- 08.05.2017, 18:27:43
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Außenpolitischer Ausschuss beschließt Integrationspaket mit Stimmen von SPÖ und ÖVP
Kurz: Integrationserfolg hängt von weiterem Flüchtlingszustrom ab
Utl.: Kurz: Integrationserfolg hängt von weiterem Flüchtlingszustrom
ab =
Wien (PK) - Nach einem rund zweistündigen öffentlichen Hearing am
Vormittag (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 538) hat der
Außenpolitische Ausschuss heute das von der Regierung vereinbarte
Integrationspaket mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen.
Zustimmung für Teile des Sammelgesetzes, etwa dem Integrationsgesetz
mit verpflichtenden Deutsch- und Wertekursen für anerkannte
Flüchtlinge, könnte es im Plenum noch von der FPÖ und den NEOS geben.
Dezidiert abgelehnt wurden die Regierungspläne von den Grünen. Sie
kritisieren eine weitere Zersplitterung des Integrations- und
Asylrechts und vermissen Maßnahmen zur Radikalisierungsprävention.
Dem Team Stronach gehen die Maßnahmen nicht weit genug, die
Oppositionsfraktion fordert ein generelles Kopftuchverbot im
öffentlichen Dienst. Für Außenminister Sebastian Kurz steht fest,
dass der Erfolg der Integrationsmaßnahmen vom weiteren
Flüchtlingszustrom abhängt. Der Zustrom nach Österreich müsse
reduziert werden, betonte er einmal mehr im Parlament.
Gesichtsverhüllungsverbot ab Oktober
Konkret handelt es sich beim Integrationspaket (1586 d.B.) der
Regierung um ein Sammelgesetz. Mit dem darin neu geschaffenen
Integrationsgesetz sowie Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz werden
verpflichtende Deutsch- und Wertekurse für anerkannte Flüchtlinge und
subsidiär Schutzberechtigte ab dem 15. Lebensjahr sowie das bereits
medial kontrovers diskutierte Gesichtsverhüllungsverbot ab Oktober
eingeführt. Wer ab Herbst demnach in der Öffentlichkeit seine
Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise
verhüllt oder verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind, muss mit
Geldstrafen von bis zu 150 € rechnen. Das gilt auch im Bus-,
Schienen-, Flug- und Schiffsverkehr sowie in Gerichten, an Schulen
und Universitäten. Das Verhüllungsverbot gilt nicht für das Tragen
von Sturzhelmen oder Mund-, Nasen- und Atemschutzmasken oder bei
Faschingsfeierlichkeiten oder Perchtenläufen.
Seinen Meinungswandel zum Burka-Verbot von vor rund zwei Jahren
begründete der Außenminister gegenüber NEOS-Abgeordneten Nikolaus
Scherak Ausschuss u.a. mit der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 und dem
Aufstieg des IS-Terror. Bei der Burka handle es sich um ein Symbol
einer Gegengesellschaft, das bewusst nach Österreich transportiert
werde. Mit dem Verbot signalisiere die Politik nunmehr ihren
Unrechtsgehalt. Zudem geht Kurz davon aus, dass unterdrückten Frauen
damit eher geholfen werden kann, als ohne gesetzliche Regelung.
Verpflichtende Deutsch- und Wertekurse ab dem vollendeten 15.
Lebensjahr
Eine Verpflichtung für Deutsch- sowie Werte- und Orientierungskurse
besteht künftig für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär
Schutzberechtigte ab dem vollendeten 15. Lebensjahr. Involviert sind
dabei das Außen- und Sozialministerium. Abgewickelt vom
Integrationsfonds sollen in einem ersten Schritt Deutschkurse auf A1-
Niveau zur Verfügung gestellt werden. Nach entsprechender
Absolvierung und positivem Asylbescheid können bzw. müssen dann
erwerbsfähige und damit beim AMS vorgemerkte anerkannte Flüchtlinge
und subsidiär Schutzberechtigte einen A2-Deutschkurs besuchen.
Abgewickelt werden diese Kurse vom AMS. An dieser Stelle knüpft das
vom Sozialausschuss bereits gebilligte Integrationsjahrgesetz (IGJ)
an. Demnach sind künftig alle anerkannten Flüchtlinge und subsidiär
Schutzberechtigte, die auf keinen geeigneten Arbeitsplatz vermittelt
werden können, zur Teilnahme an einem Integrationsjahr, das heißt
einem standardisierten Integrationsprogramm, verpflichtet (siehe
Parlamentskorrespondenz Nr. 391 ). Während im Integrationspaket
Deutschkurse bis zum A2-Niveau angeboten werden, sieht das
Integrationsjahr darauf aufbauend Deutschkurse ab A2-Niveau vor.
