• 05.09.2016, 10:58:40
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„Unzulässige Tatprovokation“ durch „Mystery Shopping“ in Arztpraxen

Polizei-Ermittler dürfen keine Taten provozieren – OGH-Verbot wirft auch bei „Mystery Shopping“ rechtliche Fragen auf

Utl.: Polizei-Ermittler dürfen keine Taten provozieren – OGH-Verbot
wirft auch bei „Mystery Shopping“ rechtliche Fragen auf =

Wien (OTS) - Dem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH), wonach
verdeckte Ermittler unbescholtene Personen zur Begehung einer
Straftat nicht verleiten dürfen, wird auch in der Ärztekammer große
Beachtung geschenkt. Denn die „unzulässige Tatprovokation“ ohne
„objektive Verdachtsmomente“ findet beim sogenannten „Mystery
Shopping“ ebenfalls statt. ****

Seit Einführung der „Mystery Shopping“-Richtlinie durch die
Krankenkassen können Kassenspitzel mit gefälschten Identitäten und
falschen Angaben Ärztinnen und Ärzte zu einer Straftat verleiten, und
das ohne jeglichen Anfangsverdacht. Bei der Polizeiarbeit gegen die
Drogenkriminalität hingegen darf nicht so einfach ermittelt werden,
das macht das jüngste Urteil des OGH (Geschäftszahl 2 Os 5/16a-10)
deutlich. Verdeckte Ermittler hätten sich demnach „auf eine im
Wesentlichen passive Ermittlung strafbarer Aktivitäten zu
beschränken“. Ihnen ist untersagt, „einen solchen Einfluss auf die
Person auszuüben, dass diese zur Begehung einer Tat verleitet wird,
die sie sonst nicht begangen hätte“. Liegt eine „unzulässige
Tatprovokation“ vor, ist zukünftig von der strafrechtlichen
Verfolgung abzusehen.

„Das Urteil bestätigt eindeutig, was wir seit Einführung von
„Mystery Shopping“ in den Ordinationen gesagt und wovor wir aus
rechtlicher Sicht gewarnt haben“, betont Wiens Ärztekammerpräsident
Thomas Szekeres: „Wir fordern das Parlament deshalb erneut auf, den
„Mystery Shopping“-Paragraphen ersatzlos zu streichen.“

Ähnlich sieht es auch Johannes Steinhart, Obmann der Kurie
niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien:
„Uns Ärztinnen und Ärzten kann jeder Krankenkassenfunktionär, wann
immer er will, Spione in die Ordinationen schicken. Dass dies nicht
nur ein Vertrauensbruch, sondern auch ein Rechtsbruch ist, wird nun
vom OGH-Urteil noch unterstrichen.“ Steinhart kritisiert, dass
Drogenhändler in Österreich aktuell mehr Rechte hätten als
niedergelassene Ärztinnen und Ärzte.

„Während die Polizeiarbeit nun klaren Regeln unterliegt, besitzt
der Spion einer Krankenkasse eine Macht, die fast an eine DDR 2.0.
erinnert“, empört sich Steinhart. „Polizei-Ermittler dürfen keine
Taten provozieren, aber Kassenspitzel können weiter unbescholtene
Ärztinnen und Ärzte zur Begehung einer strafbaren Handlung
verleiten“, lautet seine Kritik.

Rückenwind für Rechtsweg gegen „Mystery Shopping“

Das Urteil des OGH ist einmal mehr Bestätigung dafür, was der
Ärztekammer bereits von zwei Gutachten attestiert wurde: Der
Verfassungsrechtler Heinz Mayer sowie Alois Birklbauer vom Institut
für Strafrecht in Linz haben in ihren Gutachten der „Mystery
Shopping“-Regelung jeweils eindeutige Rechtswidrigkeit bescheinigt.
Mayer sieht den entsprechenden Paragraf 32a im ASVG und die darauf
aufbauende Richtlinie als „ohne Zweifel verfassungswidrig“ an, wenn
Krankenkassen ohne Anfangsverdacht Lockspitzel in die Ordinationen
schicken, um Ärztinnen und Ärzte zu Straftaten zu verleiten. Auch
Birklbauer führt in seinem Gutachten aus, dass verdeckte Ermittler
keine Tat provozieren dürften.

„Das alles bestätigt ganz klar, dass Methoden wie ‚Mystery
Shopping‘ bei der ärztlichen Qualitätskontrolle nichts verloren
haben. Solche Mittel vergiften nicht nur die
Arzt-Patienten-Beziehung, sie vergiften auch den Rechtsstaat“, so
Steinhart, für den das Urteil des OGH beispielhaft ist: „Das Urteil
gibt uns zusätzlich Rückenwind für einen angestrebten Rechtsweg und
stärkt unsere Forderung an die Politik den Spitzel-Paragraphen sofort
abzuschaffen.“ (lsd)

(S E R V I C E – Den Entscheid des OGH finden Sie online unter
http://www.aekwien.at/aekmedia/160905_OGH12Os5-16a.pdf)

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