- 30.03.2017, 21:52:46
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- OTS0279
Teure Medikamente: Nationalrat zieht Kostenbremse
Opposition über späte Vorlage des Abänderungsantrags empört
Utl.: Opposition über späte Vorlage des Abänderungsantrags empört =
Wien (PK) - Künftig wird es in Österreich auch für Medikamente, die
nicht im Erstattungskodex der Krankenkassen gelistet sind, eine
Preisobergrenze geben. Das sieht eine Gesetzesnovelle vor, die heute
vom Nationalrat beschlossen wurde. SPÖ und ÖVP nutzten eine rein
technische Änderung im ASVG dazu, um das Vorhaben mittels
Abänderungsantrag im Schnellverfahren durch das Hohe Haus zu bringen.
Demnach dürfen neue teure Medikamente künftig in Österreich
grundsätzlich nicht mehr als im EU-Schnitt kosten. Zudem werden die
Preisregelungen für Generika adaptiert und ähnliche Regelungen für so
genannte Biosimilars in das Gesetz aufgenommen. Empört über die
kurzfristige Vorlage des Abänderungsantrags zeigte sich die
Opposition, die Grünen stimmten dem Entwurf letztendlich aber dennoch
zu.
Für den roten und gelben Bereich des Erstattungskodex sieht das ASVG
künftig eine zeitlich gestaffelte Preisfestsetzung vor. Demnach ist
18 Monate nach der erstmaligen Festsetzung der EU-Durchschnittspreis
erneut zu ermitteln, eine weitere Prüfung ist 24 Monate später
vorgesehen. Nach weiteren 18 Monaten kann allenfalls eine vierte
Preisfestsetzung erfolgen. Jeweils zu berücksichtigen sind in den
Mitgliedstaaten gewährte gesetzliche Rabatte.
Durch die neue Generika-Regelung ergibt sich für das erste Generikum
in Hinkunft ein Preisunterschied von 50% zum ursprünglichen Preis des
Originalmedikaments (bisher 48%). Für das dritte Generikum sind es
bereits 65%. Ähnliche Regelungen werden für Biosimilars,
Nachfolgeprodukte von Biopharmazeutika, in das Gesetz aufgenommen,
wobei hier der regulatorische Preisunterschied zum Originalprodukt
insgesamt 52,5% beträgt. Bestehende Preisunterschiede für
wirkstoffgleiche Medikamente sollen durch ein Preisband verringert
werden.
Dass der Abänderungsantrag erst unmittelbar vor Beginn der Debatte
vorgelegt wurde, begründete Erwin Spindelberger (S) damit, dass gut
Ding eben Weile brauche. Man habe bis zuletzt um einen vertretbaren
Kompromiss gerungen. Zuvor hätte der Hauptverband der
Sozialversicherungsträger 14 Monate mit der Pharmaindustrie
verhandelt, ohne eine Einigung erzielen zu können. Österreich habe
bei innovativen Medikamenten sehr hohe Kosten, gab Spindelberger zu
bedenken, durch die nunmehrige Regelung stelle man sicher, dass
PatientInnen in Österreich weiter mit hochwertigen Medikamenten
versorgt würden, ohne dass die finanzielle Situation der
Krankenkassen aus dem Ruder laufe. Die Regelung ist fair, meinte er
mit Hinweis auf die jährlichen Milliardengewinne der Pharmaindustrie,
zudem gewährleiste sie auch für die Pharmafirmen Rechtssicherheit.
Für Gabriele Heinisch-Hosek (S) ist die harsche Kritik der Opposition
unverständlich. Wie könne man "jammern", wenn etwas besser werde,
fragte sie. Schließlich sei die Preisregelung im Sinne der
PatientInnen.
Zerknirscht in Bezug auf die späte Vorlage des Abänderungsantrags gab
sich hingegen ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger. Man habe die
Verhandlungen nach 14 Monaten jedoch nicht scheitern lassen wollen,
hielt er fest. Ziel des Gesetzes ist es ihm zufolge unter anderem,
Ausgabenobergrenzen bei den Medikamenten einzuhalten und gleichzeitig
den Standort zu sichern. Angriffe auf die Pharmawirtschaft hält
Rasinger nicht für angebracht, grosso modo sei diese ein sehr guter
Partner. Österreich sei gut mit Medikamenten versorgt.
NEOS sehen PatientInnen als großen Verlierer der Preisregelung
Empört über die Koalitionsparteien zeigte sich die Opposition. Sie
habe schon viel im Parlament erlebt, die jetzige Vorgangsweise sei
aber ein absoluter Tiefpunkt, klagte Dagmar Belakowitsch-
Jenewein (F). Möglicherweise sei die Regelung gut, hielt Andreas
Karlsböck fest, angesichts der späten Vorlage könne er den Inhalt
aber nicht beurteilen. Er hält den Trend zu immer mehr Planwirtschaft
im Medikamentenbereich allerdings insgesamt für fragwürdig. Auch die
Pharmaindustrie habe sich eine gewisse Rechtssicherheit verdient,
betonte Belakowitsch-Jenewein. Massive Kritik übte die
Gesundheitssprecherin der FPÖ am Hauptverband der
Sozialversicherungsträger.
NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker hält nicht nur die Vorgangsweise der
Regierungsparteien für inakzeptabel, er kann dem Antrag auch
inhaltlich nichts abgewinnen. Der große Verlierer der Preisregelung
sei der Patient, ist er überzeugt. Loacker fürchtet, dass die
Preisregelung dazu führen wird, dass innovative Medikamente später
auf den österreichischen Markt kommen werden. Wenn man nur den
Durchschnitt zahle, werde man nur durchschnittliche Medikamente
bekommen. Letztendlich werde am Patienten gespart, während
Einsparungspotentiale in der Sozialversicherung selbst nicht genutzt
würden. Dabei seien die Verwaltungskosten zuletzt stärker gestiegen
als die Medikamentenkosten, machte Loacker geltend.
Die Grünen werden zustimmen, aber nicht mit leichtem Herzen, zeigte
auch Karl Öllinger kein Verständnis für die späte Vorlage des
Abänderungsantrags. Er hätte Gesundheitsministerin Rendi-Wagner einen
besseren Einstand gewünscht, meinte er. Generell wünscht sich
Öllinger eine tiefergehende öffentliche Diskussion über das Thema
Gesundheitskosten, die ÄrztInnen müssten oft schwierige
Entscheidungen bei der Verschreibung von Medikamenten treffen.
Aktionen wie die heutige trügen aber nicht zu Transparenz bei.
Erfreut über den Beschluss äußerte sich Gesundheitsministerin Pamela
Rendi-Wagner. Die PatientInnen müssten sich auch bei steigenden
Medikamentenpreisen auf das österreichische Gesundheitssystem
verlassen können, betonte sie. Es müssten auch in Zukunft moderne
innovative Arzneimittel ohne ausufernde Kosten zur Verfügung stehen.
Rendi-Wagner betonte zudem, dass die neue Regelung auch Planbarkeit
für die Pharmafirmen bringe.
FPÖ kritisiert lange Wartezeiten auf CT- und MRT-Untersuchungen
Die FPÖ nahm die Debatte auch zum Anlass, um Maßnahmen gegen die
langen Wartezeiten auf bildgebende Untersuchungen wie
Computertomografien (CT) und Magnetresonanztomografien (MRT) zu
fordern. Geht es nach den Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein
und Andreas Karlsböck sollen PatientInnen ab Juli maximal 10
Arbeitstage auf einen CT-Termin und 20 Arbeitstage auf eine MR-
Untersuchung warten müssen, Akutfälle sollen vorgereiht werden. Seit
Jahren würden die Probleme in diesem Bereich zunehmen, heißt es in
einem von Karlsböck eingebrachten Entschließungsantrag, der bei der
Abstimmung jedoch keine Mehrheit fand. Das Argument, dass bereits
eine Lösung zur Beseitigung der Missstände vorliege, ließ Karlsböck
nicht gelten, diese würde frühestens 2018 greifen.
Einhellige Zustimmung zur Novellierung des Apothekerkammergesetzes
Einstimmig verabschiedete der Nationalrat eine Novelle zum
Apothekerkammergesetz, mit der die Apothekerkammer in Anlehnung an
eine Empfehlung des Rechnungshofs unter anderem dazu angehalten wird,
sich eine Haushaltsordnung zu geben. Zudem wird der Disziplinaranwalt
künftig auf fünf Jahre befristet bestellt. Die Novelle wurde von Ruth
Becher (S) ausdrücklich begrüßt, sie wies auch auf die hohe
Verantwortung von ApothekerInnen bei der Abgabe von Medikamenten hin.
Opposition fordert weitere Strukturreformen im Gesundheitsbereich
Drei zur Diskussion stehende Anträge der Opposition fanden keine
Mehrheit. So konnten sich die Grünen mit der Forderung nach einer
Finanzierung des Gesundheitswesens aus einem Topf nicht durchsetzen
(2008/A(E)). Gesundheitssprecherin Eva Mückstein hätte sich davon
eine bessere Abstimmung der Patientenversorgung zwischen
Krankenhäusern und niedergelassenen ÄrztInnen erwartet. Auch die von
den NEOS geforderte Übertragung der Kompetenz für die Spitalsplanung
von den Ländern an den Bund (1981/A) sehen die Regierungsparteien als
nicht zielführend.
Unterstützt wurde der Antrag der Grünen von den fraktionslosen
Abgeordneten Marcus Franz und Rupert Doppler. Es brauche eine
Finanzierung des Gesundheitswesens aus einer Hand, betonten beide.
Nichts sei in Österreich so intransparent wie die Finanzierungströme
im Gesundheitssystem, so Franz. Generell wandte sich Franz dagegen,
dass im Gesundheitssystem ständig gespart werde.
Einen Mangel an Hausärzten in Wien ortet David Lasar (F). Seiner
Meinung nach könnte man dem Problem damit begegnen, dass man die
Hausärzte aufwertet und Ärzten die Möglichkeit gibt, Ärzte
anzustellen. Primärversorgungszentren sind für ihn keine Lösung,
sollten sie kommen, würden die Hausärzte sukzessive aussterben.
Schließlich lehnte der Nationalrat einen Antrag der FPÖ ab, der
darauf abzielte, Häftlinge in die gesetzliche Krankenversicherung
einzubeziehen. Nach Meinung von Dagmar Belakowitsch-Jenewein würde
sich der Bund dadurch Kosten ersparen, derzeit wird dem
Justizministerium für die ärztliche Versorgung der Häftlinge der
Tarif für PrivatpatientInnen verrechnet. Der fraktionslose
Abgeordnete Gerhard Schmid wies in diesem Zusammenhang auch auf
Kritik des Rechnungshofs hin. (Fortsetzung Nationalrat) gs
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