- 03.05.2017, 18:15:28
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Parteien wollen BürgerInnen stärker in den Gesetzgebungsprozess einbinden
Erstes Crowdsourcing-Pilotprojekt könnte 2018 starten
Utl.: Erstes Crowdsourcing-Pilotprojekt könnte 2018 starten =
Wien (PK) - Die sechs Parlamentsfraktionen wollen die BürgerInnen
stärker in den Gesetzgebungsprozess einbinden. Der
Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute einen gemeinsamen
Entschließung an das Plenum weitergeleitet. Insbesondere geht es um
die Ausweitung des Begutachtungsverfahrens zu Gesetzentwürfen und die
Durchführung von Crowdsourcing-Projekten. Nach finnischem Vorbild
sollen ausgewählte Gesetzesvorhaben gemeinsam mit BürgerInnen und
Fachleuten in einem mehrstufigen Prozess erarbeitet werden, wobei die
Regierung zunächst einmal ersucht wird, Materien, die sich für einen
Crowdsourcing-Prozess eignen, bekanntzugeben. Ein erstes Pilotprojekt
könnte dann 2018 starten, die technischen Voraussetzungen sollen bis
Ende dieses Jahres vorliegen.
Für die Opposition ist die Entschließung zwar nur ein kleiner, aber
ein richtiger Schritt zur Umsetzung der Empfehlungen der
parlamentarischen Enquete-Kommission zur "Stärkung der Demokratie in
Österreich", die zwischen September 2014 und September 2015 tagte.
Wenig Bewegung gibt es nach wie vor beim Informationsfreiheitsgesetz,
Kanzleramtsminister Thomas Drozda will vor dem Sommer aber noch
einmal einen Anlauf nehmen.
Wie ein Crowdsourcing-Projekt ablaufen könnte, wird in den
Erläuterungen zur Entschließung präzisiert. Demnach soll, sobald ein
"crowdsourcentaugliches" Thema am Tisch liegt, die Öffentlichkeit
eingeladen werden, bestehende Probleme zu benennen. Danach werden
ExpertInnen gebeten, Lösungen zu präsentieren, die dann in einem
dritten Schritt evaluiert werden. Zum Abschluss soll das zuständige
Regierungsmitglied dem Nationalrat berichten, ob eine oder keine
Ausarbeitung eines konkreten Gesetzesvorhabens auf Basis der
Anregungen erfolgt bzw. welche anderen Maßnahmen als Ergebnis des
Prozesses geplant sind. Zur Durchführung eines Pilotprojekts wird das
Parlament eine Plattform für den Kommunikations- und
Informationsaustausch einrichten.
Was das erweiterte Begutachtungsverfahren betrifft, wollen die
Abgeordneten durch eine Änderung der legistischen Richtlinien
sicherstellen, dass auch Stellungnahmen von BürgerInnen und
Institutionen, die nicht direkte Adressaten eines
Begutachtungsverfahrens sind, bei der Auswertung der
Begutachtungsergebnisse berücksichtigt werden. Alle seriösen
Stellungnahmen sollen - wie grundsätzlich schon bisher - auf der
Website des Parlaments veröffentlicht werden. Neu ist, dass sie,
ähnlich wie Petitionen und Bürgerinitiativen, ab Herbst auch
elektronisch mit einer Art "Like-Button" unterstützt werden können.
Das zuständige Regierungsmitglied wird außerdem angehalten, das
jeweilige Gesetzesvorhaben in auch für Nicht-ExpertInnen
verständlicher Form darzustellen, und zwar im Umfang etwa einer A4-
Seite. Schickt ein Ausschuss eine Gesetzesinitiative von Abgeordneten
in Begutachtung, obliegt die Erstellung des entsprechenden
Informationsblatts den AntragstellerInnen. Durch eine kurz begründete
Darstellung soll schließlich in Hinkunft auch besser ersichtlich
sein, welche Anregungen aus dem Begutachtungsverfahren in eine
Regierungsvorlage aufgenommen wurden. Basis für die Entschließung
bildete ein Sechs-Parteien-Antrag (2042/A(E)), der im Zuge der
Ausschussberatungen noch präzisiert und ausgeweitet wurde.
