• 15.12.2016, 10:45:58
  • /
  • OTS0069

Wehling und Straubinger diskutierten "Sprache als politisches Instrument"

Wien (OTS/SPW) - Sprache beeinflusst unser Denken und Handeln. Am
gestrigen Mittwoch diskutieren die renommierte Linguistin Elisabeth
Wehling und SPÖ Wien-Landesparteisekretärin Sybille Straubinger
darüber, warum es einen Unterschied macht, ob man von der
„Steuerlast“ oder dem „Steuerbeitrag“ spricht und warum Begriffe wie
„Steueroase“ oder „Flüchtlingskrise“ ein konservatives Weltbild
unterstützen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "DENK!_!Raum" luden
das Frauenzentrum ega, die Wiener Bildungsakademie, die Wiener SPÖ
Frauen und der SPÖ Wien Rathausklub zur Diskussion rund um die Macht
der Sprache.****

Die Wirkung von Sprache zeigte Wehling durch zahlreiche
Studienbeispiele auf. So aktiviere im Gehirn zum Beispiel das Wort
„schmutzige Steueraffäre“ physischen Ekel. Das Wort „Last“ werde
assoziiert mit Begriffen wie schwer, anstrengend, oder werde bildlich
als Lastwagen oder Packesel wahrgenommen. Das heißt, Sprache und
bestimmte Wörter aktivieren bestimmte Frames (Denkrahmen). Diese
Rahmen bedingen unbewusst eine Einschätzung einer Information, eines
Fakts. Dabei gebe es Worte, die aufgrund der eigenen Erfahrung
erfasst werden können: „Wörter, die wir schmecken, riechen, sehen
können“. Und es gebe abstrakte Wörter, die außerhalb dieser Ebene
liegen, wie zum Beispiel „Steuern“ oder „Solidarität“. Da das Konzept
der Besteuerung nicht erfasst werden kann, werden in der politischen
Diskussion Framings angewendet. „So sprechen wir zum Beispiel von der
Steuerlast. Ein Konzept, nachdem Steuern anstrengend, negativ und
erdrückend wahrgenommen werden. Wenn man eine Ideologie unterstützt,
die hohe Steuern problematisch findet, dann ist diese Begrifflichkeit
für diese Gruppe authentisch im Gegensatz zur progressiven Gruppe“,
so Wehling. Damit werde ein Frame des politischen Gegners angewendet.
Es mache also einen Unterschied, ob man von einer „Steuerlast“ oder
einem „Steuerbeitrag“ spreche.

Stereotype Attribute von Gender bewerten Begriffe

Auch stereotype Annahmen über das Geschlecht werden durch das
Erlernen der Sprache auf die Weltsicht übertragen. Viele Sprachen
haben kein Geschlecht, wie zum Beispiel im Englischen im Gegensatz zu
Deutsch oder Spanisch. Das Wort „Brücke“ ist im Deutschen weiblich,
im Spanischen männlich. Ein deutscher Muttersprachler bewertet die
Brücke als schön, grazil, sanft. Für die Spanier ist das Wort jedoch
schroff, gefährlich, stark. „Das bedeutet, dass wir stereotypische
Attribute von Gender anwenden, um Begriffe zu bewerten“, betonte
Wehling.

Begriffe wie „Frauenschutzhäuser“, „Frauenquote“, „Rechte für Frauen“
implizieren immer die Frauenperspektive. So fehle beim Wort
„Frauenschutzhaus“ der Aspekt, von wem die Gewalt gegen Frauen
ausgehe. Genutzt wird das Konzept von Gewalt von Männern in der
Sprache kaum, geframt werde stattdessen die Frau. Auch der Begriff
„Frauen stärken“ weise darauf hin, dass Frauen schwächer seien und
sie gestärkt werden müssen. Das „impliziert eine moralische Bewertung
der Frau, die schutzbedürftig und weniger stark und kompetent ist als
der Mann“, so Wehling. Es gehe also auch darum, feministische Männer
stärker miteinzubeziehen.

In Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit müsse viel stärker klar
gemacht werden, dass es sich um eine ideologische Spaltung handelt
und keine der Geschlechter. Denn „jemand, der ein fürsorgliches,
progressives Weltbild vertritt, der sieht Frauen als gleichberechtigt
an und fordert einen besonderen Schutz gegen Männergewalt. Auf der
anderen Seite gibt es eine strenge, konservative Ideologie, in der
Männer als Beschützer, Versorger und Kontrollierer agieren, die
Frauen beschützen und sagen wo es lang geht. Viele Frauen vertreten
so ein konservatives Weltbild. Nicht ohne Grund haben sehr viele
Frauen Trump gewählt, trotz seines sexistischen Wahlkampfs“.

Wehling wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Trump seine
Ideologie perfekt anwendete. „Jemand, der ideologisch ein strenges
Weltbild lebt, hält jemanden für eine gute Führungsfigur, der harsch
ist, sich manchmal im Ton vergreift. Wenn sie ein fürsorgliches
Weltbild haben, dann möchten sie einen Führungsstil, der empathisch
ist, kooperiert, der Menschen zusammenbringt und für die Gruppe
sorgt“. Ein Drittel der Menschen seien fürsorglich eingestellt und
lassen sich durch ein aggressives, herabwertendes Verhalten und
Sprechen nicht ansprechen, weil es nicht der eigenen Weltsicht
entspricht. „Wer ideologisch streng ist, findet das aber gut.“ Als
Beispiel dafür brachte Wehling den Wahlkampf von Hillary Clinton: Sie
habe ihre ideologische Gruppe viel zu wenig fürsorglich, wohlwollend
und empathisch angesprochen. Erst die Rede zu ihrer Wahl-Niederlage
war ein gutes Beispiel für eine fürsorgliche Art der Rede. Im
Gegensatz dazu habe Barack Obama die fürsorgliche Kommunikation
perfektioniert.

Straubinger: Vom Politik-Sprech wegkommen

Straubinger betonte, dass es in der politischen Kommunikation auch
immer um Authentizität gehen müsse: „Es geht darum, authentisch zu
bleiben. Wenn man Dialekt spricht, soll man das auch nützen. Ein
klares Ziel ist es, vom Politik-Sprech wegzukommen“. Straubinger
betonte dazu die Wechselwirkung zu den Medien, die dazu führe, dass
PolitikerInnen oft risikoärmer sprechen und sich auf klare Aussagen
zurückziehen. „Davon müssen wir wegkommen und mehr Risiko eingehen“.
Auch gebe es eine interne Diskussion rund um den Begriff der
Frauenquote: „Persönlich favorisiere ich den Begriff der
‚Geschlechterquote‘. Weil es nicht nur die Frauen betrifft, sondern
beide Geschlechter. Solche Begriffe zu ändern, ist ein langwieriger
Prozess, zum Beispiel auch das Wort ‚Steuerlast‘ in ‚Steuerbeitrag‘
zu verändern, dafür braucht es gesamtgesellschaftliche
Anstrengungen“.

Große Herausforderung für progressive Parteien wie die SPÖ sei es, zu
überlegen, wie man die Menschen in der Mitte erreiche, damit sie
nicht nach rechts abdriften. „Hier werden wir uns stärker mit
Emotionen in der Kommunikation beschäftigen und klare Haltungen
vertreten müssen. Auch wenn dadurch nicht immer alle einer Meinung
sind. Denn wenn alle abgeholt und niemand abgeschreckt werden soll,
dann entstehen „ja eh“-Situationen, die weder mobilisieren, noch
polarisieren. Aber eine solche Polarisierung müssen wir auch
innerhalb der Partei aushalten. Hier müssen wir umdenken und uns viel
genauer mit Sprache beschäftigen, da sie aufs Denken und Handeln
wirkt“, so Straubinger. (Schluss) nk

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | DSW

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel