- 10.11.2016, 15:11:20
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Mit Public Health zu mehr Gesundheit für alle: Es braucht Wissen, Strategie, Handeln und mutige Politik
PRESSEKONFERENZ 9. EUROPÄISCHE PUBLIC HEALTH KONFERENZ IN WIEN

Utl.: PRESSEKONFERENZ 9. EUROPÄISCHE PUBLIC HEALTH KONFERENZ IN WIEN =
Wien (OTS) - Mehr Gesundheit für alle, dazu braucht es nicht
unbedingt mehr Geld. Aber es muss das Geld vor allem dafür ausgegeben
werden, dass die Menschen an Gesundheit gewinnen. Besonders teuer
wird ein Gesundheitssystem immer dann, wenn viele chronische
Krankheiten entstehen, wenn intensive und jahrelange Therapien für
sogenannte Zivilisations- und Lebensstilerkrankungen erforderlich
sind, so Prof. Dr. Thomas Dorner heute bei einer Pressekonferenz in
Wien anläßlich der 9. Europäischen Public Health Tagung. Was Menschen
wirklich gesund hält, darüber gibt es im Public Health Bereich
inzwischen umfassendes, fundiertes Wissen. Jetzt braucht es
Strategien, aktives Tun und bei Entscheidungsträgern den Mut und
Willen, die inzwischen zahlreich vorhandenen wissenschaftlichen
Erkenntnisse umzusetzen, so Dorner.
Die Ausgaben für Gesundheit liegen in Österreich mit 10,1% des
Bruttoinlandsproduktes höher als im Schnitt der OECD Länder (8,9% des
BIP). Der OECD 34-Schnitt für öffentliche Gesundheitsausgaben liegt
bei € 3.150,-- pro Jahr/Kopf. In Österreich werden um € 1.000,--
mehr ausgegeben, zusätzlich legt jeder privat noch einmal einige
hundert Euro pro Jahr dazu – Tendenz stark steigend. In Italien
werden jährlich € 2.800,-- pro Kopf für die Gesundheit ausgegeben,
dies entspricht 8,9 % des BIP. (Die Vergleiche in Euro sind
problematisch, da in den diversen Ländern eine verschiedene Kaufkraft
vorhanden ist. Daher wird bevorzugt ein Vergleich der
Gesundheitsausgaben zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt vorgenommen).
In Italien werden die Menschen im Schnitt 83,2 Jahre und damit um 1,5
Jahre älter als die ÖsterreicherInnen.
Was Menschen gesund hält – die Vienna Declaration
Was hält Menschen wirklich gesund und wie können wir das möglichst
für alle umsetzen – das ist somit eine der zentralen Herausforderung
der Public Health, betonte Christiane Stock, Präsidentin der Sektion
Health Promotion in der Europäischen Public Health Gesellschaft
(EUPHA). Sie präsentierte die Vienna Declaration, einen von Public
Health Fachleuten erarbeiteten Leitfanden für mehr Gesundheit für
alle. Elementar sind beispielsweise Frieden und ein Leben ohne
Gewalt, sowohl im öffentlichen Leben als auch in den Familien.
Äußerst entscheidend sind auch leistbare und gesunde Nahrung, Bildung
für alle – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Religion sowie
ein gesundes Ökosystem inklusive reinem Wasser möglichst frei von
Verschmutzungen. Auch ein politisches System welches einen hohen Grad
an Schutz für alle bietet, Arbeitsbedingungen welche die Gesundheit
der Bevölkerung schützten und eine fürsorgliche Kindheit mit
liebevoller Unterstützung gelten als Grundsteine für eine gesunde
Bevölkerung.
Die Schwachstellen in Österreich – Rauchen, Alkohol und
geringe Gesundheitskompetenz
Dorner: Im Grunde erfüllen wir in Österreich viele dieser Vorgaben.
Doch es gibt auch deutliche Schwachstellen, alle seit langem bekannt:
Österreich gehört zu den europäischen Spitzen beim Rauchen und
Alkoholkonsum und die Gesundheitskompetenz der ÖsterreicherInnen ist
im Vergleich zu anderen Ländern bedenklich gering. 18 % haben eine
unzureichende Fähigkeit, Gesundheit und Gesundheitszusammenhänge zu
verstehen, bei weiteren 38 % der Bevölkerung wurde eine
problematische Kompetenz festgestellt, so eine Studie aus 2013 vom
damaligen Ludwig Boltzmann Institut für Health Promotion Research.
Zum Vergleich: In den Niederlanden haben nur 1,8 Prozent eine
unzureichende und 26,9 % eine problematische Gesundheitskompetenz.
