• 07.07.2016, 15:07:01
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Nationalrat: Pflegeberufe werden auf moderne Beine gestellt

Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz bringt dreistufige Ausbildung

Utl.: Novelle zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz bringt
dreistufige Ausbildung =

Wien (PK) - Mit einem umfangreichen Gesundheitsblock setzte der
Nationalrat heute seine Beratungen fort. Im ersten Teil stand
zunächst eine umfangreiche Novelle des Gesundheits- und
Krankenpflegegesetzes (GuKG) auf der Tagesordnung, die in der Fassung
eines S-V-G-Abänderungsantrags mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen
und des fraktionslosen Abgeordneten Marcus Franz beschlossen wurde.
Das GuKG sieht im Wesentlichen eine dreistufige Ausbildung vor, wobei
neben der Pflegeassistenz (früher Pflegehilfe) und dem gehobenen
Dienst (diplomiertes Personal) die so genannte Pflegefachassistenz
als Zwischenstufe neu eingeführt wird. Durch klare
Kompetenzregelungen gehören Konflikte über die jeweilige
Zuständigkeit nun der Vergangenheit an, erklärte Bundesministerin
Sabine Oberhauser. Sie sei stolz darauf, dass nach langwierigen
Verhandlungen ein guter Kompromiss gefunden wurde, der eine hohe
Ausbildungsqualität, verbesserte Karrierechancen vor allem für Frauen
und eine optimale Versorgung der Patienten gewährleistet.

Mit in Verhandlung standen auch eine Reihe von Oppositionsanträgen,
die jedoch alle keine Mehrheit fanden. Während das Team Stronach für
eine Zusammenführung aller öffentlichen Spitäler plädierte, forderten
die NEOS aus Gründen der Solidarität die Abschaffung der
Krankenfürsorgeanstalten. Von den Grünen wiederum kamen Vorschläge,
die auf eine bessere Überwachung von freiheitsbeschränkenden
Maßnahmen in der Psychiatrie (z.B. Einführung eines Zentralregisters)
sowie auf die Ausarbeitung von baulichen bzw. architektonischen
Mindestanforderungen für psychiatrische Einrichtungen abzielten.

Notwendig waren auch Änderungen im - einstimmig angenommenen -
Tierärztegesetz, da die verpflichtenden Mindesttarife in der
Honorarordnung laut Auffassung der EU-Kommission eine Einschränkung
der Dienstleistungsfreiheit darstellten.

SPÖ: Pflegeberufe werden an die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts
angepasst

SPÖ-Mandatar Erwin Spindelberger war überzeugt davon, dass mit der
GuKG-Novelle eine für alle Beteiligte akzeptable Lösung gefunden
wurde, die einen wichtigen Beitrag zur optimalen Versorgung der
PatientInnen leistet. Kern der Reform sei ein dreigliedriges
Ausbildungsmodell, durch das auch in Zukunft eine hohe Qualität
gewährleistet ist. So werde etwa die bisherige Pflegehilfe zur
Pflegeassistenz, die weiterhin mit einer einjährigen Ausbildung
verbunden ist, aufgewertet. Außerdem komme es zu einer generellen
Aktualisierung des Berufsbildes und einer Anpassung an die
Erfordernisse der Praxis (Stichwort: Langzeitpflege). Eine
zweijährige Ausbildung ist für die Pflegefachassistenz, die den
gehobenen Dienst entlasten soll, vorgesehen, informierte
Spindelberger. Beim gehobenen Dienst wird es zu einer Akademisierung
der Ausbildung kommen, wobei aus organisatorischen Gründen eine lange
Übergangsfrist bis 2024 festgelegt wurde.

Ulrike Königsberger-Ludwig erwartete sich verbesserte Karrierechancen
für das Pflegepersonal, da die Durchlässigkeit massiv erhöht wird. Im
Rahmen einer Ausschussfeststellung wurde das Gesundheitsministerium
noch beauftragt, gemeinsam mit den Behindertenverbänden und
Trägerorganisationen auszuarbeiten, wie pflegerische Tätigkeiten im
Behindertenbereich durchzuführen sind. Ein von ihr eingebrachter S-V-
G-Abänderungsantrag enthielt Klarstellungen in Bezug auf die Hospiz-
und Palliativversorgung. Ihr Fraktionskollege Dietmar Keck nahm noch
zur Änderung des Tierärztegesetzes Stellung, das im Grunde eine
Anpassung an die EU-Dienstleistungsrichtlinie darstellt. Andernfalls
hätte man ein Vertragsverletzungsverfahren riskiert.

