• 15.09.2016, 13:07:50
  • /
  • OTS0149 OTW0149

AKVorrat veröffentlicht Vorgabe für Überwachungsgesamtrechnung

Handbuch zur Evaluation der Anti-Terror-Gesetze in Österreich (HEAT) ab sofort einsetzbar

AKVorrat veröffentlicht Vorgabe für
Überwachungsgesamtrechnung, Handbuch zur Evaluation der
Anti-Terror-Gesetze in Österreich (HEAT)

Utl.: Handbuch zur Evaluation der Anti-Terror-Gesetze in Österreich
(HEAT) ab sofort einsetzbar =

Wien (OTS) - Nach eineinhalb Jahren intensiver Arbeit veröffentlicht
der AKVorrat heute das Handbuch zur Evaluation der
Anti-Terror-Gesetze in Österreich (HEAT). Die darin enthaltenen
Vorgaben für eine Überwachungsgesamtrechnung erfüllen eine Forderung
der BürgerInneninitiative „Stoppt die Vorratsdatenspeicherung!“.
Diese wurde vom AKVorrat initiiert und von 106.067 Menschen
unterzeichnet. Der Kriterienkatalog von HEAT gibt Politikerinnen und
Politikern und auch der Zivilgesellschaft Instrumente in die Hand,
wie Sicherheitsgesetze auf ihre Vereinbarkeit mit verfassungsmäßig
garantierten Grundrechten überprüft werden können. Wie dringend die
darin formulierten Kriterien für eine verbindliche Folgenabschätzung
aller Gesetze sind, zeigt sich am aktuellen Beispiel der Novellierung
zum Börsegesetz, das Anfang August in Kraft getreten ist. Dort wird
die Ermittlung von Verkehrsdaten erstmals auf Verwaltungsdelikte
ausgedehnt. Bislang waren solche Befugnisse nur im gerichtlichen
Strafrecht vorgesehen. Neben diesem konkreten Gesetz hat der AKVorrat
drei Bereiche identifiziert, die dringend neu gestaltet werden
müssen: Das Telekommunikationsgesetz und die Durchlaufstelle, der
Schutz der Träger von Berufsgeheimnissen und der automatisierte
Datenabgleich ("Rasterfahndung").

Die heute veröffentlichte Version von HEAT trägt das Datum 9/11. In
den 15 Jahren nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New
York haben Regierungen in aller Welt mit Überwachungsgesetzen
reagiert, die kaum geeignet sind, Terror oder organisierter
Kriminalität zu begegnen, aber sehr oft elementare Rechte
einschränken. Österreich bildet hier keine Ausnahme:
Vorratsdatenspeicherung, Polizeiliches Staatsschutzgesetz oder der
geplante Bundestrojaner sind nur einige Beispiele für überbordende
Überwachungsbefugnisse, die oftmals ohne hinreichenden Rechtsschutz
beschlossen werden. Generell ist festzustellen, dass die Behörden
immer mehr Möglichkeiten bekommen, schon weit im Vorfeld von
Straftaten in die Privatsphäre unschuldiger Menschen einzudringen.

Neuerdings darf sogar schon bei Verwaltungsdelikten überwacht werden.
Mit der jüngsten Novelle des Börsegesetzes ist erstmals eine Auskunft
über Daten einer Nachrichtenübermittlung bei einer vermuteten
Verwaltungsübertretung, konkret beim Missbrauch von
Insiderinformationen und Marktmanipulation, zulässig. Noch dazu hat
der Gesetzgeber keine Grundlage für eine Beauskunftungsverpflichtung
für Provider im Telekommunikationsgesetz (TKG 2003) geschaffen. "Das
ist ein Dammbruch. Wir sehen uns mit einer Situation konfrontiert, in
der die Politik Überwachungsgesetze im Blindflug beschließt", so
Christof Tschohl, Obmann des AKVorrat und wissenschaftlicher Leiter
des HEAT-Projekts. "Es zeigt sich einmal mehr, wie nötig eine
systematische und fundierte Evaluation ist. HEAT ist die Basis dafür.
Wir werden alles tun, damit es auch eingesetzt wird", so Tschohl
weiter.

Grundlage für evidenzbasierte Sicherheitspolitik

Für die Politik ist HEAT ein Leitfaden zur Ausarbeitung
grundrechtskonformer Gesetze und für eine Wirkungsorientierte
Folgenabschätzung[1] die diese Bezeichnung tatsächlich verdient. Für
zivilgesellschaftliche Initiativen bildet es eine Grundlage, sich
fundiert in den Gesetzgebungsprozess einzubringen. Für die
Gesellschaft ist es der Rahmen für eine Gesamtrechnung, die alle
Überwachungsmaßnahmen in einer Gesamtschau bewertet. Die
zugrundeliegende Methodik und die ausgearbeiteten Kriterien sind
nicht nur auf Österreich anwendbar. Das Handbuch kann auch
international eingesetzt werden. Der UN-Sonderberichterstatter für
das Recht auf Privatsphäre Joseph Cannataci wird für die geplante
Druckauflage ein Vorwort beisteuern, in dem er die internationale
Bedeutung der Überwachungs-Gesamtrechnung hervorhebt.

Gleichgewicht von Freiheit und Sicherheit

"Es ist eine Ironie der Geschichte, dass staatliche Überwachung bei
einer wachsenden Zahl von Menschen, die mit dieser Politik geschützt
werden sollen, selbst terroristische Effekte erzeugt: die Angst immer
und überall Opfer von staatlichen Angriffen auf die eigene
Privatsphäre zu werden", so Reinhard Kreissl, CEO von VICESSE (Vienna
Centre for Societal Security) und einer der Autoren von HEAT. Der
AKVorrat hat es sich zur Aufgabe gemacht, hier gegenzusteuern und
einen Beitrag zu einer lebendigen Demokratie zu leisten. Für diese
braucht es Menschen, die ohne Angst vor Repression leben können. HEAT
ist als Instrument für den Ausgleich von Freiheit und Sicherheit zu
verstehen.

Umfassende Analyse

In der ersten Phase des Projekts wurden sämtliche Gesetze analysiert,
die Überwachungsbefugnisse beinhalten. Die eingesetzten technischen
Mittel wurden ebenso betrachtet wie die Praxis, was ihren
tatsächlichen Einsatz betrifft. Dazu wurden mit Hilfe der Grünen und
der NEOS parlamentarische Anfragen gestellt. Wo die Antworten nicht
ausreichend waren, wurden eigene Recherchen angestellt, die das Bild
vervollständigen sollten. Erst in einer Gesamtschau hinsichtlich
Effektivität und begleitender Rechtsschutzmaßnahmen lässt sich eine
Sicherheitspolitik gestalten, die ihr Ziel erreicht und dabei
verhältnismäßig bleibt.

Polizeiliches Staatsschutzgesetz: HEAT im Praxiseinsatz

Mit HEAT liegt eine Gesamtbetrachtung der Situation in Österreich
vor. Die ausgearbeiteten Kriterien wurden anhand der Entstehung des
Polizeilichen Staatsschutzgesetzes und der beim
Verfassungsgerichtshof eingebrachten Klage (Drittelbeschwerde der
grünen und freiheitlichen Nationalratsabgeordneten) auf ihre
Praxistauglichkeit überprüft.

Weiterentwicklung

HEAT ist ein lebendiges Instrument. In den nächsten Wochen und
Monaten werden die einzelnen Inhalte für unterschiedliche
Anwendungsfälle und Zielgruppen aufbereitet. Auch der
Kriterienkatalog wird noch weiter verfeinert. Vor allem aber wird der
AKVorrat den Dialog mit unterschiedlichen Stakeholdern aus Politik,
Zivilgesellschaft und Verwaltung suchen. Das Handbuch ist keine rein
theoretische Arbeit: Es muss zum Einsatz kommen.

Interdisziplinäre Arbeit

Das Handbuch wurde unter der wissenschaftlichen Leitung von Christof
Tschohl erstellt. Ein interdisziplinäres Team von JuristInnen,
TechnikerInnen sowie SozialwissenschaftlerInnen hat daran gearbeitet
und wurde dabei von vielen Freiwilligen unterstützt, die
Recherchearbeiten, Lektorat oder grafische Aufbereitung der Inhalte
übernommen haben. Das Projekt wurde durch die "netidee" der
gemeinnützigen Internet Foundation Austria (IPA) und viele
Einzelspenden an den AKVorrat ermöglicht.

Version 1.1. von HEAT steht hier zum Download bereit:
https://akvorrat.at/sites/default/files/heat_1.1_0.pdf

Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM / Originalbild-Service
sowie im OTS-Bildarchiv unter http://bild.ots.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | WEQ

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel