• 22.09.2016, 16:27:21
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Entgegnung der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten zum Interview mit Stadträtin Sima in Falter 38/16, Seite 18ff.

Missverständnis von Wettbewerben und der Stellung von Bauherren der öffentlichen Hand

Missverständnis von Wettbewerben und der Stellung
von Bauherren der öffentlichen Hand, Falter 38/16, Seite 20
Wien (OTS) - 

Bei den Äußerungen zu Architekturwettbewerben der Wiener Stadträtin für Umwelt und Wiener Stadtwerke, Mag.a Ulli Sima, geht es leider nicht nur um standespolitische Befindlichkeiten – das wäre für eine der lebenswertesten Städte der Welt noch einfach verkraftbar. Die geäußerte Haltung der Stadträtin steht in diametralem Widerspruch zur Linie der für Architektur und Stadtgestaltung zuständigen Magistratsabteilung 19. Anscheinend sind Stadträtin Sima weder die „Wiener Architekturdeklaration“, in der 2005 die grundsätzliche Haltung der Stadt Wien zu Fragen der Architektur und Stadtplanung festgeschrieben wurde, noch die darauf fußenden „baukulturellen Leitsätze für Wien“, die 2013 von der Stadt Wien im Rahmen eines breit angelegten Prozesses erarbeitet wurden, ein Begriff. Uns verwundert das insofern, als darin festgehalten ist: „Der Gemeinderat fordert den Magistrat der Stadt Wien und die Betriebe in ihrem Einflussbereich auf, die Leitsätze als Handlungsmaxime anzuwenden.“ Stadträtin Sima fühlt sich offensichtlich nicht angesprochen. Die zentralen Aussagen der baukulturellen Leitsätze, wie „die Weiterentwicklung der hohen Qualität in Umsetzung und Planung sowie die Vorbildwirkung der Stadt Wien gegenüber privaten Investorinnen und Investoren“ sind via Link auf den Seiten „Architektur und Stadtgestaltung“ sowie  „Baukultur“ der Stadt Wien nachzulesen.

Gut, die Agenden der Architektur und der Stadtplanung fallen nicht unbedingt in den engeren Wirkungsbereich von Stadträtin Sima, das Maß an Ahnungslosigkeit ist für solch eine Position allerdings irritierend. Wenn man meint, ein Architekturwettbewerb verteuere die Baukosten und sei langwierig, hat man die Bedeutung guter und qualitätsvoller Planung für die Kosten im Baugeschehen und die Einhaltung von Bauzeiten schlicht nicht verstanden. Dabei gibt es genügend Anschauungsmaterial, leider auch in dieser Stadt, an dem sich die Folgen einer derartigen Haltung ablesen lassen. 

Die Meinung, Architekturwettbewerbe seien dazu da, möglichst viele Architekten „zum Zug kommen zu lassen“, ist ein grundsätzlicher Irrtum. Im Architekturwettbewerb kommt nur eine Architektin oder ein Architekt „zum Zug“, alle anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen ihre Arbeit unentgeltlich zur Verfügung. So gesehen beraubt die Stadträtin jene, die die Bauten zu zahlen haben, nämlich uns Steuerzahler und Steuerzahlerinnen, eines riesigen Potentials an Qualität.

Drastischer ist das Missverständnis von Wettbewerben und der Stellung von Bauherren der öffentlichen Hand in ihnen wohl selten zum Ausdruck gekommen: „Ich hatte das Erlebnis eines Wettbewerbs, wo wir als Bauherr von der Jury überstimmt wurden. Und das geht mir dann doch zu weit.“ Das, was Stadträtin Sima als Zumutung empfindet, ist geradezu das Wesen des Wettbewerbs im Sinne des Bundesvergabegesetzes (weil sie nicht ihr eigenes Geld, sondern das von uns allen ausgibt): Dem öffentlichen Bauherrn ist es eben gar nicht erlaubt, den Auftragnehmer einfach direkt selbst zu bestimmen, sondern er muss das objektiv beste Projekt wählen! Und dies kann nur eine Jury beurteilen, in der Fachleute entscheiden. Deshalb haben alle Mitglieder einer Jury ihre Tätigkeit ausdrücklich unabhängig wahrzunehmen, ein „Überstimmen des Bauherrn“ kann es so gesehen gar nicht geben. Willkommen im Rechtsstaat!

Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man über die Reaktion auf die Unverschämtheit einer unabhängigen Entscheidung lachen: „Wir haben das Projekt dann halt einfach nicht umgesetzt.“  Eine typisch wienerische Lösung? Hoffentlich nicht.

Rückfragen & Kontakt

Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland

Nina Krämer-Pölkhofer, MSc
Generalsekretärin

nina.kraemer@arching.at
T: +43 1 5051781-15
M: +43 664 131 64 28
www.wien.arching.at

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