Wien (OTS) - Heute schickt Justizminister Wolfgang Brandstetter das
Erwachsenenschutzgesetz in die Begutachtung. „Wir haben den
Erwachsenenschutz komplett neu erarbeitet und legen nun einen Entwurf
vor, der die Autonomie, Selbstbestimmung und Entscheidungshilfe für
die Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Deren
Entscheidungsfähigkeit soll wesentlich gestärkt werden und die
Familien sollen stärker eingebunden werden, damit unnötige
Besachwalterungen künftig vermieden werden können“, so Brandstetter.
Künftig vier Säulen der Vertretung
Mit der Reform soll das seit bereits 30 Jahren bestehende System der
Sachwalterschaft ersetzt werden. Der Sachwalter wird zum
Erwachsenenvertreter, und das Erwachsenenschutzgesetz wird auf
insgesamt vier Säulen der Vertretung aufgebaut: Vorsorgevollmacht,
die gewählte, die gesetzliche und die gerichtliche
Erwachsenenvertretung. Mit diesen Vertretungsmöglichkeiten soll es
verschiedene Möglichkeiten der Vertretung mit mehr Selbstbestimmung
geben. Eine Voraussetzung dafür ist ein stärkeres Hinschauen,
Reflektieren und Differenzieren aller Beteiligten. „Für jede
Situation soll die bestmögliche Lösung gefunden werden, damit den
Betroffenen so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Handeln
ermöglicht wird. Durch die vier Säulen der Vertretung kann künftig
individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse der betroffenen Person
eingegangen werden. Die Einschränkung der Autonomie wird auf das
absolut notwendige Maß begrenzt“, so Bundesminister Brandstetter.
Aufwertung der Sachwalter- bzw. Erwachsenenschutzvereine
Die Sachwalter- bzw. Erwachsenenschutzvereine werden zur Drehscheibe
der Rechtsfürsorge ausgebaut. Neben der Ausweitung ihrer
Beratungsfunktion kann bei ihnen künftig auch eine Vorsorgevollmacht
errichtet und ein Erwachsenenvertreter gewählt werden. Da die
gerichtliche Bestellung eines Erwachsenenvertreters wie bisher nur
das letzte Mittel sein soll, ist künftig auch ein „Clearing“ bei den
Vereinen im Vorfeld der Bestellung verpflichtend. Dieses „Clearing“
soll sicherstellen, ob eine gerichtliche Erwachsenenvertretung
notwendig ist oder nicht. Das Modellprojekt „Unterstützung zur
Selbstbestimmung“ hat bestätigt, dass sich dieses seit 2006
bestehende Angebot in der Praxis sehr gut bewährte, und damit eine
große Zahl an gerichtlich angeordneten Sachwalterschaften vermieden
werden konnte.
Beispielhafte Konzepterarbeitung durch Einbeziehung aller Beteiligter
In die Neugestaltung des Erwachsenenschutzes waren alle betroffenen
Personen und Personengruppen (Anwaltschaft, Notariat,
Behinderteneinrichtungen, SeniorenvertreterInnen, Sachwaltervereine,
Volksanwaltschaft, Angehörige etc.) durch regelmäßige
Gesprächsrunden, Arbeitskreise und Diskussionsgruppen intensiv
eingebunden. Auch Betroffene selbst wurden befragt. „Durch diese
Zusammenarbeit haben wir nicht nur ein komplett neues Gesetz
geschrieben, wir haben einen neuen Prozess der Mitgestaltung
geschaffen“, so Wolfgang Brandstetter.
Das vorgelegte Reformkonzept erfüllt die Vorgaben der
UN-Behindertenrechtekonvention und schafft eine moderne rechtliche
Grundlage, die jedem internationalen Vergleich standhält. „Allgemein
lässt sich ein Trend erkennen, der schutzbedürftige Menschen nicht
mehr automatisch als pflegebefohlen ansieht. Mit der Reformbestrebung
nach mehr Selbstbestimmung und Autonomie für die betroffenen Personen
sind wir voll auf der Höhe der Zeit“, so Brandstetter abschließend.
Die Begutachtungsfrist ist bis 12. September 2016 angesetzt, in Kraft
treten sollen die Neuerungen am 1. Juli 2018.
Volksanwältin Brinek: Quantensprung in der Erwachsenenhilfe
Zentrale Forderungen der Volksanwaltschaft werden mit dem
vorliegenden Gesetz berücksichtigt. Hunderte Fälle und Beschwerden
langen bei Volksanwältin Brinek jährlich ein. Bisher wurden
Sachwalterschaften als zu früh, zu umfassend, zu lange und de facto
als Entrechtlichung erlebt. Nunmehr ist immer der Wille der
Betroffenen maßgeblich und die gerichtliche Erwachsenenvertretung
ultima ratio, nicht für alle Angelegenheiten, zeitlich befristet und
die Angehörigen bekommen Rechte. Mit diesem Gesetz sind die
justiziellen Rahmenbedingungen geschaffen. Gefordert bleiben aber
weiterhin die Gesundheits- und Sozialpolitik, um eine
Selbstständigkeit in allen Lebenslagen zu gewährleisten.
Fotos und weitere Informationen finden Sie in Kürze auf
www.justiz.gv.at
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