- 18.01.2017, 09:09:20
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Forschungsteam der MedUni Wien erstellt Behandlungsalgorithmus für die bionische Handrekonstruktion
Ersatz einer funktionsunfähigen Hand durch eine bionische Prothese hilfreich
Utl.: Ersatz einer funktionsunfähigen Hand durch eine bionische
Prothese hilfreich =
Wien (OTS) - Eine Forschungsgruppe rund um Oskar Aszmann von der
Universitätsklinik für Chirurgie der MedUni Wien und des AKH Wien hat
einen Behandlungsalgorithmus bzw. ein Protokoll entwickelt, mit
dessen Hilfe man feststellen kann, welche PatientInnen mit globalen
Verletzungen des Plexus brachialis (Flügelarmsyndrom) mit hoher
Wahrscheinlichkeit davon profitieren würden, wenn ihre gefühllose und
nicht-funktionale Hand durch eine myoelektrische (bionische) Prothese
ersetzt wird.
Der Plexus brachialis ist ein Netz aus sensorischen und motorischen
Nervenfasern, die von den Spinalnerven in der unteren Halswirbelsäule
und der oberen Brustwirbelsäule ausgehen und zu Nerven der Schulter,
des Arms und der Hand zusammenlaufen. Bei Verletzungen des Plexus
brachialis in Verbindung mit einem Nervenwurzelausriss kann eine
ganze Reihe chirurgischer Verfahren zum Einsatz kommen, um die
Nerven- und Muskelfunktion wiederherzustellen. Dabei gewinnen
Schulter und Oberarm oft ihre Stabilität und Beweglichkeit zurück,
und in einigen Fällen kann sogar die Beweglichkeit von Hand und
Fingern wiederhergestellt werden. Manchmal bleibt die Hand aber ein
nutzloses Anhängsel.
Die AutorInnen haben ihre Erfahrungen mit PatientInnen aufgerufen,
die von 2011 bis 2015 wegen globaler Verletzungen des Plexus
brachialis in der Klinischen Abteilung für Plastische und
Rekonstruktive Chirurgie der MedUni Wien/AKH Wien vorstellig geworden
sind. Bei 16 Betroffenen war die Nervenverletzung so schwer, dass
keine chirurgische Intervention eine angemessene Funktionalität der
Hand wiederherstellen konnte. Ihnen wurde eine bionische Alternative
angeboten: Ersatz ihrer nutzlosen biologischen Hand durch eine
myoelektrische Prothese – eine bionische Hand.
Durch das Bekanntwerden dieser neuartigen Behandlungsmöglichkeit bei
den weltweit ersten Patienten, die einer solchen Bionischen
Rekonstruktion zugeführt wurden, kam es zu internationalen
Medienberichten im Wall Street Journal, The Guardian, NY Daily News,
BBC und vielen weiteren Print, Online sowie TV-Medien.
Die AutorInnen (Erst-Autorin Laura Hruby) haben damit einen
Behandlungsalgorithmus für die bionische Handrekonstruktion
entwickelt, der aus mehreren Schritten besteht:
1. Körperliche und psychische Beurteilung des/r PatientIn. Der/die
PatientIn muss die Schulter und den Ellenbogen noch verwenden können,
darf aber keine motorischen Fähigkeiten oder Empfindungen in der Hand
mehr haben. Außerdem muss er/sie mental in der Lage sein, die
anstehenden Herausforderungen mental zu bewältigen.
2. Erfassung der elektromyografischen Signale der Muskeln des
Unterarms. Um eine bionische Hand zu steuern, sind zwei getrennte
Signale notwendig. Wenn weniger als zwei Signale vorliegen, können
chirurgische Verfahren zum Einsatz kommen.
3. Optional: Operation zur Vornahme eines selektiven Nerventransfers
und/oder Transplantation des gesunden Muskels zur Verbesserung der
Nervenleitung und Muskelaktivierung im Unterarm, wenn mindestens zwei
elektromyografische Signale nicht vorliegen.
4. Gehirntraining: Dieses Biofeedback-Training erlaubt es,
re-innervierte Muskeln anzusprechen, um die Bewegung der Hand und des
Unterarms zu steuern.
5. „Anprobe“ einer hybriden Hand: Der/die PatientIn lernt, die
Prothese mit eigenen elektrischen Signalen zu steuern, bevor die Hand
amputiert wird.
6. Amputation der nutzlosen biologischen Hand
7. Ersetzung der biologischen Hand durch eine myoelektrische
Prothese, gefolgt von einem zusätzlichen Training und Überprüfungen
der bionischen Handfunktion
Nun liegen die Ergebnisse vor, die bei fünf PatientInnen erzielt
wurden, deren Operation bereits ausreichend lange zurückliegt
(mindestens drei Monate nach der letzten prothetischen Anpassung).
Diese funktionalen Ergebnisse wurden mit Hilfe des „Action Research
Arm Test“ (ARAT), der „Southampton Hand Assessment Procedure“ (SHAP)
und des Fragebogens „Disabilities of the Arm, Shoulder, and Hand“
(DASH) erhoben. Bei allen fünf PatientInnen wurde eine signifikante
Verbesserung der Handfunktion festgestellt, die über den ganzen
Zeitraum der Nachkontrolle hinweg fortbestand.
Studienleiter Aszmann: „Nachdem sich die PatientInnen daran gewöhnt
hatten, mit der bionischen Hand zu arbeiten, nahm der
Deafferenzierungsschmerz (Anm.: ein chronischer Schmerz, den Menschen
mit durchtrennten Nerven spüren), der bei drei der fünf Betroffenen
schwerwiegend war, ab.“ Nach Angabe der AutorInnen „gaben die
PatientInnen eine subjektiv erfahrene Korrelation zwischen der
täglichen Tragezeit der Prothese und der Verringerung der Schmerzen
an. Wenn die Prothese aufgrund von regelmäßigen ‚Wartungsarbeiten’
nicht getragen werden konnte, erhöhten sich die Schmerzen wieder
innerhalb weniger Tage.“
Zum Zeitpunkt der Verfassung des Studienpapiers befanden sich die
anderen elf PatientInnen noch in früheren Phasen des Algorithmus.
Aszmann zu den Ergebnissen der Studie: „Mehr als 25 Jahre lang habe
ich PatientInnen behandelt, die schlimme periphere Nervenläsionen
erlitten haben. Eine bionische Rekonstruktion wie die, die in diesem
Studiendokument beschrieben wurde, ist ein echter Wendepunkt, da sie
PatientInnen, die keine andere Alternative haben, wirklich hilft und
wieder Hoffnung gibt.“
Service: Journal of Neurosurgery
Algorithm for bionic hand reconstruction in patients with global
brachial plexopathies – Hruby LA, Sturma A, Mayer JA, Pittermann A,
Salminger S, Aszmann OC, Journal of Neurosurgery, online publiziert,
vor dem Druck, 17. Januar 2017; DOI: 10.3171/2016.6.JNS16154.
http://www.thejns.org/doi/full/10.3171/2016.6.JNS16154.
Die Studie wurde von der Christian Doppler Forschungsgesellschaft,
dem Rat für Forschung und Technologieentwicklung und dem
Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft
finanziert.
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