Kleine Wohneinheiten und professionelle Betreuung fördern die Integration von Flüchtlingen, Großquartiere behindern sie
Utl.: Kleine Wohneinheiten und professionelle Betreuung fördern die
Integration von Flüchtlingen, Großquartiere behindern sie =
Graz (OTS) - Eine aktuelle Studie beleuchtet die Erfahrungen
österreichischer Gemeinden bei Flüchtlingen. Sie bestätigt unter
anderem, was der steirische Sozialdienstleister Jugend am Werk
bereits seit über einem Jahr flächendeckend umsetzt: Werden
Flüchtlinge in kleineren Wohneinheiten mit professioneller Betreuung
untergebracht, bringt dies entscheidende Vorteile. Die Unterbringung
in Zelten, Containerdörfen etc. ermöglicht zwar kurzfristig
Entlastung, hindert in Summe jedoch die Integration.
Vorgelegt wurde die bisher größte Studie zum Thema „Asylbetreuung in
Gemeinden“ Mitte Juni von Flüchtlingskoordinator Christian Konrad und
Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer, durchgeführt wurde sie von
der Gfk Austria unter der Leitung von Rudolf Bretschneider. Mehr als
900 (von insgesamt 2.100) Gemeinden haben daran teilgenommen, die
Befragungen wurden im April 2016 durchgeführt. So ist u.a. zu lesen,
dass die „Kleinheit der Betreuungseinheiten ein ganz wichtiger
Erfolfgsfaktor war und ist.“ Mödlhammer weiter: „In aller Regel gibt
es nur bei großen Quartieren Vorbehalte und Probleme“. Neben der
Verfügbarkeit der Quartier-Angebote sei aber auch die dafür nötige
Betreuungsstruktur der NGOs ein wichtiger Faktor, so die Studie
weiter.
Persönlicher Kontakt nimmt Vorurteile und Angst
Für den steirischen Sozialdienstleister Jugend am Werk ist die Studie
richtungsweisend, wenngleich die Ergebnisse wenig überraschen: „Wir
haben von Beginn an im Sinne einer menschenwürdigen Unterbringung und
eines raschen Vorurteilsabbaus auf kleine Wohneinheiten statt
Großquartiere gesetzt,“ erklärt Geschäftsführer Walter Ferk. „Das
Jugend am Werk-Modell ist einzigartig in Österreich in dieser Form
und unsere Erfahrung zeigt, dass unser Weg der richtige ist.“ Das
Bretreuungskonzept „Privatspähre statt Containerfeeling“, und zwar
flächendeckend in der gesamten Steiermark geht auf, wie etwa am
Beispiel der 11.000 Einwohner-Stadt Deutschlandsberg zu sehen ist.
In Deutschlandsberg betreut Jugend am Werk derzeit 33 unbegleitete
junge Flüchtlinge (UMF), dh junge Burschen und Mädchen, die ohne
Eltern nach Österreich gekommen sind. Teamleiterin Christiane Smaal
erklärt die Gründe, warum es funktioniert: „Unsere Jugendlichen
wohnen in kleinen WGs Tür an Tür mit den Einheimischen. Man sieht
sich, man lernt sich kennen, man kommt ins Gespräch. Und plötzlich
sieht man den Menschen, der eine traumatische Flucht hinter sich hat.
Integration passiert dann ganz von selbst.“ Dazu kommt, dass die
Jugendlichen intensiv betreut werden, sieben Tage die Woche, von acht
bis 20 Uhr persönlich, darüber hinaus via Rufbereitschaft. Smaal:
„Bei uns kommen auf fünf Jugendliche ein Betreuer bzw. eine
Betreuerin.“ Die BetreuerInnen sind enge Vertrauenspersonen, viele
Probleme können auf diese Weise frühzeitig erkannt und entschärft
werden.
Heimat auf Zeit
Mansoore (16) ist eine dieser Mädchen, die in Deutschlandsberg auf
eine neue Zukunft hoffen. Sie ist aus Afghanistan über den Iran nach
Österreich geflohen. Derzeit besucht sie gemeinsam mit zwei weiteren
Mädchen eine Orientierungsklasse für minderjährige AsylwerberInnen an
der Modeschule Graz. Im Rahmen dieses Projektes können sie an einem
Unterricht teilnehmen, obwohl sie nicht mehr schulpflichtig sind.
„The biggest problem is the language.“ – Die Sprache stellt
nachweislich für die meisten Flüchtlingen die größte Herausforderung
dar, die es zu bewältigen gilt. Aus diesem Grund stehen auch bei
Jugend am Werk intensive Sprach- und Wertekurse sowie allgemeine
Informationen zum Thema Asyl an der Tagesordnung. Am Wichtigsten sei
jedoch laut Smaal die emotionale Stütze, die sie durch ihre jeweilige
Bezugsperson erfahren. Smaal: „Die Jugendlichen sind traumatisiert,
leben in einem fremden Land ohne Eltern. Bis zum Ausgang ihres
Asylverfahrens, und das kann ein Jahr oder länger dauern, müssen sie
warten. In ihrer Wohnung haben Sie zumindest kurzfristig ein Ankommen
und etwas Privatsphäre. Das wirkt sich positiv auf alle Beteiligten
auf und bringt auch Vorteile für die Gemeinde.“
Denn meist wird auf bestehenden bzw. revitalisierten Wohnraum
zurückgegriffen, hohe Kosten für Sicherheitspersonal und
Instandhaltungen fallen weg. Die Flüchtlinge werden auf diese Weise
nicht an die Peripherie der Gesellschaft gedrängt, sondern können in
ihrer Mitte leben, was wiederum die Integration fördert.
Zu diesem Ergebnis kommt auch die Studie. Flüchtlingskoordinator
Konrad ist überzeugt: „Begegnung nimmt Angst – und, wenn der
Bürgermeister hier vorangeht, folgt ihm auch die Gemeinde.“ Im Falle
von Deutschlandsberg trifft dies jedenfalls zu 100 % zu.
Bürgermeister Helmut Wallner: „Die Jugendlichen sind präsent, werden
wahrgenommen, sie kennen nicht nur ihre Rechte, sondern auch ihre
Pflichten. So werden sie etwa auch für gemeinnützige Beschäftigung
eingesetzt. Wir merken ganz deutlich, dass die Bereitschaft der
Bevölkerung, die Mädels und Burschen zu unterstützen und mit ihnen zu
leben, steigt. Und Probleme mit Kriminalität oder
Sittlichkeitsverstößen haben wir so gut wie gar nicht.“
Links:
www.jaw.or.at http://www.ots.at/redirect/gemeindebund
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