Die verpflichtenden Werte- und Orientierungskurse werden in
Kooperation zwischen dem Integrationsfonds und dem AMS als
eigenständige Kurse angeboten. Vermittelt werden sollen darin
Prinzipien der österreichischen Verfassung wie Menschenwürde,
Gleichberechtigung von Mann und Frau, Rechtsstaatlichkeit und
Demokratie. Die verpflichtenden Deutsch- und Wertekurse gelten
allerdings nicht für anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär
Schutzberechtigte, denen der Asylstatus vor dem 1. Jänner 2015
zuerkannt wurde. Bei Integrationsverweigerung drohen Sanktionen in
Form einer gekürzten oder gestrichenen Mindestsicherung bzw.
Notstandshilfe oder Einbußen beim Arbeitslosengeld, wobei hierfür die
jeweiligen Landesgesetze gelten.
Die Verpflichtung von Flüchtlingen zu Deutsch- und Wertekursen soll
durch eine Integrationserklärung erfolgen, durch die sie sich mit
ihrer Unterschrift zur Einhaltung der grundlegenden Werte der
österreichischen Rechts- und Gesellschaftsordnung bekennen.
Neuregelungen gibt es außerdem bei der bereits existierenden
Integrationsvereinbarung für Drittstaatsangehörige. Für jene, die
versuchen, sich den Aufenthaltstitel zu erschleichen, wird es in
Zukunft teurer werden. Wer eine andere Person für sich zur Prüfung
schickt oder die Prüfung für jemand anderen schreibt, riskiert eine
Geldstrafe zwischen 500 und 2.500 € bzw. eine Freiheitsstrafe von bis
zu sechs Wochen. Bestraft werden soll künftig auch das Schummeln. Es
drohen Geldstrafen von bis zu 1.000 € bzw. eine Freiheitsstrafe von
bis zu zwei Wochen, wenn unerlaubte Hilfsmittel bei den
Integrationsprüfungen verwendet werden.
Eingerichtet werden soll im Außenministerium neben einer
Forschungskoordinationsstelle außerdem ein Integrationsmonitoring,
das Daten beispielsweise über die Anzahl von Asylanträgen, die
Verfahrensdauer, zuerkannte bzw. abgewiesene Aufenthaltstitel oder
die Anzahl der beim AMS gemeldeten anerkannten Flüchtlinge bzw.
jener, die die Mindestsicherung beziehen, statistisch erfassen und
bundesweit bündeln soll.
Gesetzliche Grundlagen gegen Verteilaktionen zur Verbreitung
radikalen Gedankenguts
Zudem werden erstmals gesetzliche Grundlagen gegen Verteilaktionen
zur Verbreitung radikalen Gedankenguts geschaffen. Passieren soll das
durch eine Änderung der Straßenverkehrsordnung mit einem strengeren
Bewilligungsprozedere für die Benützung von Straßen zu anderen
Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs. Bei der Prüfung eines
Bewilligungsantrags haben Behörden bisher nur Verkehrsverhältnisse
berücksichtigt. Nunmehr soll auch geprüft werden, ob der Zweck der
Straßenbenützung gegen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit
verstoßen könnte. In entsprechenden Verdachtsfällen soll künftig die
Polizei verständigt werden, diese hat dann innerhalb von zehn
Werktagen eine Stellungnahme auf Basis ihrer Ermittlungen abzugeben.
Vorher darf keine Bewilligung ausgestellt werden. Umfasst sind davon
auch Parks, wie Kurz im Ausschuss versicherte, die Regierung habe
hier einen pragmatischen Weg gewählt. Sobotka verwies darauf, dass
die neuen Regelungen auch für Verteilaktionen von Staatsverweigerern
gelten werden.
Grundsätzlich soll mit dem Paket nunmehr eine Gesetzesgrundlage für
eine systematisierte und institutionsübergreifende Integration
geschaffen werden, erklärte Kurz gegenüber den Abgeordneten.
Abgeordnete von SPÖ und ÖVP stehen geschlossen hinter
Integrationspaket
Seitens der SPÖ argumentierten Hannes Weninger und Josef Cap, dass
die Politik auf aktuelle Entwicklungen reagieren müsse. Die SPÖ würde
zwar auch hinter den Sanktionen stehen, die Regierung müsse dennoch
ehrlich eingestehen, dass manche Maßnahmen im Integrationspaket
Symbolcharakter hätten, meinte Weninger. Er bezweifelt
beispielsweise, ob das Problem der salafistischen Propaganda mit
einer Änderung der Straßenverkehrsordnung behoben werden kann. Für
seinen Fraktionskollegen Josef Cap ist dieser Ansatz wiederum ein
praktischer Weg und ein symbolisches Signal. "Eine offene
Gesellschaft muss sich auch zur Wehr setzen können", meinte Cap.
"Wer Rechte hat, der hat auch Pflichten", lautete der Grundsatz von
ÖVP-Abgeordneter Angelika Winzig. Franz-Joseph Huainigg (V) hob
insbesondere die Bedeutung von Deutsch- und Wertekursen hervor.
FPÖ: Symbolpolitik für Regierungswahlkampf
Die FPÖ kritisierte das Sammelgesetz als Symbolpolitik in Bezug auf
einen beginnenden Wahlkampf der Regierungsparteien. Außerdem handle
es sich um eine neuerliche Vermischung von den Materien Asyl und
Zuwanderung, wie Reinhard Bösch bemängelte (F). Mit dem Gesetz glaube
die Regierung, ihre politischen Versäumnisse aus dem Herbst 2015
wieder ausgleichen zu können, wirkliche Probleme würden
beiseitegeschoben, so auch die Kritik von FPÖ-Abgeordnetem Johannes
Hübner. "Asyl ist ein Schutz auf Zeit und kein Hintertürl, um in
Österreich einwandern zu können", sagte er. Er fordert eine Lösung in
den Herkunftsländern vor Ort, nicht berücksichtigt im
Integrationspaket sei außerdem die Frage der Rückführungen.
Als zahnlos bezeichnete Team Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen
das Gesetzespaket. "Wir bräuchten etwas Schärferes", meinte er, etwa
in Form eines generellen Kopftuchverbots in öffentlichen Gebäuden wie
an Schulen oder Ämtern. Zudem werden geplante Sanktionen aus seiner
Sicht nicht viel bringen, viele Flüchtlinge seien nämlich nicht
integrierbar.
Grüne: Weitere Zersplitterung der Migrations- und Integrationsmaterie
Seitens der Grünen kritisierte Alev Korun, dass zu den bereits
bestehenden acht Gesetzen im Migrations- und Integrationsbereich nun
noch ein Neuntes hinzukommt. Absurd sei außerdem, Strafen ohne ein
flächendeckendes Deutschkursangebot zu verschärfen. "Das kann nur
Symbolpolitik sein", meinte sie. Nicht erkennen kann Korun im
Sammelgesetz zudem einen Rechtsanspruch auf Deutschkurse. Geht es um
die Änderung der Straßenverkehrsordnung zur Verhinderung von
salafistischen Koranverteilaktionen, würden sie und ihre
Fraktionskollegin Tanja Windbichler-Souschill Maßnahmen zur aktiven
Radikaliserungsprävention als sinnvoller erachten.
Ein weiterer Kritikpunkt Koruns ist zudem, dass Deutsch- und
Wertekurse in Zukunft zusammen unterrichtet werden sollen. So gab sie
etwa zu bedenken, dass für das Verständnis von Werteinhalten ein
höheres Sprachniveau notwendig sei. Dem Außenminister zufolge werden
Wertekurse künftig zweisprachig angeboten, demnach soll es im
Unterricht DolmetscherInnen geben. Angeboten werden sollen laut
Sobotka außerdem Alphabetisierungskurse, "wo sie notwendig sind".
Hinsichtlich des Gesichtsverhüllungsverbots verwies Korun u.a. auf
Frankreich, wo Strafen einfach bezahlt würden, sich an der
Vollverschleierung aber nichts geändert habe. Nach Meinung Aygül
Berivan Aslan (G) würde die Politik Salafisten mit dem
Gesichtsverhüllungsverbot einen Gefallen tun, man würde ihre
Positionen nur verstärken. Frauen würden aus der Öffentlichkeit
isoliert, Verwaltungsstrafen aus dem Ausland finanziert werden,
prognostizierte Aslan. Sie appellierte, mehr Aufklärungsarbeit im
schulischen Bereich anzubieten.
Von den NEOS konnte Nikolaus Scherak dem Integrationspaket durchaus
Positives abgewinnen, etwa, dass Integrationsmaßnahmen nunmehr
bundeseinheitlich passieren sollen. Bei der Änderung der
Straßenverkehrsordnung handelt es sich für ihn aber um eine rein
symbolische Maßnahme. Er bemängelt, dass das Gesetz nicht
ausdrücklich auf salafistische Koranverteilungen abzielt. Die
Regelung sei problematisch und schaffe Raum für Missbrauch. Außerdem
glaubt er nicht, dass durch das Burka-Verbot Integrationsprobleme
gelöst werden können. Ziel müsse es sein, Frauen zu integrieren und
von der Vollverschleierung wegzubringen. Er befürchtet, dass durch
das Verbot Frauen aus dem öffentlichen Raum eher vertrieben werden.
(Schluss Außenpolitischer Ausschuss) keg
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