• 15.11.2016, 11:19:17
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„Menschen & Mächte“-Doku „Hitlers Angst und Görings Lederhose – Flüsterwitze im Nationalsozialismus“ am 17. November in ORF 2

Kabarettist Alfred Dorfer erzählt und interpretiert Flüsterwitze aus der Nazizeit

Utl.: Kabarettist Alfred Dorfer erzählt und interpretiert
Flüsterwitze aus der Nazizeit =

Wien (OTS) - „Ein Volk, ein Reich, ein Führer.“ Mit gigantischen
Massenchoreografien inszenierte die NS-Tyrannei ihren ideologischen
Ernst und ihr Machtmonopol. Die öffentliche Selbstdarstellung des
Regimes bestand überwiegend aus dem Gestus des Heroischen.
Selbsternannte Erlöser lachen nicht oder nur selten. In den
Wochenschauaufnahmen sieht man den „arischen Missionar aus Braunau“
meist mit bierernster Miene. Alleine das ist schon zum Lachen. Die
„Menschen & Mächte“-Dokumentation „Hitlers Angst und Görings
Lederhose – Flüsterwitze im Nationalsozialismus“ von Christian
Rathner behandelt am Donnerstag, dem 17. November 2016, um 21.05 Uhr
in ORF 2 ein bisher wenig beachtetes Thema der Zeitgeschichte:
regimekritische Flüsterwitze, die in der Zeit nationalsozialistischer
Herrschaft kursierten. Erzählt und interpretiert werden sie vom
prominenten Kabarettisten Alfred Dorfer, der vor wenigen Wochen mit
dem renommierten Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde. Am
Donnerstag, dem 24. November, führt Alfred Dorfer um 21.05 Uhr in ORF
2 auch durch die „Menschen & Mächte“-Dokumentation über „Flüsterwitze
im Kommunismus“.

Witze zu erzählen, geschweige denn sie aufzuschreiben und zu sammeln
konnte während der NS- Diktatur äußerst gefährlich werden, daher der
Begriff „Flüsterwitze“. Wie strikt Beleidigungen der braunen Eliten
geahndet wurden, zeigt folgender Witz: „Was gibt es für einen neuen
Witz? Mindestens ein Jahr Dachau.“ Wer ertappt wurde, musste mit
Gefängnis oder Konzentrationslager rechnen, im schlimmsten Fall wegen
Wehrkraftzersetzung mit dem Todesurteil. Trotzdem gab es Mutige, die
erzählte Witze aufgeschrieben und damit für die Nachwelt erhalten
haben.

Die Flüsterwitze begleiteten das NS-Regime durch alle seine Phasen:
vom März 1938 bis zum Kriegsende 1945. Sie schilderten den zunehmend
angstbesetzten Alltag in der Diktatur. Etwa der: „Hitler hat nach dem
Einmarsch im März 1938 drei neue Feiertage einführt: Maria
Denunziata, Maria Haussuchung und Maria Gefängnis.“ In den
Kriegsjahren wurde die Lebensmittelversorgung immer schwieriger, es
waren Zeiten zunehmender Mangelwirtschaft. Man hat nicht mehr viel,
außer Überlebenswillen, Galgenhumor und Luftschutzkeller. Die beinahe
täglichen Bombardements durch Briten und Amerikaner kündeten vom
nahenden Untergang des Führerstaates. Daher wurde auch die immer
schwierigere Versorgungslage aufs Korn genommen.

Die Witze sind Indikatoren für Stimmungen, gewandelte Begeisterung,
Belege für Repression, Verfolgung und Tod, für Kriegsmüdigkeit und
Rassenwahn, eine Art begleitendes Meinungsbarometer des Volkes. Sie
sind Tagebücher der NS-Zeit. Sie entlarven die Lügen der
NS-Propaganda, sie kommentieren gallig den von Hitler entfachten
Krieg, der von den propagandistischen Endsieg-Fantasien ins Desaster
führte. In Witzform gegossen: „Was ist der kürzeste Witz der Welt?
Die Antwort: ,Endsieg‘.“ Die mächtigen Nazi-Herrscher sollen so
entzaubert und als Witzfiguren dargestellt werden. Eigentlich sind
sie Massenmörder und alles andere als lustig, aber eben auch
lächerlich: „Hitler, der Mächtige. Göring, der Prächtige. Goebbels,
der Schmächtige.“

Die Flüsterwitze der NS-Zeit entstanden selten an der Front, noch
viel weniger im KZ. Sie wurden überwiegend an der sogenannten
„Heimatfront“ erfunden, weitererzählt und gesammelt. Der
Vernichtungskrieg mit seinen massiven Kriegsverbrechen, mit Folter,
Vertreibung und Erschießung von Zivilisten, mit Pogromen und Ghettos
bleibt überwiegend ausgespart. Für den Holocaust, den Massenmord in
den Vernichtungslagern, für die Tötung „lebensunwerten Lebens“ und
viele andere Massenverbrechen gibt es mit guten Gründen keine
Pointen. Ein Witz hat es allerdings aus dem KZ in die Witzesammlungen
geschafft: Dort erkennt ein Jude das Glasauge eines SS-Mannes daran,
dass es so menschlich aussieht ... Die sogenannten Arier hatten die
Wahl zwischen Mitmachen, Anpassung, Aufstieg oder innerer Emigration,
die Juden letztlich nur die Wahl zwischen Leben und Tod. Eben daraus
destilliert die Dokumentation auch die grundsätzliche Frage: Darf man
über dieses Terrorregime überhaupt lachen?

Flüsterwitze sind Waffen des Geistes wider das System, sie waren
Subversion, aber auch eine Form des Widerstandes. Diese heiteren
Miniaturen haben einen erhellenden Informationswert in Bezug auf die
psychologische Auswirkung von Propaganda und Terror auf das
Individuum. Die Naziherrschaft haben sie selbstverständlich ebenso
wenig wie der politisch-militärische Widerstand zu Fall gebracht. Sie
dienten überwiegend als Ventile. Trotz der vielen, auch immer
subversiveren bis Kriegsende kursierenden „Führer-Witzen“ kann nicht
automatisch auf eine Distanzierung des Volkes von Adolf Hitler
geschlossen werden. Loyalität und Solidarität sollten Konstanten bis
zum Ende bleiben.

Witze oder Wortspiele, die gleich zu Anfang der neu proklamierten
Zweiten Republik entstehen und nun nicht mehr mit dem Tod
sanktioniert werden, machen deutlich, dass die sogenannte Opferthese
nicht nur einer Lebenslüge im staatspolitischen Identitätskatalog der
Zweiten Republik gleichkam, sondern der Wahrnehmung der überwiegenden
Mehrheit der Österreicher entsprach: „Wer hat uns verführt? Der
Hitler. Wer hat uns beherrscht? Der Hitler? Wo ist er jetzt? Tot.
Gott sei Dank, wir leben noch.“ Die Schuld an Rassenwahn, Krieg und
Zerstörung wird primär auf die NS-Führung fokussiert. In Witze
verpackte Selbstkritik oder Reflexionen über die eigene
Mitverantwortung gibt es nicht. Die Eliten haben die Massen verführt:
„Warum muss man die Bäume schonen? Damit man die Nazibonzen daran
aufhängen kann.“

In Christian Rathners Dokumentation „Hitlers Angst und Görings
Lederhose“ erzählt und interpretiert Kabarettist Alfred Dorfer
Flüsterwitze aus der Nazizeit. Zeitzeugen steuern Erinnerungen bei.
Brigitte Bailer, ehemals Leiterin des Dokumentationsarchivs des
Österreichischen Widerstands, erläutert die zunehmend verschärften
juristischen Sanktionen gegen die Witze-Erzähler, und der Wiener
Schriftsteller Doron Rabinovici beleuchtet den jüdischen Witz im
Angesicht des Grauens.

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