Opposition urgiert weitere Schritte
Die Ausweitung des Begutachtungsverfahrens und das geplante
Crowdsourcing-Pilotprojekt wurden auch von der Opposition begrüßt.
Beide Punkte seien gut gelungen, sagte Dieter Brosz (G). Die Grünen
sind sich mit der FPÖ, den NEOS und dem Team Stronach aber einig,
dass es weitergehender Schritte bedarf. Das eigentliche Ziel der
Demokratie-Enquete sei schließlich die Weiterentwicklung der direkten
Demokratie gewesen, erinnerte Nikolaus Scherak (N). Schon das
Ergebnis der Enquete sei wenig zufriedenstellend gewesen, selbst aus
dem damals von den Koalitionsparteien beschlossenen Mehrheitsbericht
seien aber noch etliche Punkte offen. Brosz zufolge sind etwa
jährliche Vorhabensberichte der MinisterInnen in öffentlichen
Ausschusssitzungen bisher am Widerstand der Regierung gescheitert.
Mehr Transparenz in der Gesetzgebung und mehr Mitbestimmungsrechte
für BürgerInnen würden die Akzeptanz von Gesetzen erhöhen, ist
Scherak überzeugt. Auch Christoph Hagen (T) glaubt, dass die
Politikverdrossenheit sinkt, wenn das Volk stärker in die
Gesetzgebung eingebunden wird. Für Harald Stefan (F) ist die
Entschließung "das kleinste Gemeinsame, das übrig geblieben ist", er
hoffe, dass der kleine Schritt etwas bringt. Auf Kompromisse in
weiteren Bereichen hofft auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang
Gerstl.
Von Scherak auf den aktuellen Verhandlungsstand zum
Informationsfreiheitsgesetz angesprochen, sagte Minister Drozda, an
ihm scheitere das Vorhaben nicht. Er würde es gerne vor dem Sommer
abschließen. Es sei aber zur Kenntnis zu nehmen, wenn das nicht
möglich ist. Einer der offenen Punkte ist laut Drozda die
Einbeziehung von Unternehmen in das Gesetz.
Adelstitel-Verbot: Grüne fordern adäquate Strafen bei Übertretungen
Vom Verfassungsausschuss vertagt wurden die Beratungen über eine
Initiative der Grünen (1065/A(E)), die auf eine Novellierung des
Adelsaufhebungsgesetzes abzielt. Die Grünen wollen damit
sicherstellen, dass Übertretungen des Verbots, Adelstitel zu führen,
mit adäquaten Verwaltungsstrafen geahndet werden. Der Strafrahmen ist
im Gesetz nach wie vor mit 20.000 Kronen angegeben, was heute, wie
Sigrid Maurer im Ausschuss erläuterte, 0,14 Euro-Cent entspricht.
Die Grünen erhielten im Ausschuss allerdings wenig Unterstützung für
ihr Anliegen. Es gelte viel größere Herausforderungen zu lösen, er
sehe keine Gefahr, dass in Österreich eine Monarchie die Republik
abschaffen könnte, hielt Christoph Vavrik (V) fest. Wenn, dann sollte
man das Gesetz grundsätzlich überdenken, begründete er den
Vertagungsantrag.
Dezidiert für eine Aufhebung des Adelstitels-Verbots in Österreich
sprach sich Christoph Hagen (T) aus. Österreich werbe schließlich
auch mit dem monarchistischen Erbe im Ausland, machte er geltend.
Auch Harald Stefan (F) und Nikolaus Scherak (N) tendieren in diese
Richtung. Das Führen eines Adelstitels sei mit keinerlei Rechten
verbunden, im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung könnte das Gesetz
abgeschafft werden, hielt Stefan fest. Lange über die Höhe
angemessener Strafen nachzudenken, zahle sich jedenfalls nicht aus.
0,14 Cent Strafe seien lächerlich, betonte Scherak, man müsse die
Strafen entweder erhöhen oder das Gesetz zur Gänze aufheben.
Widerstand gegen eine Abschaffung kam hingegen von SPÖ-Abgeordnetem
Josef Cap. Er hält das Gesetz aus symbolischen Gründen für wichtig.
Auch nach Meinung von Albert Steinhauser (G) wäre die Abschaffung ein
falsches Signal, da man damit Adelstitel de facto wieder in
Österreich einführen würde.
NEOS beantragen Änderung des Parteiengesetzes
Ebenfalls in die Warteschleife geschickt wurde eine von den NEOS
beantragte Änderung des Parteiengesetzes (2065/A). Geht es nach
Nikolaus Scherak, soll künftig eine Geldbuße von bis zu 100.000 €
verhängt werden können, wenn eine politische Partei entgegen den
geltenden gesetzlichen Vorgaben dem Rechnungshof keinen
Rechenschaftsbericht übermittelt. Für ihn ist es nicht einsichtig,
dass einer Partei zwar im Falle falscher Angaben über ihre Finanzen
Sanktionen drohen, nicht aber, wenn sie gar keine Bilanz vorlegt.
Für eine Novellierung des Parteiengesetzes sprachen sich auch die
Koalitionsparteien aus. Allerdings halten Andreas Hanger (V) und
Josef Cap (S) den Antrag der NEOS für zu kurz gegriffen. Das Gesetz
habe erhebliche Schwächen, man müsse in Ruhe darüber nachdenken,
sagte Cap. Hanger wies vor allem auf den hohen bürokratischen Aufwand
für kleine Ortsorganisationen hin.
Ausdrücklich unterstützt wurde der Antrag hingegen von Dieter Brosz
(G). Er sprach von einer absurden Rechtslücke und erinnerte daran,
dass es die Intention des Gesetzes gewesen sei, mehr Transparenz in
die Parteienfinanzierung zu bringen. Es habe damals massive Probleme
mit illegalen Parteispenden gegeben, hob Scherak ergänzend hervor.
Den Einwand Hangers, wonach die Umsetzung des Parteiengesetzes
überbordende Bürokratie verursache, ließen die beiden Abgeordneten
nicht gelten, schließlich sei es notwendig gewesen,
Umgehungskonstruktionen für illegale Parteispenden zu vermeiden. Man
könne die Bürokratie sicher etwas reduzieren, meinte Brosz, die
Substanz des Gesetzes dürfe aber nicht leiden.
Gemeindeprüfung: FPÖ für Ausweitung der Kompetenzen des Rechnungshofs
Schließlich vertagte der Ausschuss auch einen Antrag der FPÖ
(2027/A), der eine Ausweitung der Prüfkompetenzen des Rechnungshofs
in Zusammenhang mit Gemeindeprüfungen zum Inhalt hat. Die PrüferInnen
sollen kleinere Gemeinden mit weniger als 10.000 EinwohnerInnen - auf
Ersuchen einer Landesregierung bzw. eines Landtags - nicht nur dann
genauer unter die Lupe nehmen können, wenn diese im Vergleich zu
anderen Gemeinden eine auffällige Schulden- oder Haftungsentwicklung
haben, sondern auch dann, wenn sie einen auffällig raschen Abbau von
Rücklagen aufweisen.
Hintergrund für den Antrag sind Finanzspekulationen der steirischen
Gemeinde Hartberg mit Erlösen aus dem Verkauf der gemeindeeigenen
Sparkasse, wie FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Zanger erläuterte. Nikolaus
Scherak (N) und Albert Steinhauser (G) erklärten, dass ihre
Fraktionen eine Prüfkompetenz des Rechnungshofs für Gemeinden unter
10.000 Einwohner grundsätzlich befürworten und sie daher auch diesem
Antrag zustimmen würden. Angela Lueger (S) plädierte für eine
Vertagung des Antrags, der eine wichtige Frage an einem lange
zurückliegenden Einzelfall festmache. Das Thema sollte in einem
größeren Kontext debattiert werden. Ihr Fraktionskollege Elmar Mayer
ergänzte den Vertagungsantrag mit dem Hinweis, dass die Forderung
nach einer Ausweitung der Prüfkompetenzen des Rechnungshofs Teil
einer umfassenden Debatte über Änderungen des
Bundesverfassungsgesetzes sei. Hier sei man bereits sehr weit, er
hoffe daher, dass sich in dieser Frage sehr bald eine
fraktionsübergreifende Einigung erzielen lässt. (Fortsetzung
Verfassungsausschuss) gs/sox
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