- 19.01.2017, 15:17:24
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Leitl: Migration, Digitalisierung und Internationalisierung als größte Herausforderungen
WKÖ-Präsident in Gastvorlesung an der Wirtschaftsuniversität Wien: Mehr Investitionen und Flexibilität und weniger Bürokratie nötig
Utl.: WKÖ-Präsident in Gastvorlesung an der Wirtschaftsuniversität
Wien: Mehr Investitionen und Flexibilität und weniger
Bürokratie nötig =
Wien (OTS) - Migration, Digitalisierung und Internationalisierung –
das sind die größten Herausforderungen, die laut
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl 2017 auf die
österreichische Wirtschaft zukommen.
Dabei sind die Grundvoraussetzungen gar nicht so schlecht: So liegt
Österreich im Globalisierungindex der ETH Zürich auf Platz vier,
ebenso im Hidden Champions Ranking von „Simon, Kucher & Partners“.
Beim Wirtschaftswachstum erwarte er sich „eine stabile Entwicklung“
von 1,5 Prozent, erklärte Leitl am Donnerstag anlässlich seiner
jährlichen Gastvorlesung an der Wirtschaftsuniversität Wien. Damit
liege Österreich im europäischen Schnitt, aber deutlich unter den USA
(2,2 Prozent) und dem weltweiten Schnitt von 3,3 Prozent.
Im Bereich Beschäftigung hält Leitl das Ziel der Bundesregierung, bis
2020 200.000 neue Jobs zu schaffen, für machbar, schließlich würden
aufgrund des Wirtschaftswachstums heuer 42.000 und 2018 36.000 neue
Arbeitsplätze von den heimischen Betrieben geschaffen. Gleichzeitig
werde in diesem Jahr die Zahl der Arbeitslosen um 20.000 Personen
steigen, so Leitl, „auch weil aufgrund der Migration die Nachfrage
höher ist als das Jobangebot“.
Den Menschen Chancen ermöglichen, hier und in ihrer Heimat
Beim Thema Migration dürfe man jedoch keine Ängste schüren. „Wir
müssen Mut machen mit klaren Strategien und Zielen“, so Leitl. So
müsse Migration immer auch Integration bedeuten: „Wenn Migration mit
dem Asylverfahren beginnt und damit endet, dass die Leute arbeitslos
herumsitzen, entsteht keine positive Zukunftshoffnung“, sagte der
WKÖ-Präsident vor 100 Studierenden. Dabei falle den Betrieben die
besondere Aufgabe zu, die Menschen aufzunehmen und ihnen
Qualifikation zu geben. „Und wer aufgrund des Asylverfahrens noch
nicht arbeiten darf, soll gemeinnützig beschäftigt werden“, so Leitl.
„Die Menschen über Arbeit zu integrieren – das ist eine klare
Strategie, dafür müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen.“
Letztlich müsse das Migrationsproblem aber auch an der Wurzel
angegangen werden, so Leitl: „Die Menschen verlassen ihre Heimat nur,
wenn sie dort keine Chancen für sich und ihre Familien sehen. Es ist
unsere Pflicht, ihnen diese Chancen zu ermöglichen.“ Es brauche daher
einen Marshall-Plan für Afrika mit fairen wirtschaftlichen
Kooperationen und zusätzlichen Ausbildungsmöglichkeiten. Letztlich
habe Europa auch „eine historische Mitverantwortung für die
Entwicklung dieses Kontinents“, so Leitl.
Auch der Herausforderung Digitalisierung dürfe man nicht mit Angst
begegnen, sagte Leitl: „Hier wird nur diskutiert, wie viele Millionen
Arbeitsplätze verloren gehen. Dabei zeigt die Geschichte: Jeder
technische Fortschritt hat damit geendet, dass danach mehr
Arbeitsplätze da waren, als vorher – allerdings in anderen
Bereichen.“ Im Bereich der Ausbildung müsse daher verstärkt darauf
geachtet werden, berufliche Mobilität zu ermöglichen.
Ängste gebe es auch bei der dritten großen Herausforderung: Der
Internationalisierung. „Eines ist klar: In einem Kostenwettbewerb
werden wir nie und nimmer gewinnen“, so Leitl, „daher müssen wir auf
Begabungen und Talente setzen und mit der Außenwirtschaft noch besser
in die wachsenden Märkte hineingehen.“ Großes Potenzial sieht Leitl
vor allem in Asien und Amerika und für Unternehmen aus der
Kreativwirtschaft.
Gerade ein kleines Land wie Österreich sei auf freien Handel
angewiesen: So stiegen die Exporte im Vorjahr um 1,5 Prozent auf 133
Milliarden Euro, die Dienstleistungsexporte sogar um 4 Prozent (55
Mrd.). Die Zahl der exportierenden österreichischen Unternehmen stieg
seit dem Jahr 2000 von 12.500 auf 55.000 (2016), ein Drittel davon
sind Kleinstunternehmen mit weniger als fünf Mitarbeitern. Die große
Ablehnung von TTIP und CETA in Österreich ist für den WKÖ-Präsidenten
daher unverständlich. „Aber letztlich ist jeder Schmied seines
eigenen Glücks.“
Drei Bedingungen: Mehr Investitionen, weniger Bürokratie, mehr
Flexibilität
Was den Standort Österreich betrifft, so wünscht sich Leitl, „dass
wir in Sachen Innovation der Schweiz – die da seit Jahren Weltmeister
ist - Konkurrenz machen. Die Begabungen dafür haben wir“.
Es brauche dazu aber drei wirtschaftliche Rahmenbedingungen: „Es
braucht Anreize für Investitionen, zum Beispiel vorzeitige
Abschreibungen.“ Vor allem für Start-ups müsse mehr Geld zur
Verfügung gestellt werden.
Als zweites müsse die Bürokratie eingedämmt werden, so Leitl: „Die
Bürokratie hat eine Eigendynamik entwickelt, die alles überwuchert.“
In der Wirtschaft, aber auch im Gesundheitswesen und den Schulen
müsse zu viel Zeit für administrative aufgewendet werden. „Wir lähmen
uns“, so Leitl. Daher brauche es im Bereich Bürokratie drei
Maßnahmen: Beraten statt bestrafen („Wir sind zu einem Straf- und
Inkassostaat geworden“), Toleranzschwellen einführen und keine
Mehrfachbestrafung aus gleichem Anlass im Verwaltungsrecht
(Stichwort: Abschaffung des Kumulationsprinzips).
Als dritten Bereich nannte Leitl die Flexibilität: „Ich rede von
einer praxisorientierten Neuorganisation der Arbeitszeit.“ Die
Arbeitsbedingungen hätten sich geändert, die Auftragseingänge seien
variabel, Kunden würden Wartezeiten nicht mehr akzeptieren. Auch sei
in vielen Bereichen – Leitl nannte die Consulting- und die
Kreativbranche als Beispiel – der Achtstundentag mittlerweile
überholt und entspreche weder den Wünschen der Betriebe noch der
Mitarbeiter. Das müssten auch die Sozialpartner zur Kenntnis nehmen
und „hineinblicken ins 21. Jahrhundert“. (PWK047/WZ)
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