ÖVP: Ausgewogenes und international herzeigbares Gesetz

Nach 20 Jahren war ein Facelift mehr als notwendig, erklärte Erwin
Rasinger (V), der von einem "Jahrzehntegesetz" sprach. Wenn man sich
allein die Tatsache vor Augen hält, dass sich in den nächsten 15
Jahren die Zahl der 85-Jährigen mehr als verdoppeln wird, dann
verstehe jeder Laie, dass ein großer Pflegebedarf auf die
Gesellschaft zukommt. Seiner Ansicht wurde eine sehr ausgewogene
Lösung gefunden, die eine klare Kompetenzzuteilung enthält und somit
die Streitigkeiten am Krankenbett - wer macht was - beendet. Sein
Parteikollege Johann Singer (V) erhoffte sich durch die Neuerungen
eine Attraktivierung und Aufwertung der Pflegeberufe, die u.a. in der
Akademisierung der Ausbildung des gehobenen Dienstes zum Ausdruck
komme. Für die Pflegefachassistenz werde der Zugang zur
Berufsreifeprüfung ermöglicht.

Für Menschen mit Behinderung sei es noch viel wichtiger von Personen
betreut zu werden, zu denen sie ein gutes Vertrauensverhältnis haben,
unterstrich Franz-Joseph Huainigg (V). Er glaube, dass im Ärztegesetz
eine gute Regelung gefunden wurde, die u.a. sicherstelle, dass
BetreuerInnen in manche Tätigkeiten eingeschult und ärztliche
Maßnahmen delegiert werden dürfen. Er sei daher froh, dass die
Ministerin die Bereitschaft signalisiert habe, dies auch im
pflegerischen Bereich umzusetzen. Auch für pflegebedürftige Kinder
sollte noch eine Regelung gefunden, die auch PädagogInnen
entsprechende Unterstützungsleistungen erlaubt, wünschte sich
Huainigg.

FPÖ-Kritik: Billiges Personal für die Krankenhauserhalter

Deutlich skeptischere Worte wurden von Seiten der FPÖ-VertreterInnen
geäußert. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) befürchtete etwa, dass die
"billigeren PflegefachassistentInnen" in Zukunft jene Arbeiten
übernehmen müssen, die bisher vom diplomierten Personal geleistet
wurden. Man habe den Eindruck, dass das neue Gesetz auf Wunsch der
Krankenhausträger zustande gekommen ist. Den Grünen warf sie vor,
wieder einmal Steigbügelhalter für die Regierung gespielt zu haben,
da für den Beschluss eine Zweidrittelmehrheit erforderlich war.

Andreas Karlsböck sprach ebenso wie seine Vorrednerin von einer "Lex-
KAV", weil dem Krankenanstaltenverbund offensichtlich das Geld
ausgegangen ist. Er war zudem der Auffassung, dass sich die einzelnen
Berufsbilder überschneiden und in der Praxis kaum voneinander
abzugrenzen sind. Auch die angestrebte "Pseudo-Akademisierung" werde
weder den PatientInnen noch dem Pflegepersonal nutzen. Massive Kritik
übte er daran, dass nichts gegen die langen Wartezeiten bei MRT- und
CT-Untersuchungen unternommen wird, worunter vor allem schwerkranke
Menschen zu leiden hätten. Dazu brachte er auch einen entsprechenden
Entschließungsantrag ein. Wenn man die dafür zuständigen Institute
ordentlich dotieren und in Ruhe arbeiten ließe, würde es keine
Engpässe geben. Karlsböck trat dafür ein, die "unsägliche Deckelung"
der Kosten abzuschaffen. Josef Riemer (F) ging noch kurz auf die
Änderungen im Tierärztegesetz ein und hielt einen flammenden Appell
zur Bekämpfung von Tierquälerei.

