• 20.07.2016, 08:00:01
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  • OTS0001 OTW0001

Österreichs Telefonzellen als "Staatsgeheimnis"

Eine Verordnung regelt die Zahl der Telefonzellen-Standorte in Österreich. Trotzdem sind hunderte öffentliche Sprechstellen verschwunden.

Utl.: Eine Verordnung regelt die Zahl der Telefonzellen-Standorte in
Österreich. Trotzdem sind hunderte öffentliche Sprechstellen
verschwunden. =

Wien (OTS) - In Österreich gibt es laut A1 Telekom immer noch rund
14.000 Telefonzellen. Warum das so ist? Die Republik Österreich
verpflichtet die mehrheitlich private A1 Telekom (59,7 % im Besitz
der América Móvil), zumindest jenen Stand an Versorgung mit
öffentlichen Sprechstellen aufrechtzuerhalten, der am 1. Jänner 1999
gegeben war. Mit dieser sogenannten "Universaldienstverordnung" (UDV)
wollte der Staat sichergehen, dass kein Kahlschlag bei der
öffentlichen Versorgung entsteht.

Niemand kontrollierte Regel

Für die Überprüfung dieser Verordnung wäre die staatliche
Telekom-Regulierungsbehörde (RTR) zuständig. Die staatlichen
„Wächter“ der Telefonzellen wissen aber laut eigenen Angaben weder,
wie viele Telefonzellen 1999 standen, noch wo sie heute noch stehen.
Eine Überprüfung fand laut Aussage der RTR noch nie statt. Wie auch?
Um eine derartige Kontrolle überhaupt durchführen zu können, müsste
wohl eine Liste der genauen Standorte vorliegen. Tut sie aber laut
Anfragebeantwortung nicht. Stattdessen deuten die staatlichen Stellen
die Verordnung so, dass die Anzahl der Telefonzellen-Standorte für
die flächendeckende Versorgung gar nicht relevant sei. (Siehe
Anfragebeantwortung im Anhang)

Namhafte Rechtsexperten sind da allerdings klar anderer Meinung. Im
Kommentar zum Telekommunikationsgesetz 2003 schreiben etwa die
Juristen Wolfgang Feiel und Hans Peter Lehofer auf Seite 111: Die
Flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Sprechstellen als Teil
des Universaldienstes ist zunächst in §24 UDV dahingehend geregelt,
dass "bezogen auf den betreffenden Standort und unter
Berücksichtigung des dortigen Bedarfes" zumindest der Grad der
Versorgung aufrechtzuerhalten ist, der am 1. Jänner 1999 bestanden
hat; dies bedeutet, dass der Universaldiensterbringer zulässiger
Weise jedenfalls "Mehrfachzellen" reduzieren konnte, nicht aber die
Anzahl an Standorten.

Standorte als "Staatsgeheimnis"

Generell wird aus den Standorten der Telefonzellen in Österreich ein
"Staatsgeheimnis" gemacht. Auf Anfrage der Regionalmedien Austria
teilt die Telekom mit, die Standorte der angeblich 14.000 betriebenen
Zellen nicht veröffentlichen zu wollen. Ministerium und RTR erklären
sich für unzuständig. Die Regulierungsbehörde verwies gar auf ein
"Betriebsgeheimnis" der Telekom. Seit acht Monaten winden sich
sämtliche Stellen wie Aale ob der Beantwortung einer simplen Frage:
Wo sind im Bundesgebiet Telefonzellen zu finden? Eine Info, die
eigentlich als Kundenservice auf jeder Gemeindehomepage zu finden
sein sollte. Selbst das Hohe Haus blitzte mit dem Versuch ab,
konkrete Standorte zu erfahren – eine parlamentarische Anfrage blieb
diesbezüglich ohne greifbare Antwort.