Auch die Ausgaben für Gesundheitsförderung liegen in Österreich
deutlich unter dem OECD-Mittelwert von 3,4 Prozent. Laut
OECD/Statistik Austria werden in Österreich 1,9 Prozent der gesamten
Gesundheitsausgaben für Gesundheitsförderung ausgegeben, was knappen
€ 90,-- pro Kopf und Jahr entspricht. Die Ausgabenfreude der
österreichischen öffentlichen Hand ist generell und auch im
sogenannten Präventivbereich recht einseitig. Es gibt hohe Ausgaben
beim Erkennen von Krankheiten und deren Therapie
(Vorsorgeuntersuchungen, Brustkrebsscreenings, Kuren und
Rehabilitationen). Für das Gesund bleiben und für „Health in all
policies“ ist der Finanzmitteleinsatz sehr sparsam oder schlicht und
einfach nicht wirklich bekannt.
Reorientierung des Gesundheitssystems in Richtung
Gesundheitsförderung und Prävention
„In Österreich werden seit fünf Jahren die sogenannten zehn
österreichischen Gesundheitsziele umgesetzt. In diesen Zielen ist
auch die Bedeutung der nicht-medizinischen Maßnahmen festgeschrieben.
Es braucht gesundheitsförderliche Lebenswelten und die Unterstützung
gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktionen, wie zum Beispiel im
Rahmen gesunder Städte und Gemeinden oder in den Netzwerken zur
Gesundheitsförderung. Wichtig ist die Förderung der
Gesundheitskompetenz und auch eine forcierte Reorientierung des
Gesundheitssystems in Richtung Gesundheitsförderung und Prävention,“
so Sektionschefin Dr. Pamela Rendi-Wagner vom Bundesministerium für
Gesundheit. Nicht nur die Lebenserwartung der ÖsterreicherInnen,
sondern vor allem deren Anteil der in Gesundheit verbrachten
Lebensjahre sei zu steigern, unterstrich Rendi-Wagner.
Mag. Ulrike Rabmer-Koller, Vorsitzende des Verbandsvorstands im
Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger: „In
Österreich fließen insgesamt 36 Mrd. Euro in die
Gesundheitsversorgung, das meiste Geld davon in den kurativen
Bereich, also das Heilen von Krankheiten. Nur etwas mehr als 700 Mio
Euro werden für den Bereich Prävention aufgewendet“ Geld allein ist
aber zu wenig, um neben einer steigenden Lebenserwartung gleichzeitig
die Anzahl an mehr gesunden Lebensjahren und damit mehr
Lebensqualität zu ermöglichen. Und die Vorsitzende des Hauptverbandes
sieht einige Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen: „Wir müssen
permanent am Bewusstsein für den Wert der Gesundheit arbeiten und die
Gesundheitskompetenz der Bevölkerung erhöhen. Diese
Gesundheitskompetenz muss schon im frühesten Kindesalter vermittelt
werden - eine große Verantwortung für Familie, Kindergarten und
Schule. Um bessere Voraussetzungen für ein gesundes Leben zu schaffen
braucht es auch die Stärkung der Eigenverantwortung, die aus dem
reinen Wissen auch alltägliches Handeln macht. Nur wenn es ein
Bewusstsein für den Wert der eigenen Gesundheit gibt, schaffen wir
den Schritt zu einem Lebensstil, der vermeidbare Krankheiten
reduziert – von Diabetes Typ 2 über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis
hin zu verschiedenen Krebsarten.“
Public Health – mit Wissen und Strategie zu mehr Gesundheit
Dorner: „Unser Arbeitsansatz ist, wissenschaftliche, praxisbezogene
und politische Anstrengungen zu verbinden, um die Gesundheit von
Populationen zu fördern und die Gesundheitssysteme bedarfsgerechter
und ökonomischer zu gestalten. Forschung, Lehre, Praxis und Policy
bilden die vier Säulen von Public Health. In den vergangenen Jahren
hat sich in Österreich im Bereich Public Health viel getan.
Mittlerweile haben wir in der Ausbildung bereits ein vielfältiges
Angebot. Es bedarf noch einer Intensivierung, um den steigenden
Bedarf in den nächsten Jahren abzudecken. Derzeit heißt es vor allem
das qualitative Niveau der Angebote hoch zu halten, zu fördern und zu
erhöhen“, so Thomas Dorner.
