- 03.01.2017, 16:30:01
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„Die drei Jahre waren schmerzlich“
Die Bundestheater kamen mit dem Burgtheater-Fiasko in einen Finanzstrudel. Wie geht es drei Jahre danach?
Utl.: Die Bundestheater kamen mit dem Burgtheater-Fiasko in einen
Finanzstrudel. Wie geht es drei Jahre danach? =
Wien (OTS/SN) - Hedwig Kainberger
Österreichs größter Bühnenkonzern steht vor und nach wichtigen
Entscheidungen. Vor Weihnachten wurde mit der Designierung Bogdan
Roščićs die Weiche für die Wiener Staatsoper ab 2020 neu gestellt. Im
Jänner wird eine im Finanzskandal im Burgtheater erlassene
Notmaßnahme aufgehoben. Und nun nimmt sich Christian Kircher, der
seit April 2016 die Bundestheater-Holding leitet, zwei Projekte vor.
SN: Sie waren in der Findungskommission für die Direktion der Wiener
Staatsoper. Wie fanden Sie Bogdan Roščić?
Christian Kircher: Schon im Spätsommer – lange vor der Ausschreibung
– haben wir uns mit dem Minister über eine mögliche
Findungskommission für die Wiener Staatsoper unterhalten. Da wurde
der Name Bogdan Roščić erstmals genannt. Als ich Roščić dann wenig
später in Berlin traf, war das ein nettes Gespräch von ungeheurer
Intensität. Als ich ihn nach seinen Interessen an der Staatsoper
fragte, antwortete Roščić, dass die Leitung der Oper ein Traumjob für
ihn wäre. Mich hat das sehr überrascht.
Nach der Ausschreibung der Position im November wurde auch Bogdan
Roščić zu einem Gespräch eingeladen. Er ist gekommen, dann hat das
seinen Weg genommen.
Drei, vier lange Gespräche mit ihm haben mir gezeigt, dass er ein
tiefes Wissen und ein großes Interesse an der Wiener Staatsoper hat.
SN: Wie war die Entscheidung über die Findungskommission?
Christian Kircher: Mit dem Minister haben wir uns geeinigt, keine
klassische Findungskommission einzurichten. Die Bewerberlage bei so
einer Position ist überschaubar. Wir haben uns darauf verständigt,
dass Sektionschefin Andrea Ecker und ich als Eigentümervertreter,
unterstützt von Deloitte, die Gespräche führen. Wir haben neun
Personen dazu eingeladen. Der Prozess war transparent und
ergebnisoffen. Über Stärken, Möglichkeiten und Risiken der
Kandidatinnen und Kandidaten haben wir dem Minister Bericht
erstattet, ohne eine Reihung vorzunehmen.
SN: Dann hat Thomas Drozda entschieden?
Christian Kircher: Ja, es ist gesetzlich vorgesehen, dass der
Minister den Direktor bestellt.
SN: Es wird gemunkelt, Bogdan Roščić komme über eine rote Seilschaft
in die Staatsoper: über Gerhard Zeiler, unter dessen ORF-Intendanz
er Ö3-Chef wurde, Kanzler Christian Kern und Minister Thomas Drozda.
Ist da etwas dran?
Christian Kircher: Das ist vollkommen absurd. Das war zu keinem
Zeitpunkt auch nur ein Randthema. Niemand hat ihn nach seiner
politischen Einstellung gefragt, wir haben ausschließlich über
Inhalte und Oper gesprochen.
SN: Was gibt Ihnen die Zuversicht, dass Bogdan Roščić einen Betrieb
mit fast 1000 Mitarbeitern und so ein komplexes Gebilde wie ein
Repertoiretheater leiten kann?
Christian Kircher: Quereinsteiger hat es immer gegeben, viele
erfolgreiche Musikmanager sind von außen gekommen: Alexander Pereira
(vorher bei Olivetti), Ioan Holender (Sänger und Konzertagent) oder
Eberhard Waechter (Sänger). Sie alle hatten zuvor kein Opernhaus
geführt.
