- 12.05.2017, 16:54:26
- /
- OTS0208
Kommissionspräsident Juncker kritisiert unsolidarische EU-Länder und hält Frankreichs neuen Präsidenten für ein Signal der Hoffnung
Das Interview erscheint in der Samstagausgabe - ungekürzt morgen auf www.salzburg.com/247415 und www.nachrichten.at.
Utl.: Das Interview erscheint in der Samstagausgabe - ungekürzt
morgen auf www.salzburg.com/247415 und www.nachrichten.at. =
Brüssel (OTS/SN) - SN- und OÖN-EU-Korrespondentin Monika Graf
Für Europa ist die Wahl des neuen französischen Präsidenten Emmanuel
Macron „ein positives Signal, ein Signal der Hoffnung“, sagt
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Interview mit den
„Salzburger Nachrichten“ und den „Oberösterreichischen Nachrichten“.
Er sei „ein Politiker, der weiß, dass die Mitgliedsländer nur dann
vorankommen, wenn wir Europäer zusammenhalten.“ Er wisse seit dem
ersten Treffen mit Macron 2014 „dass wir viele Ziele gemeinsam haben
– von einer europäischen Verteidigungspolitik über ein sozialeres
Europa bis hin zur Stärkung der Währungs- und Wirtschaftsunion“.
Der Kampf gegen Populismus kann laut Juncker gelingen, weil die
Wähler „sehr wohl unterscheiden zwischen Populisten einerseits und
Politikern, die komplizierte Zusammenhänge offen und klar ansprechen,
andererseits. Menschen schätzen Politiker, die Lösungen statt leerer
Losungen anbieten“, das habe auch die Wahl von Alexander Van der
Bellen bewiesen.
Juncker verteidigt im Interview die Beschlüsse zur Umverteilung der
Flüchtlinge in Europa und fordert Länder wie Polen auf, sich daran zu
halten. „Das ist eine Frage des Rechts und des Anstands. Zum einen
hat es der Ministerrat, in dem Polen genauso vertreten ist wie alle
anderen Regierungen, so beschlossen. Insgesamt sollen 106.000
Flüchtlinge aus Griechenland und Italien, den beiden am stärksten
betroffenen Mitgliedstaaten, umverteilt werden. Gemeinsam
beschlossene Regeln müssen nun mal eingehalten werden – pacta sunt
servanda.“ Es könne nicht sein, „dass allein die Lage auf der
Landkarte darüber bestimmt, wie viel Verantwortung ein Land in der
Flüchtlingsfrage trägt. Ich akzeptiere auch nicht, dass der religiöse
Hintergrund dafür entscheidend ist, ob wir Menschen in Not helfen
oder nicht. Vor allem denjenigen, die sich von christlichen Werten
leiten lassen, sollte es ein moralisches Gebot sein, Flüchtlingen
Asyl zu gewähren.“
Juncker kritisiert die EU-Ländern, die keine oder weniger Flüchtlinge
nehmen wollen. Als Reaktion auf „die unterschiedlichen Formen der
Solidarität“ habe die Kommission vorgeschlagen, dass die Umverteilung
von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien auch verrechnet werden
könnten und sich Länder am Grenzschutz stärker finanziell beteiligen.
„Nur eins muss klar sein: Wer Solidarität erfahren will, etwa in Form
von EU-Kohäsionsmitteln, muss auch Solidarität erbringen. Solidarität
ist keine Einbahnstraße“.
Der Brexit wird laut Juncker zeigen, „wie viel attraktiver es ist,
Mitglied unserer Union zu sein.“ Er könne „also sogar zu einem
identitätsstiftenden Moment für das Europa der 27 werden.“
Für den Kommissionspräsident ist der engere Zusammenschluss der
Europäischen Völker, wie er vor 60 Jahren beschlossen wurde
„selbstverständlich“ noch immer wünschenswert. „Ich würde sogar
sagen, jetzt erst recht, denn hier geht es um weitaus mehr als um ein
in den EU-Verträgen festgeschriebenes Ziel“, sagt er mit Verweis auf
„tausende Menschen in hunderten von Städten“, die für Europa auf die
Straße gehen. „Europa ist unsere Zukunft, und deshalb bleibt es
dabei, dass die Europäer weiterhin daran arbeiten werden, ihr
gemeinsames Projekt zu vervollständigen und voranzubringen.“
Für den Euro ist Junckers Prognose „eine optimistische“. „Ohne den
Euro wären wir in der weltweiten Krise deutlich schlechter
aufgestellt gewesen. Unsere gemeinsame Währung hat einen
Währungskrieg verhindert. Der Euro ist – nicht nur laut den Verträgen
– unumkehrbar. Er kann folglich nur an Kraft und Mitgliedern
gewinnen.“
Die strukturellen Schwächen der Währungsunion habe man schon in der
Banken- und Schuldenkrise zu beheben begonnen, sagt der
Kommissionspräsident und kündigt für die nächsten Wochen ein
Reflexionspapier „mit weiteren Szenarien und Ideen“ an.
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PSN