Folgen einer „Kunststoff-Fastenkur“ an der MedUni Wien erstmals untersucht
Utl.: Folgen einer „Kunststoff-Fastenkur“ an der MedUni Wien
erstmals untersucht =
Wien (OTS) - Der bekannte Dokumentarfilm „Plastic Planet“ von Werner
Boote zeigt schonungslos die Gefahren von Plastik und synthetischer
Kunststoffe für den Menschen auf und auch, wie allgegenwärtig Plastik
ist. Motiviert durch den vielfach ausgezeichneten Film hat eine
fünfköpfige Familie aus der Steiermark im privaten Haushalt
monatelang radikal auf Kunststoffe verzichtet. UmweltmedizinerInnen
der MedUni Wien haben sie dabei begleitet und am Beginn und nach zwei
Monaten Harnproben analysiert. Das zentrale Ergebnis dieser
Humanbiomonitoring-Studie: Selbst wenn man im eigenen Haushalt so
weit wie möglich auf Kunststoffprodukte verzichtet, ist ein gewisses
Maß an Belastung durch Chemikalien durch die Umwelt unvermeidlich.
Die Studie wurde nun im Top-Journal „Environmental Research“
veröffentlicht.
Familie K. hat ab Mitte November 2009 begonnen, sich von Kunststoffen
im eigenen Haus zu befreien, ein weltweit bisher einzigartiges
Experiment. Alle Kunststoffprodukte des täglichen Lebens wurden –
soweit es möglich war – durch entsprechende kunststofffreie Produkte
ersetzt. Bis hin zu Zahnbürsten aus Holz mit Tierhaar-Borsten
(Schweineborsten). Zugleich wurde radikal darauf geachtet,
Lebensmittel nur dann zu essen, wenn sie vorher nicht oder nur kaum
mit Kunststoff in Berührung gekommen waren.
“Die Kunststoffproblematik ist äußert vielfältig. Es betrifft
Zusatzstoffe wie Weichmacher (Anm.: Phthalate), aber auch
Flammschutzmittel, Duft- oder Farbstoffe. So können Phthalate bereits
in sehr geringen Konzentrationen essenzielle biologische Prozesse wie
Enzymaktivitäten oder das Hormonsystem beeinflussen“, erklärt
Hans-Peter Hutter vom Institut für Umwelthygiene der MedUni Wien.
„Mit dieser Humanbiomonitoring-Studie wollten wir klären, ob sich
durch einen radikalen Verzicht die innere Belastung verändert.“
Innere Belastung bleibt bestehen
Zu Beginn des Experiments und nach einer zweimonatigen Zeit mit
privater Kunststoffvermeidung – in Arbeit und Schule war das nur in
weitaus geringerem Ausmaß möglich – wurden 14 gesundheitsrelevante
Phthalat-Metabolite und Bisphenol A (BPA) im Morgenharn gemessen. Das
Ergebnis: Selbst wenn auf privater Ebene jede mögliche Berührung mit
Kunststoffen vermieden wird, bleibt eine bestimmte innere Belastung
bestehen, die Gesundheitseffekte sind eher gering. Hutter: „Das
Experiment und die Studie zeigen: Wir haben keine Chance, dieser
Belastung zu entkommen.“ Zudem handelt es sich bei der Familie um
eine bereits zuvor sehr auf einen gesunden Lebensstil sensibilisierte
Gruppe, bei der die Belastung durch Plastik von Anfang an
unterdurchschnittlich gering war. Umso geringer waren die positiven
Effekte der Kunststoffvermeidungs-Aktion auf die innere Belastung.
Hutter: „Es war bei ihnen eine weitere, nachhaltige Absenkung der
Konzentration dieser allgegenwärtigen Stoffe praktisch nicht mehr
möglich.“
Härtere Chemikalienpolitik gefordert
Daher sei es von großer Wichtigkeit, betonen die
UmweltmedizinerInnen, die Anstrengungen für eine restriktivere
Chemikalienpolitik weiter zu intensivieren, um Kunststoffe im Alltag
vermeiden zu helfen – nicht nur wegen verschiedener
gesundheitsbedenklicher Stoffe, auch wegen der Müllvermeidung und der
weiteren Verbreitung in der Umwelt (Stichwort: Mikroplastik). Hutter.
„Schon z.B. die Verwendung von Mineralwasserflaschen aus Glas
verursacht weniger ökologische Schäden als der Gebrauch von
Plastikflaschen.“
Teilweise ist die jeweilige gesundheitsschädliche Belastung durch das
Einzelprodukt sogar sehr gering, so Hutter. Das sei auch stets die
Argumentation der einzelnen Unternehmen. „Was aber entscheidend ist,
ist die Summe der Belastungen durch die allgegenwärtigen Kunststoffe.
Die ist heutzutage hoch.“ Neben den Weichmachern (Phthalaten) gehören
u.a. andere sogenannte Industriechemikalien wie Polybromierte
Diphenylether, Nonylphenol und Bisphenol A zu den problematischen
Substanzen, die im Zusammenhang mit Kunststoffen zu sehen sind. Ein
Forschungsgebiet, mit dem sich UmweltmedizinerInnen der MedUni Wien
und WissenschafterInnen des Zentrums für Public Health der MedUni
Wien seit langem beschäftigen.
Kein Heim für Plastik
Unter dem Link http://www.keinheimfuerplastik.at/ ist in einem Blog
der Familie genau nachzulesen, welche Probleme auftauchen, wenn man
radikal Plastik vermeiden möchte – egal ob beim Einkaufen, in der
Küche oder beim Spielzeug.
Infos zum Film: www.plasticplanet-derfilm.at.
Service: Environmental Research
“Life without plastic: A family experiment and biomonitoring study.”
Hutter H-P, Kundi M, Hohenblum P, Scharf S, Shelton JF, Piegler K,
Wallner P (2016): A family experiment and biomonitoring study.
Environmental Research pii: S0013-9351(16)30199-2. doi:
10.1016/j.envres.2016.05.028. [Epub ahead of print].
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