Bermuda-Dreieck der Zellen

Stellt sich die Frage, warum bei der Verschleierung der Standorte ein
Aufwand betrieben wird, als wären es Raketensilos im Kalten Krieg?
Könnte es sein, dass es tatsächlich weniger Standorte als 1999 gibt?
Die Regionalmedien Austria beschlossen, der Sache auf den Grund zu
gehen. In 80 Bezirken schwärmten unsere Redakteure aus. In der
größten akkordierten journalistischen Recherche der Republik fanden
86 Redakteure mehr als 300 Standorte, an denen Zellen seit 1999
verschwunden sind. Es scheint, als sei die Alpenrepublik ein
regelrechtes "Bermuda-Dreieck" für Münzer. Eine Karte mit den
verschwundenen Standorten finden Sie im Internet unter
meinbezirk.at/telefonzellen

Insider bestätigen Verdacht

Die Regionalmedien Austria haben diese Rechercheergebnisse in einer
Sachverhaltsdarstellung ans Infrastrukturministerium und die
Telekom-Regulierungsbehörde mit der Bitte um Prüfung übergeben.
Während unserer seit November 2015 laufenden Recherchen meldeten sich
zahlreiche Informanten, die den Verdacht des Telefonzellen-Schwundes
bestätigten. Ein Insider aus der Telekom-Branche: "Tatsächlich
handelt es sich um totes Recht. Niemand braucht mehr so viele
Telefonzellen, aber man hatte bislang nicht den politischen Mut, die
Verordnung abzuändern, weil man Proteste fürchtete. Darum ist man den
österreichischen Weg gegangen und hat nicht überprüft."

Zellen-Kahlschlag geplant

Vor Kurzem hat das Infrastrukturministerium nun doch einen Entwurf
zur Änderung der Universaldienstverordnung vorgestellt. Darin soll
die Zahl der Sprechstellen völlig neu geregelt werden. Konkret: In
Gemeinden bis 1.500 Einwohner muss nur noch ein Münzer vorhanden
sein. Bis 3.000 Einwohner wären zwei an verschiedenen Standorten
vorgeschrieben. In größeren Gemeinden käme dann pro 3.000 Einwohner
eine weitere Telefonzelle dazu. Konkret bedeutet das: In einer Stadt
wie Krems (23.898 Einwohner) würde sich die Zahl von derzeit 42 auf 8
reduzieren. In ganz Österreich würden laut Experten von derzeit
14.000 Telefonzellen nur rund 6.000 bleiben.
Die Regionalmedien Austria stellen im Sinne der Transparenz sämtliche
Rechercheergebnisse, Schriftstücke und eine interaktive Karte mit den
Geodaten verschwundener Sprechstellen für weiterführende Recherchen
zur Verfügung.

Links zu den Dokumenten

Beantwortung Parlamentarische Anfrage zu Telefonzellen:
http://bit.ly/29OzNNK

Beantwortung einer Anfrage nach Auskunftspflichtgesetz an die RTR:
http://bit.ly/29SWPrr

Sachverhaltsdarstellung an die Telekom Regulierungsbehörde und das
BMVIT:

http://bit.ly/2a3hgQW
http://bit.ly/2a5KONv

Liste der verschwundenen Telefonzellen-Standorte:
http://bit.ly/29SVCjV

Die Bezirksblätter Niederösterreich, eine Marke der RMA, erscheinen
wöchentlich mit 29 Regionalausgaben.

RMA – Regionalmedien Austria AG:

Die RMA AG steht österreichweit für lokale Nachrichten aus den
Regionen und vereint unter ihrem Dach insgesamt 129 Zeitungen der
Marken bz-Wiener Bezirkszeitung, Bezirksblätter Burgenland,
Niederösterreich, Salzburg und Tirol, meine WOCHE Kärnten und
Steiermark, der Kooperationspartner Bezirksrundschau Oberösterreich
und Regionalzeitungen Vorarlberg sowie acht Zeitungen der Kärntner
Regionalmedien und den Grazer. Im digitalen Bereich bieten die
Portale meinbezirk.at und grazer.at lokale und regionale Inhalte.
Ergänzend dazu stellt die RMA mit der Mini Med Veranstaltungsreihe,
dem Magazin Hausarzt und gesund.at umfangreiche
Gesundheitsinformationen zur Verfügung.

Weiterführende Links:

Bezirksblätter Niederösterreich: www.meinbezirk.at/niederoesterreich
Regionalmedien Austria AG: www.regionalmedien.at

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