Gesundheitswissen durch Vernetzen und Forschen aufbauen
Ein wichtiger Schritt zu mehr Wissen über Public Health erfolgte über
internationale Vernetzung. Im Jahr 2000 wird die ÖGPH Mitglied der
European Public Health Association (EUPHA), seit 2014 ist Österreich
auch in der World Federation of Public Health Association (WFPHA).
Voneinander zu lernen ist ein Weg um mehr Informationen und
Erkenntnisse zu gewinnen. Aktuell gibt es eine ganze Reihe von
wichtigen und vielversprechenden Forschungsprojekten, die unter der
Mitwirkung und Leitung von österreichischen Universitäten und
Einrichtungen stehen.
Für Gesundheit sind alle verantwortlich: Health in all policy
umsetzen
Wir sehen unsere Aufgabe derzeit darin, dieses Wissen in alle
Politikfelder weiterzutragen. Wir müssen sie alle mit einbinden, die
EntscheidungsträgerInnen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, so
Dorner. Und weiter: „Welche Auswirkungen haben meine Pläne und
Entscheidungen für die Gesundheit der Menschen – sich diese Frage zu
stellen sollte immer und überall dazugehören.“
9. Europäische Public Health-Konferenz 2016 in Wien (EPH).
“All for Health, Health for All”. 9.-12. November 2016, Austria
Center Vienna. Alle Infos: https://ephconference.eu/. Gleichzeitig
findet auch die 19. Wissenschaftliche Tagung der Österreichischen
Gesellschaft für Public Health (ÖGPH) unter dem Titel „Integrierte
Gesundheit – Integrierte Versorgung“ statt (9./10.11.). www.oeph.at.
Österreich: Die vier wichtigen Schritte zu mehr Gesundheit für
alle
Public Health Policy: Viele Entscheidungsträger in Politik und
Gesellschaft müssen noch mehr begreifen, dass sie in ihrer Tätigkeit
eine Verantwortung für die Gesundheit von Menschen haben, auch wenn
sie nicht im „Gesundheits“system tätig sind. Mit den
Rahmengesundheitszielen in Österreich haben wir hierfür einen
wichtigen Grundstock gelegt. Nun geht’s darum zu sorgen dass dieses
Commitment zu Health in All Policies nicht in Vergessenheit gerät und
das ist auch die Aufgabe der Public Health Community.
Public Health Anwendung: Auch im Gesundheitssystem in Österreich
könnten noch mehr Entscheidungen aufgrund wissenschaftlicher
Erkenntnisse basieren. Dazu benötigt es allerdings noch mehr
Forschung in diesem Bereich mit entsprechender Finanzierung. Auch
wenn es den Anschein hat das wir uns auf ein postfaktisches Zeitalter
zubewegen: Für vernünftige Entscheidungen braucht es eine
Datengrundlage. Daten aus dem Versorgungs- und Sozialsystem müssen
auch für Forschung zugängig gemacht werden, unabhängig, ohne dass das
Forschungsergebnis a priori vorgegeben wird.
Public Health Forschung: In Österreich ist die Finanzierung der
Public Health Forschung im Gegensatz zu anderen Ländern nicht
explizit geregelt. Public Health Forschung muss um dieselben Mittel
konkurrieren, wie beispielsweise klinische oder medizinische
Grundlagenforschung und die letzteren werden häufig als Schwerpunkte
in der Forschungsförderung deklariert. Warum errichten wir nicht
einen österreichischen Forschungstopf für Public Health Forschung,
aus dem die besten eingereichten Public Health Forschungsprojekte
finanziert werden?
Public Health Lehre: Im Bereich der Public Health Ausbildung hat sich
in Österreich in den letzten Jahren viel bewegt. Es gibt
postgraduelle Universitätslehrgänge, Public Health Doktoratsstudien
und eine stets steigende Zahl an Kursen und Fachhochschullehrgängen
die Teilbereiche von Public Health Abdecken. Zusätzlich finden Public
Health Inhalte verstärkt Eingang in die Ausbildung von Health
Professionals. Wie beispielsweise in die Ausbildung von Ärztinnen und
Ärzten. Die Sicherung und Verbesserung der Qualität der Bildung im
Bereich Public Health Ausbildung muss jedoch hochgehalten bzw.
verbessert und nachhaltig gewährleistet werden.
ÖGPH – Österreichische Gesellschaft für Public Health Die ÖGPH ist
eine unabhängige wissenschaftliche Fachgesellschaft, die sich mit
Public Health Themen in Österreich auseinandersetzt. Die ÖGPH steht
für wissenschaftlich fundierte Forschung in den
Gesundheitswissenschaften.
HP: http://www.oeph.at/
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