Bogdan Roščić hat sich in großen Organisationen bewegt. Als
Geschäftsführer einer wichtigen Sparte bei Sony hat man mit großen
Strukturen zu tun. Andrerseits gibt es in der Wiener Staatsoper ein
Team mit unglaublicher Erfahrung in Programmgestaltung, Disposition
und Tagesplanung eines Repertoirebetriebs. Er hat glaubhaft
vermittelt, dass er diese Leute einsetzen wird.
SN: Im Dezember 2013 ist der Burgtheater-Skandal geplatzt, der auch
die Holding in einen Strudel gezogen hat. Wie geht es den
Bundestheatern drei Jahre später?
Christian Kircher: Die Bundestheater sind auf gutem Weg. Die letzten
drei Jahre waren schmerzlich. Es gab Einschnitte im gesamten
Konzern. Wir mussten Immobilien verkaufen. Im September haben wir mit
dem Verkauf des Stöcklgebäudes im Hanuschhof an den Meistbieter die
letzte Transaktion abgeschlossen.
SN: Haben die Immobilienverkäufe die erhofften 40 Millionen Euro
eingebracht?
Christian Kircher: Ja. Der Zielwert war mit 43,5 Millionen Euro
vorgegeben. Tatsächlich haben wir mit neun Liegenschaften fast 47
Millionen Euro erlöst, abzüglich einer abgezinsten
Rückmietverpflichtung für das Stöcklgebäude ergibt das einen Barwert
von 45,8 Millionen Euro. Wir haben also unseren Planwert übertroffen.
SN: Wo sonst gab es Einschnitte?
Christian Kircher: Vor allem beim Burgtheater wurde das Programm
zurückgefahren, die Ausgabenbremse wurde bedient, die Eintrittspreise
sind erhöht. Karin Bergmann und Thomas Königstorfer haben viel
getan, um das Burgtheater in ruhige Gewässer zu führen. Das Aufräumen
hat viel Zeit beansprucht, jetzt ist es größtenteils abgeschlossen.
Da sind Wünsche der Theaterleitung verständlich, wieder mehr Programm
zu machen, statt Belege aus der Vergangenheit zu sortieren.
SN: Braucht das Burgtheater demnächst mehr Geld?
Christian Kircher: Nicht im Sinne von mehr Basisabgeltung
(Subvention), aber wir haben große Diskussionen über das
nächstjährige Budget, wie wir mehr Geld für Programm zur Verfügung
stellen könnten.
SN: Es gab auch Einschnitte bei der Art for Art?
Christian Kircher: Genau, dort wurden Mitarbeiter abgebaut. Das war
unter dem Titel Strukturanpassung, aber es ist auch eine
Routineaufgabe, zu prüfen, ob wir unsere Kostüme und Bühnenbilder
marktfähig produzieren.
SN: Ihr Vorgänger Günter Rhomberg gab im Februar 2016 zu bedenken:
Nach erfolgter Sanierung klafft bald das nächste Finanzloch auf. Denn
die Personalkosten der Bundestheater steigen um rund 3,5 Mill. Euro
pro Jahr, während die Subvention fix ist. Steuern Sie auf die nächste
Krise zu?
Christian Kircher: Jetzt nicht. Einer meiner ersten Schritte (als
Bundestheater-Chef seit 1. April) war der Abschluss von
Drei-Jahres-Vereinbarungen mit allen Bühnen (Volksoper, Staatsoper
sowie Burg- und Akademietheater). Damit haben wir den Finanzrahmen
für die drei Spielzeiten 2016/17 bis 2018/19 abgesteckt und den
Betrieb sichergestellt. Ab 2019/20 müssen wir schauen, wie es
weitergeht. Die Subventionserhöhung wird immer unser Thema mit der
Politik sein. Dass wir alle Personalkostensteigerungen aus eigener
Kraft werden auffangen können, ist leider eine Illusion.
SN: Im Jahresabschluss 2014/15 hat das Burgtheater negatives
Eigenkapital ausgewiesen, wäre also konkursreif, hätte die Holding
nicht eine Patronanzerklärung abgegeben. Wie steht das jetzt?
