• 14.03.2017, 19:57:57
  • /
  • OTS0213

Justizausschuss verabschiedet Reform der Sachwalterschaft

2. Erwachsenenschutz-Gesetz will Selbstbestimmung vertretungsbedürftiger Personen fördern

Utl.: 2. Erwachsenenschutz-Gesetz will Selbstbestimmung
vertretungsbedürftiger Personen fördern =

Wien (PK) - Die gerichtliche Fürsorge für Menschen, die aufgrund
einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren
Beeinträchtigung nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten
selbst wahrzunehmen, soll neu geregelt werden. Leitgedanke eines
heute vom Justizausschuss verabschiedeten 2. Erwachsenenschutz-
Gesetzes ist dabei die Förderung der Autonomie von
vertretungsbedürftigen Personen. Zu diesem Zweck werden die
Vertretungsmodelle ausgebaut und Alternativen zur bisherigen
Sachwalterschaft angeboten, wobei die betroffenen Menschen, soweit
dies möglich ist, selbst über ihre rechtlichen Beziehungen bestimmen
sollen.

Während über die Kernpunkte der Vorlage weitgehend Konsens bestand,
sorgte die vorgesehene Finanzierung für heftige Kritik seitens der
Grünen, die die budgetäre Bedeckung für unzureichend hielten und als
einzige Fraktion gegen die Reform stimmten. Justizminister Wolfgang
Brandstetter kündigte hingegen an, zur Finanzierung auf Rücklagen
seines Ressorts zurückzugreifen. Darüber hinaus würden die
finanziellen Auswirkungen nach drei Jahren einer Evaluierung
unterzogen, auch gebe es laufend Gespräche mit dem Finanzminister.

Reform bietet vier Modelle der Vertretung

Begrifflich wird aus der Sachwalterschaft nun die
Erwachsenenvertretung, die konkret auf die Bedürfnisse der
betroffenen Person zugeschnitten ist. Das Gesetz (1461 d.B.) bietet
dabei vier mögliche Arten der Vertretung einer vertretungsbedürftigen
volljährigen Person. Vorgesehen ist zunächst der gerichtliche
Erwachsenenvertreter, der den Sachwalter ersetzt. Seine Befugnisse
sollen aber auf bestimmte Vertretungshandlungen beschränkt werden und
nicht pauschal für "alle Angelegenheiten" gelten. Die gerichtliche
Bestellung des Erwachsenenvertreters ist nach den Intentionen des
Entwurfs nur die ultima ratio, geht es doch darum, die Alternativen
auszubauen.

Mit der gesetzlichen Erwachsenenvertretung übernimmt das Gesetz die
schon bisher mögliche Vertretung durch nächste Angehörige. Diese soll
aber nicht unmittelbar kraft Gesetzes eintreten, sondern nur dann
bestehen, wenn sie im Österreichischen Zentralen
Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen wird. Da die gesetzliche
Erwachsenenvertretung weitergehende Befugnisse als nach bisherigem
Recht schafft, unterliegt sie nun einer gerichtlichen Kontrolle und
muss spätestens nach drei Jahren erneuert werden. Neu ist hingegen
die gewählte Erwachsenenvertretung, die einer volljährigen Person die
Möglichkeit gibt, im Bedarfsfall selbst einen Vertreter zu bestimmen,
der sofort für sie tätig werden soll. Auch diese Vertretungsbefugnis
setzt eine Eintragung ins ÖZVV voraus und unterliegt der
gerichtlichen Kontrolle. Da sie aber auf der Willensbildung des
Vertretenen beruht, ist sie auf unbestimmte Zeit eingerichtet.

Bei der Vorsorgevollmacht mit uneingeschränktem Wirkungsbereich
schließlich knüpft das Gesetz an das geltende Recht an. Voraussetzung
ist hier der Eintritt des "Vorsorgefalls" - des Verlusts der
Entscheidungsfähigkeit - sowie die Eintragung im ÖZVV. Die
gerichtliche Kontrolle beschränkt sich dabei im Wesentlichen auf die
Genehmigung von Entscheidungen bei medizinischen Behandlungen, soweit
zwischen Vertreter und vertretener Person ein Dissens erkennbar wird,
sowie auf den Fall einer dauerhaften Wohnortverlegung ins Ausland.
Eingerichtet wird die Vorsorgevollmacht auf unbestimmte Zeit.

Abgeordnete sehen Paradigmenwechsel

Die Reform sei ein Paradigmenwechsel weg von der Bevormundung und hin
zur Unterstützung, stellten Ulrike Königsberger-Ludwig (S) und Franz-
Joseph Huainigg (V) übereinstimmend fest, denen die Abgeordneten
Gisela Wurm (S) und Gertrude Aubauer (V) beipflichteten. Michaela
Steinacker (V) sprach von einem Meilenstein in der Rechtsgeschichte
Österreichs und zeigte sich zuversichtlich, dass der Justizminister
nun auch für die entsprechende Finanzierung sorgen werde. SPÖ-
Justizsprecher Johannes Jarolim wiederum begrüßte ebenso wie Helene
Jarmer (G) die in einem einstimmig angenommenen Abänderungsantrag
vorgesehene Ausdehnung der Grundsätze der Reform auf das
Heimaufenthaltsgesetz, wodurch nun auch eine Kontrolle von
freiheitsbeschränkenden Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen
möglich werde. Auf ausdrücklich positives Echo stieß die Vorlage
zudem bei den Abgeordneten Nikolaus Scherak (N), Christoph Hagen (T)
und Harald Stefan (F).

Grüne zweifeln an finanzieller Absicherung der Reform

In der Sache sei das Gesetz gut, bestätigte Grünen-Justizsprecher
Albert Steinhauser, der allerdings schwere Bedenken hinsichtlich der
Finanzierung vorbrachte und aus diesem Grund aus dem Konsens
ausscherte. Man habe die Kostenschätzungen offensichtlich an das
angepasst, was mit dem Finanzminister verhandelt werden konnte,
vermutete er und äußerte die Befürchtung, dass die nunmehr
vorgesehenen 25 Mio. € nicht ausreichen werden. Skeptisch zeigte er
sich auch über den Plan des Ressorts, mit den Rücklagen das Auslangen
zu finden. Steinhauser forderte vielmehr die Regierung auf,
ausreichende finanzielle Mittel zur Bedeckung des nach seinen
Einschätzungen zu erwartenden Mehrbedarfs in der Höhe von rund 84
Mio.€ für die nächsten fünf Jahre zur Verfügung zu stellen, konnte
sich aber mit einem entsprechenden Antrag nicht durchsetzen. Kein
Gehör fand auch sein Vorschlag eines jährlichen Monitorings der
Kostenentwicklung

Brandstetter will auf Rücklagen zurückgreifen

Justizminister Wolfgang Brandstetter nannte die Reform ein
"Herzensanligen" und betonte, man habe eine Lösung im Sinne der
Menschlichkeit und der Betroffenen gefunden. Die Schätzung der Kosten
sei schwierig, man könne aber von kostendämpfenden Effekten ausgehen,
die allein schon dadurch entstehen, dass es in Zukunft weniger
Vertretungen durch einen Sachwalter des bisherigen Typs und dafür
mehr gewählte Erwachsenenvertretungen durch Angehörige geben werde.
Die Finanzierung des Mehraufwandes sei jedenfalls gesichert, zumal
das Ressort auf seine Rücklagen zurückgreifen könne. Eine
entsprechende Zusage des Finanzministers gebe es bereits, versicherte
Brandstetter. (Fortsetzung Justizausschuss) hof

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NPA

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel