- 15.09.2016, 13:07:50
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AKVorrat veröffentlicht Vorgabe für Überwachungsgesamtrechnung
Handbuch zur Evaluation der Anti-Terror-Gesetze in Österreich (HEAT) ab sofort einsetzbar

Utl.: Handbuch zur Evaluation der Anti-Terror-Gesetze in Österreich
 (HEAT) ab sofort einsetzbar =
Wien (OTS) - Nach eineinhalb Jahren intensiver Arbeit veröffentlicht
 der AKVorrat heute das Handbuch zur Evaluation der
 Anti-Terror-Gesetze in Österreich (HEAT). Die darin enthaltenen
 Vorgaben für eine Überwachungsgesamtrechnung erfüllen eine Forderung
 der BürgerInneninitiative „Stoppt die Vorratsdatenspeicherung!“.
 Diese wurde vom AKVorrat initiiert und von 106.067 Menschen
 unterzeichnet. Der Kriterienkatalog von HEAT gibt Politikerinnen und
 Politikern und auch der Zivilgesellschaft Instrumente in die Hand,
 wie Sicherheitsgesetze auf ihre Vereinbarkeit mit verfassungsmäßig
 garantierten Grundrechten überprüft werden können. Wie dringend die
 darin formulierten Kriterien für eine verbindliche Folgenabschätzung
 aller Gesetze sind, zeigt sich am aktuellen Beispiel der Novellierung
 zum Börsegesetz, das Anfang August in Kraft getreten ist. Dort wird
 die Ermittlung von Verkehrsdaten erstmals auf Verwaltungsdelikte
 ausgedehnt. Bislang waren solche Befugnisse nur im gerichtlichen
 Strafrecht vorgesehen. Neben diesem konkreten Gesetz hat der AKVorrat
 drei Bereiche identifiziert, die dringend neu gestaltet werden
 müssen: Das Telekommunikationsgesetz und die Durchlaufstelle, der
 Schutz der Träger von Berufsgeheimnissen und der automatisierte
 Datenabgleich ("Rasterfahndung").
Die heute veröffentlichte Version von HEAT trägt das Datum 9/11. In
 den 15 Jahren nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New
 York haben Regierungen in aller Welt mit Überwachungsgesetzen
 reagiert, die kaum geeignet sind, Terror oder organisierter
 Kriminalität zu begegnen, aber sehr oft elementare Rechte
 einschränken. Österreich bildet hier keine Ausnahme:
 Vorratsdatenspeicherung, Polizeiliches Staatsschutzgesetz oder der
 geplante Bundestrojaner sind nur einige Beispiele für überbordende
 Überwachungsbefugnisse, die oftmals ohne hinreichenden Rechtsschutz
 beschlossen werden. Generell ist festzustellen, dass die Behörden
 immer mehr Möglichkeiten bekommen, schon weit im Vorfeld von
 Straftaten in die Privatsphäre unschuldiger Menschen einzudringen.
Neuerdings darf sogar schon bei Verwaltungsdelikten überwacht werden.
 Mit der jüngsten Novelle des Börsegesetzes ist erstmals eine Auskunft
 über Daten einer Nachrichtenübermittlung bei einer vermuteten
 Verwaltungsübertretung, konkret beim Missbrauch von
 Insiderinformationen und Marktmanipulation, zulässig. Noch dazu hat
 der Gesetzgeber keine Grundlage für eine Beauskunftungsverpflichtung
 für Provider im Telekommunikationsgesetz (TKG 2003) geschaffen. "Das
 ist ein Dammbruch. Wir sehen uns mit einer Situation konfrontiert, in
 der die Politik Überwachungsgesetze im Blindflug beschließt", so
 Christof Tschohl, Obmann des AKVorrat und wissenschaftlicher Leiter
 des HEAT-Projekts. "Es zeigt sich einmal mehr, wie nötig eine
 systematische und fundierte Evaluation ist. HEAT ist die Basis dafür.
 Wir werden alles tun, damit es auch eingesetzt wird", so Tschohl
 weiter.
Grundlage für evidenzbasierte Sicherheitspolitik
Für die Politik ist HEAT ein Leitfaden zur Ausarbeitung
 grundrechtskonformer Gesetze und für eine Wirkungsorientierte
 Folgenabschätzung[1] die diese Bezeichnung tatsächlich verdient. Für
 zivilgesellschaftliche Initiativen bildet es eine Grundlage, sich
 fundiert in den Gesetzgebungsprozess einzubringen. Für die
 Gesellschaft ist es der Rahmen für eine Gesamtrechnung, die alle
 Überwachungsmaßnahmen in einer Gesamtschau bewertet. Die
 zugrundeliegende Methodik und die ausgearbeiteten Kriterien sind
 nicht nur auf Österreich anwendbar. Das Handbuch kann auch
 international eingesetzt werden. Der UN-Sonderberichterstatter für
 das Recht auf Privatsphäre Joseph Cannataci wird für die geplante
 Druckauflage ein Vorwort beisteuern, in dem er die internationale
 Bedeutung der Überwachungs-Gesamtrechnung hervorhebt.
Gleichgewicht von Freiheit und Sicherheit
"Es ist eine Ironie der Geschichte, dass staatliche Überwachung bei
 einer wachsenden Zahl von Menschen, die mit dieser Politik geschützt
 werden sollen, selbst terroristische Effekte erzeugt: die Angst immer
 und überall Opfer von staatlichen Angriffen auf die eigene
 Privatsphäre zu werden", so Reinhard Kreissl, CEO von VICESSE (Vienna
 Centre for Societal Security) und einer der Autoren von HEAT. Der
 AKVorrat hat es sich zur Aufgabe gemacht, hier gegenzusteuern und
 einen Beitrag zu einer lebendigen Demokratie zu leisten. Für diese
 braucht es Menschen, die ohne Angst vor Repression leben können. HEAT
 ist als Instrument für den Ausgleich von Freiheit und Sicherheit zu
 verstehen.
Umfassende Analyse
In der ersten Phase des Projekts wurden sämtliche Gesetze analysiert,
 die Überwachungsbefugnisse beinhalten. Die eingesetzten technischen
 Mittel wurden ebenso betrachtet wie die Praxis, was ihren
 tatsächlichen Einsatz betrifft. Dazu wurden mit Hilfe der Grünen und
 der NEOS parlamentarische Anfragen gestellt. Wo die Antworten nicht
 ausreichend waren, wurden eigene Recherchen angestellt, die das Bild
 vervollständigen sollten. Erst in einer Gesamtschau hinsichtlich
 Effektivität und begleitender Rechtsschutzmaßnahmen lässt sich eine
 Sicherheitspolitik gestalten, die ihr Ziel erreicht und dabei
 verhältnismäßig bleibt.
Polizeiliches Staatsschutzgesetz: HEAT im Praxiseinsatz
Mit HEAT liegt eine Gesamtbetrachtung der Situation in Österreich
 vor. Die ausgearbeiteten Kriterien wurden anhand der Entstehung des
 Polizeilichen Staatsschutzgesetzes und der beim
 Verfassungsgerichtshof eingebrachten Klage (Drittelbeschwerde der
 grünen und freiheitlichen Nationalratsabgeordneten) auf ihre
 Praxistauglichkeit überprüft.
Weiterentwicklung
HEAT ist ein lebendiges Instrument. In den nächsten Wochen und
 Monaten werden die einzelnen Inhalte für unterschiedliche
 Anwendungsfälle und Zielgruppen aufbereitet. Auch der
 Kriterienkatalog wird noch weiter verfeinert. Vor allem aber wird der
 AKVorrat den Dialog mit unterschiedlichen Stakeholdern aus Politik,
 Zivilgesellschaft und Verwaltung suchen. Das Handbuch ist keine rein
 theoretische Arbeit: Es muss zum Einsatz kommen.
Interdisziplinäre Arbeit
Das Handbuch wurde unter der wissenschaftlichen Leitung von Christof
 Tschohl erstellt. Ein interdisziplinäres Team von JuristInnen,
 TechnikerInnen sowie SozialwissenschaftlerInnen hat daran gearbeitet
 und wurde dabei von vielen Freiwilligen unterstützt, die
 Recherchearbeiten, Lektorat oder grafische Aufbereitung der Inhalte
 übernommen haben. Das Projekt wurde durch die "netidee" der
 gemeinnützigen Internet Foundation Austria (IPA) und viele
 Einzelspenden an den AKVorrat ermöglicht.
Version 1.1. von HEAT steht hier zum Download bereit:
 https://akvorrat.at/sites/default/files/heat_1.1_0.pdf
Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM / Originalbild-Service
 sowie im OTS-Bildarchiv unter http://bild.ots.at
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