Grüne: Grundsätzliche Zustimmung zum Gesetz, aber auch Bedenken

Eva Mückstein (G) verteidigte die Zustimmung der Grünen zu diesem
Gesetz, da die Novelle aus ihrer Sicht umfangreiche Verbesserungen
und durch die Akademisierung des gehobenen Dienstes den Anschluss an
internationale Standards bringt. Österreich sei ohnehin ein sehr
"ärztelastiges Land", meinte Mückstein, man müsse daher dafür sorgen,
dass das Pflegepersonal seine Kompetenzen auch wirklich einbringen
kann. Auch im Hinblick auf die Primärversorgung sei es wichtig, den
Beruf aufzuwerten, da das Pflegepersonal dabei eine tragende Rolle
spielen werde. Neben diesen Vorteilen sah die Rednerin aber auch die
mögliche Gefahr, dass kürzer ausgebildete Pflegepersonen, die
natürlich dann auch billiger sind, vermehrt eingesetzt werden.
Abgesehen davon, dass das Personal in massive
Überforderungssituationen geraten könnte, würde dann generell die
Versorgungsqualität der PatientInnen leiden, warnte Mückstein. Judith
Schwentner (G) befasste sich vor allem mit der Langzeitpflege, wo
sehr schwierige Arbeitsbedingungen herrschen. Mückstein brachte
diesbezüglich einen Entschließungsantrag ein, in dem u.a.
einheitliche Mindeststandards für den Personaleinsatz von
Pflegekräften gefordert werden; der Anteil des gehobenen Dienstes
müsse jedenfalls bei 50% liegen. Außerdem wird die
Gesundheitsministerin aufgefordert, bis spätestens Ende 2016
Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass die Wartezeiten der
PatientInnen auf MRT- und CT-Untersuchungen kürzer werden bzw. in
medizinisch dringenden Fällen sofort untersucht werden.

NEOS sprechen von vergebener Chance und treten für Abschaffung der
Krankenfürsorgeanstalten ein

Von einem Jahrzehntegesetz könne man wohl nicht reden, meinte NEOS-
Vertreter Gerald Loacker, da bei weitem nicht alle Chancen genutzt
worden sind, die die Reform geboten hätte. So gebe es noch immer
keine klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen den Ärzten und den
Pflegekräften, was etwa bei der Frage der Weiterverordnung von Hilfs-
und Heilmitteln deutlich werde. Überdies ging er auf seinen Antrag
zur Abschaffung der Krankenfürsorgeanstalten auf Länderebene ein.
Dies wäre ein erster wichtiger Schritt, um für mehr Gerechtigkeit im
System, im dem es sicher bessergestellte Personengruppen richten
können, zu sorgen.

Seine Fraktionskollegin Claudia Angela Gamon befasste sich mit den
Anträgen der Grünen zur Verbesserung der psychiatrischen Versorgung,
die grundsätzlich richtige und wichtige Forderungen enthalten. Die
Behandlungsengpässe treffen vor allem jene mit voller Wucht, die sich
nicht wehren können, nämlich Kinder und Jugendliche.
Bedauerlicherweise werde aber über diese Anliegen keine seriöse
Debatte geführt.

Team Stronach fordert zentrale Steuerungsstelle für die öffentlichen
Spitäler

Auch Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (T) teilte die Kritik, wonach
die Gefahr bestehe, dass aus Kostengründen nun weniger gut
ausgebildetes Personal zum Einsatz kommt. Ihre Fraktion könne daher
der Novelle nicht zustimmen. Unter Bezugnahme auf den
Entschließungsantrag ihrer Fraktion, der auf eine Zusammenführung
aller öffentlichen Spitäler zu einem Krankenhausverbund abzielt,
unterstrich die Rednerin, dass eine solche Reform dringend und
zwingend notwendig wäre. Die zahlreichen Vorteile auf medizinischer,
kaufmännischer und technischer Ebene lägen auf der Hand, sie reichen
u.a. von einer transparenteren Darstellung der Kosten, einem
koordinierten und bundesweit abgestimmten Personaleinsatz sowie einer
besseren Allokation der Ressourcen im Sinne von regionaler bzw.
lokaler Über- und Unterversorgung. Leopold Steinbichler (T) wiederum
konzentrierte sich in seiner Wortmeldung auf die Änderungen im
Tierärztegesetz. Man sollte sich generell überlegen, wie man die
Materie bereinigen und praxisfremde Bestimmungen abschaffen könne.

In Anlehnung an das Motto von Bundeskanzler Kern forderte Marcus
Franz (o.F.) einen "new deal" in der Gesundheitspolitik. Orientieren
könnte man sich dabei an Ländern wie Dänemark, das vor kurzem
beschlossen hat, in den nächsten Jahren zusätzliche fünf Mrd. € in
das Gesundheitssystem zu investieren. Die heimischen Probleme, die
von der Zersplitterung der Kompetenzen, divergierenden föderalen
Interessen bis hin zur ungleichen Versorgungsqualität reichen, seien
seit Jahrzehnten bekannt, getan werde aber nichts. In einem ersten
wichtigen Schritt müssten alle 88 öffentlichen Spitäler zu einem
Krankenhausverbund zusammengeführt werden, regte Franz an. Außerdem
sollte man Anreize dafür schaffen, dass nicht nachbesetzte
Kassenarztordinationen wieder von jungen MedizinerInnen übernommen
werden. Ein großes Anliegen war ihm die Palliativversorgung, die
endlich ausreichend dotiert werden müsse. Der GuKG-Novelle werde er
zustimmen, weil damit eine deutliche Aufwertung der Pflege und eine
Entlastung der Ärzteschaft einhergehe.