Christian Kircher: Das Burgtheater ist definitiv nicht mehr
konkursreif. Das Eigenkapital ist schon deutlich positiv. Wir werden
demnächst das Stammkapital heruntersetzen; das ist mit den
Wirtschaftsprüfern abgesprochen.
Und wir werden in der Aufsichtsratssitzung im Jänner die
Patronanzerklärung widerrufen, weil sie nicht mehr nötig ist. Das
Burgtheater hat noch ein blaues Auge. Aber aus dem Gröbsten ist es
heraußen.
SN: Was ist das blaue Auge?
Christian Kircher: Wir schleppen noch einen Verlustvortrag mit. Den
werden wir aber im laufenden Geschäftsjahr abbauen. Bis zum Sommer
sollte der weg sein.
SN: Vor Kurzem tauchten in der „Presse“ Proteste auf, die
Kaufmännischen Leiter der Bühnen würden entmachtet, weil Sie
wichtige Agenden bei der Holding bündelten. Sie erwiderten: Es gebe
„Shared Service Centers“. Was ist das?
Christian Kircher: Diesen Schritt haben viele Unternehmen unserer
Größe schon gemacht. „Shared Service Center“ heißt: Man fasst
vergleichbare Leistungen konzernweit zusammen. Bei uns sind das
Buchhaltung und Personalverrechnung. Wir zentralisieren damit nur,
was keiner Kreativität bedarf und was im Nachhinein zu trockener
Arbeit wird. Damit sollen Abwicklung und Verbuchung von
vergleichbaren Geschäftsfällen übersichtlicher werden.
Die kaufmännische Gestaltungsfreiheit der Bühnen ist nicht
betroffen. Budgetplanung und -kontrolle sowie künstlerische
Entscheidungen bleiben unangetastet.
SN: Erfolgt so eine Bündelung auch für den Kartenverkauf?
Christian Kircher: Da gibt es die Plattform „culturall“, die einem
Privaten gehört. Das hat sich über viele Jahre so ergeben. Wir
schauen uns aber demnächst im Detail an, ob diese Geschäftsbeziehung
auf guten Beinen steht.
SN: Warum?
Christian Kircher: Das ist eine turnusmäßige Evaluierung. Zum einen
gibt es immer wieder Kritik, dass wir für „culturall“ viel Geld
aufwenden. Dann ist das eine strategische Frage: Soll man sich da an
einen einzigen Geschäftspartner binden? Die Bundestheater haben auch
keine Anteile an dieser GmbH. Andrerseits erfolgt der Verkauf von
rund 1,3 Millionen Tickets pro Jahr seit vielen Jahren reibungslos
und mit hoher technischer Sicherheit. Das Programm funktioniert gut.
Das ist sehr viel. Trotzdem werden wir das in Ruhe und behutsam
anschauen.
SN: Infolge der Kalamitäten im Burgtheater stehen
Arbeitsgerichtsprozesse an, zudem ermittelt die
Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen die einstigen Manager. Gibt es
bisher Entscheidungen?
Christian Kircher: Nein. Wir warten alle. Wir wissen nicht einmal,
ob die Staatsanwaltschaft Anklage erheben wird. Erst wenn die
strafrechtliche Dimension entschieden ist, können wir zivilrechtliche
Schritte setzen. Jetzt wär’ es gut, wenn einmal das
(strafrechtliche) Verfahren in die Gänge käme.
SN: Nach drei Jahren ist das doch absurd!
Christian Kircher: Ja, sicher. Ich höre nur, gemessen an großen
Fällen wie Hypo Alpe Adria ist das noch immer eine kleine Sache. Aber
uns belastet dies sehr. Alle paar Wochen wird medial spekuliert, ob
und wann die Bundestheater und das Burgtheater aus diesem Loch
herauskommen. Für das Image ist das nicht toll.
SN: Aus Ihrer Sicht sind Sie, abgesehen von den Prozessen, längst aus
diesem Loch?
Christian Kircher: Ja, wir sind sogar über den Berg. Unsere großen
Themen für 2017 sind die Shared Services und der Kartenverkauf über
„culturall“.
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