• 27.09.2016, 10:13:54
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  • OTS0042

Offener Brief von WWF und Naturschutzbund an Minister Rupprechter

zur Empfehlung 3 im „Grünen Bericht Österreich 2016“: Bejagung von Wölfen

Utl.: zur Empfehlung 3 im „Grünen Bericht Österreich 2016“: Bejagung
von Wölfen =

Wien, am 27. September 2016 (OTS) - WWF und Naturschutzbund fordern
ein Ende der Hetze auf heimische Beutegreifer und eine Absage des
Umweltministers an gesetzwidrige Empfehlung

Sehr geehrter Herr Umweltminister,

mit großem Interesse haben wir den kürzlich erschienenen Grünen
Bericht zur Situation der Land- und Forstwirtschaft in Österreich
gelesen, der als wichtiger offizieller Überblick auch uns
Naturschutzorganisationen umfassende Informationen bietet.

Entsetzt waren wir jedoch über „Empfehlung 3 betreffend Wolf und
Almweiden“ in diesem Bericht. In dieser Empfehlung werden Sie von der
so genannten §7-Kommission (bestehend aus je einem Vertreter der
Parlamentsparteien, der Bundesarbeitskammer, der
Landwirtschaftskammer, der Wirtschaftskammer und des ÖGB) ersucht,
auf die Bundesländer hinsichtlich einer Änderung der Jagdgesetze
einzuwirken. Diese mögen dahingehend abgeändert werden, dass der Wolf
im Alpenraum ganzjährig bejagt werden darf, um schließlich einen
wolffreien Alpenraum zu ermöglichen.

Selbstverständlich sollen im Grünen Bericht auch kritische Dinge –
wie die Rückkehr des Wolfes und die damit verbundenen Auswirkungen
auf die Almwirtschaft – beleuchtet werden. Aus unserer Sicht hat
jedoch der Einbringer dieser Empfehlung, Herr Robert Zehentner,
ebenso wie jene Mitglieder der Kommission, die dieser Empfehlung
zugestimmt haben, jegliches Augenmaß verloren.

Zum einen ist die Freigabe der Jagd auf Wölfe und die Schaffung von
wolfsfreien Zonen nicht mit geltendem EU-Recht und somit auch nicht
mit der nationalen Gesetzgebung vereinbar. Wölfe dürfen in Österreich
nur in gut begründeten Ausnahmefällen erlegt werden. Im Gegenteil,
Österreich ist verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, damit diese streng
geschützte Art einen „günstigen Erhaltungszustand“ erreicht. Durch
entsprechendes Management wäre das auch machbar, wie Beispiele aus
unseren Nachbarländern zeigen.
Zum zweiten würde die Eindämmung der teilweise noch immer sehr
kleinen Wolfsbestände jahrzehntelange Artenschutzbemühungen zunichte
machen. In zahlreichen, auch aus EU-Mitteln geförderten Projekten hat
man in gesamteuropäischer Anstrengung Maßnahmen gesetzt, damit
ehemals ausgestorbene Tierarten wie der Wolf wieder heimisch werden.
Auch nationale Bemühungen wie etwa die Arbeit der
Koordinierungsstelle für Bär, Luchs und Wolf, die maßgeblich für den
Managementplan Wolf verantwortlich zeichnet, werden damit vom Tisch
gewischt.
Zum dritten muss der Fokus auf der Verbesserung des Herdenschutzes
liegen, wenn Schäden an Nutztieren langfristig gering gehalten werden
sollen. Fakt ist, dass Übergriffe von großen Beutegreifern vor allem
in ungeschützten Herden geschehen. Auch in dieser Hinsicht zeigen die
Empfehlungen im Grünen Bericht eine deutliche Unkenntnis der
Sachlage. Viele Länder, u.a. die Schweiz zeigen, dass Weidehaltung
und Wolf sehr wohl kombinierbar sind und Schäden deutlich reduziert
werden können, wenn den Nutztierhaltern kompetente Beratungsstellen
zur Seite stehen und diese geeignete Maßnahmen aufzeigen - wozu
Tierhalter grundsätzlich gesetzlich auch verpflichtet sind (vgl. §19
des österreichischen Tierschutzgesetzes zum Schutz von nicht in
Unterkünften untergebrachten Tieren vor Raubtieren).

Studien in Europa und Nordamerika zeigen zudem, dass sich durch den
Abschuss einzelner Wölfe in 70 Prozent der Fälle kein Rückgang der
Übergriffe auf Nutztiere nachweisen lässt. Solche Eingriffe in die
soziale Struktur von Wolfrudeln erweisen sich oftmals sogar als
kontraproduktiv. Der Abschuss eines Elterntieres kann beispielsweise
dazu führen, dass Wölfe ihr Jagdverhalten ändern und auf leichter zu
erbeutende Tiere wie ungeschützte Schafe ausweichen. Wäre die
Expertise etwa der Wolfsbeauftragten der Bundesländer oder der
Betreiber der Österreichischen Beratungsstelle Herdenschutz im Grünen
Bericht beigezogen worden, hätten diese ein wesentlich
differenzierteres Bild zeichnen können.

Sehr geehrter Herr Umweltminister, wir appellieren an Sie, nicht
zuzulassen, dass der Wolf zum Sündenbock gestempelt wird, sondern
Lösungsansätze zu fördern, die einen Ausgleich zwischen den
Interessen von Landwirtschaft und Naturschutz anstreben! So hat das
Herdenschutz-Pilotprojekt in Kals in Osttirol bereits wichtige
Erkenntnisse hinsichtlich Behirtung, Integration der Schutzhunde in
die Herden und Aufklärungsarbeit gebracht, die langfristig wesentlich
erfolgversprechender sind als der Ruf nach der Flinte. Auch uns ist
die schwierige wirtschaftliche Situation der Almbauern bewusst, die
vielen Faktoren, jedoch sicherlich nicht der Präsenz einzelner Wölfe
oder anderer Beutegreifer geschuldet ist.

Sehr geehrter Herr Umweltminister, auch große Beutegreifer wie der
Wolf gehören zur Artenvielfalt in Österreich, auf die wir zu Recht
stolz sind. Sie erfüllen eine wichtige Funktion im ökologischen
Gefüge und müssen als Bestandteil unserer Natur einen Platz haben.

Wir appellieren an Sie, die Empfehlung 3 im Grünen Bericht deutlich
zurückzuweisen und der Hetze gegen den Wolf einen Riegel
vorzuschieben.

Gerne laden wir Herrn Robert Zehentner zur nächsten Sitzung der
Koordinierungsstelle für Bär, Luchs und Wolf ein und würden uns
außerdem freuen, ihn bei einem Besuch in der Schweiz von den
Vorteilen eines gut funktionierenden Herdenschutzprojektes überzeugen
zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Johanides
Geschäftsführerin
WWF Österreich

Mag. Birgit Mair-Markart Bundesgeschäftsführerin
NATURSCHUTZBUND Österreich

Ergeht auch an die Mitglieder der §7-Kommission:

Robert Zehentner, Franz Hochegger, Erich Schwärzler, Nikolaus Prinz,
Reinhard Teufel, Harald Jannach, Richard Hubmann, Johanna Gerhalter,
Karin Doppelbauer, Martin Kargl, Leo Steinbichler, Waltraud Dietrich,
Johannes Fankhauser, Günther Rohrer, Maria Burgstaller, Josef Thoman,
Daniela Andrasch, Claudia Janecek, Ernst Tüchler, Alois Karner

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | WWF

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