Die Änderungen im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz könnten dazu
führen, dass die MitarbeiterInnen des gehobenes Dienstes zunehmend
Verwaltungsaufgaben erledigen und nicht mehr direkt zu PatientInnen
gehen, befürchtete Rupert Doppler (o.F.).

Oberhauser wehrt sich gegen unsachliche Kritik und kündigt
Evaluierungsbericht an

Bundesministerin Sabine Oberhauser zeigte sich erfreut darüber, dass
heute die GuKG-Novelle beschlossen werden kann, zumal seit vielen
Jahren an einer Reform der Ausbildung in der Gesundheits- und
Krankenpflege gearbeitet wurde. Sie sei stolz darauf, weil es sich um
einen guten Kompromiss handle, der nicht nur eine hohe
Ausbildungsqualität gewährleistet, sondern vor allem eine optimale
und bedarfsorientierte Versorgung der PatientInnen sicherstellt. Ein
positiver Aspekt sei die Durchlässigkeit zwischen den Pflegeberufen,
was die Karrierechancen - vor allem von Frauen - erhöhe. Im
besonderen hob Oberhauser auch die klaren Kompetenzregelungen hervor.
Auch aus eigener persönlicher Erfahrung wisse sie, dass es in der
Praxis oft zu Unstimmigkeiten am Krankenbett gekommen ist, weil nicht
klar war, "wer darf was". Darunter litt nicht nur das allgemeine
Arbeitsklima, sondern vor allem die PatientInnen, die auf ihre
Behandlungen warten mussten.

Den KritikerInnen entgegnete Oberhauser, dass sie die Befürchtungen
der InteressensvertreterInnen immer sehr ernst nehme. Aus diesem
Grund habe man sich z.B. dafür entschieden, nach einigen Jahren eine
umfangreiche Evaluierung durchzuführen. Die Behauptungen von Seiten
einiger Betriebsräte, wonach manche Pflegekräfte, die kranke Menschen
betreuen eine schlechtere Ausbildung haben als TierpflegerInnen,
bezeichnete die Ministerin jedoch als ungehörig. Während die
Tierpflege schon immer eine Lehrberuf war, hat man in der
Gesundheits- und Krankenpflege eine modulare Ausbildung. Einjährig
Ausgebildete gibt es seit vielen Jahren und sie leisten eine sehr
gute und wichtige Arbeit, betonte die Ressortchefin.

FPÖ-Abgeordnetem Karlsböck gegenüber stellte Oberhauser fest, dass
eine CT-Untersuchung in den USA ca. 10.000 Dollar kostet. In
Österreich werden solche Diagnoseverfahren von den Krankenkassen
getragen. Wenn die RadiologInnen mit den Kassen Verträge abschließen,
in denen steht, dass gedeckte Leistungen nicht privatwirtschaftlich
abgerechnet werden dürfen, dann müsse man sich auch daran halten.
Außerdem haben beide Seiten bereits angekündigt, die Verträge neu
verhandeln zu wollen. Auch die Aussage, wonach der KAV keine
Überstunden mehr zahle, sei eine glatte Unterstellung.

Bei der Abstimmung wurden zudem noch die dem Ausschussbericht
angeschlossene Entschließungen (Fortschrittsbericht über die
Evaluierung der GuKG-Novelle, Einrichtung einer zentralen
Ansprechstelle für MRT-Untersuchungen) einhellig bzw. mehrheitlich
angenommen. Der G-Abänderungsantrag betreffend Einsatz von
BehindertenbetreuerInnen im Pflegebereich sowie der G-
Entschließungsantrag betreffend Mindestpersonalschlüssel und
Wartezeiten auf MRT- und CT-Untersuchungen fanden keine Mehrheit.
Nicht angenommen wurde auch der F-Entschließungsantrag betreffend die
Sanierung der Missstände bei den bildgebenden Untersuchungen
(Computertomographie und Magnetresonanz). (Fortsetzung Nationalrat)
sue

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