegehrens an den
Ausschussberatungen teil. Gleich im Anschluss an die Generaldebatte
fand eine Spezialdebatte zu den rechtlichen Grundlagen der Abkommen
statt. Weitere Spezialdebatten sollen folgen. (Fortsetzung
Verfassungsausschuss) gs
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