- 23.06.2016, 14:55:13
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RH-Präsident Moser verlangt Spekulationsverbot für Rechtsträger
Rechnungshofausschuss fordert Konsequenzen nach Millionenverlust durch Finanzspekulationen der Studentenförderungsstiftung
Utl.: Rechnungshofausschuss fordert Konsequenzen nach
Millionenverlust durch Finanzspekulationen der
Studentenförderungsstiftung =
Wien (PK) - Die gemeinnützige Österreichische
Studentenförderungsstiftung ist der zweitgrößte Träger von
Studentenheimen im Land. Für den Rechnungshof ist sie zudem Beispiel
eines Rechtsträgers, der trotz relativ geringen Gebarungsumfangs
durch risikoreiche Finanzgeschäfte große Verluste erzeugt hat. Im
konkreten Fall wurden zwischen 2006 und 2014 bei Derivatgeschäften
2,41 Mio.€ verspekuliert. Überdies zeigte der Rechnungshof auf, dass
die Ende der 1950er Jahre von der Österreichischen Hochschülerinnen-
und Hochschülerschaft (ÖH) gewidmete Stiftung ihrer Satzung,
bedürftigen Studierenden Wohnraum bereitzustellen, nicht mehr Folge
geleistet hat. Mit dem Bestreben, Studentenheime möglichst
vollständig auszulasten, gab es bei der Zimmervergabe keine
Einkommensgrenze, um die Bedürftigkeit festzustellen.
Im Rechnungshofausschuss des Nationalrats hinterfragten heute alle
Fraktionen, welche Konsequenzen die Stiftung gezogen hat, gerade
hinsichtlich des Umgangs mit den verlustreichen Derivaten. Von der
amtierenden Geschäftsführerin der Österreichischen
Studentenförderungsstiftung, Sabine Strasser, hieß es dazu,
angesichts der aktuell niedrigen Zinssituation sei von einer
Veräußerung der Finanzinstrumente abzuraten. Man habe mit der Bank
jedoch eine vergleichsweise gute Lösung gefunden, um größeren Schaden
zu vermeiden. Als Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung sagte Norbert
Köck, er schließe eine Spekulationsabsicht bei den 2006 und 2008
eingegangenen Finanzgeschäften aus.
Ein einheitliches Spekulationsverbot für Rechtsträger mahnte
Rechnungshofpräsident Josef Moser in der Sitzung ein. Anhand dieser
Stiftungsprüfung sehe man, wie wichtig Stichproben sind: "Keiner kann
sicher sein, dass der Rechnungshof nicht kommt", ungeachtet der Höhe
von verwalteten Geldmitteln. Am Ende dieser letzten Ausschusssitzung,
in der Moser als Rechnungshofpräsident eingeladen war, hielt er
zufrieden fest, die Sachlichkeit der Diskussion sei nie an
Parteigrenzen gescheitert. Der Rechnungshof werde vom Parlament
tatsächlich ernst genommen.
Derivatgeschäfte ohne Kontrolle
Im Detail heißt es im Rechnungshofbericht zur Österreichischen
Studentenförderungsstiftung, die Geschäftsführung habe im Februar
2006 und im Oktober 2008 komplexe und risikoreiche Geschäfte mit
Derivaten - Finanzprodukten, deren Preis durch andere Wertpapiere
bestimmt wird - abgeschlossen, und zwar über einen Nominalbetrag von
14 Mio.€ ohne Bindung an Grundgeschäfte. Die Laufzeiten wurden bis
2014 bzw. 2022 festgelegt, ein Zusammenhang mit laufenden Darlehen
oder Krediten der Stiftung bestand aber nicht. Aufgrund der
Zinsentwicklung verlor die Stiftung bis September 2013 rund 2,03 Mio.
€. Trotz risikomindernder Maßnahmen der aktuellen Geschäftsführung
stieg der Verlust bis Oktober 2014 auf 2,41 Mio.€. Erhebliche
Beratungskosten fielen außerdem an. Nach Einschätzung des
Rechnungshofs waren die Derivatgeschäfte - unter anderem mit Caps und
Zinsswaps, wie Präsident Moser erläuterte - zur Zinssicherung kaum
geeignet. Rückstellungen für Verpflichtungen aus diesen
Börsengeschäften fanden sich in den Bilanzen nicht.
Zudem fehlte ein zeitgemäßes Internes Kontrollsystem, obwohl die
Spekulationen nicht Teil der laufenden Stiftungsgeschäfte waren und
somit nicht in die Zuständigkeit der Geschäftsführung fielen.
Derartige Geschäftsabschlüsse hätten einer Zustimmung des Kuratoriums
der Stiftung bedurft, eine solche Genehmigung erfolgte aber nicht.
Auch in weiterer Folge blieb der Informationsfluss zwischen den
Stiftungsorganen mangelhaft in Bezug auf die Zielsetzungen und
Risiken der Derivatgeschäfte.
Die Details der zur Zinssicherung von der damaligen Geschäftsführung
abgeschlossenen Derivatgeschäfte traten Stiftungsvorsitzender
Strasser zufolge erst 2012 zutage. Ziel dabei sei fraglos die
Absicherung vor Zinsschwankungen gewesen, offenbar habe die
zuständige Bank nicht ausreichend über damit verbundene Risiken
informiert. Das Finanzinstitut sei aber bereit gewesen, die
bestehenden Finanzderivate bei gleichzeitigem Kauf eines sicheren
Zinssicherungsgeschäfts mit gleichbleibender Laufzeit zu schließen,
was in Strassers Augen der bestmögliche Ausweg war. Die Empfehlung
des Rechnungshofs, Ersatzansprüche gegen die frühere Geschäftsführung
zu prüfen, nachdem diese Derivatgeschäfte ohne umfassende Information
und Zustimmung des Kuratoriums abgeschlossen hatte, musste Sabine
Strasser ausschlagen. Der Fall sei bereits verjährt, zumal unsicher
sei, ob überhaupt Ansprüche hätten geltend gemacht werden können. Wie
ÖVP-Abgeordneter Manfred Hofinger sorgte sich NEOS-Sprecherin Claudia
Camon um die künftige Finanzplanung der Stiftung. Gamon regte dabei
gesetzliche Vorkehrungen an, um die Risikoabsicherung bei
Finanzgeschäften im öffentlichen Bereich zu gewährleisten - etwa
mittels einer Beratungsstelle, die fehlendes Know-how zur Verfügung
stellt.
Für die Zukunft sei jedenfalls sicherzustellen, so der Rechnungshof,
dass die Geschäftsführung das Kuratorium und den Ständigen Ausschuss
vor dem Abschluss zustimmungspflichtiger Geschäfte zeitgerecht
informiert und in den Entscheidungsprozess einbindet. Außerdem sei
für künftige Termingeschäfte eine fundierte Risikostrategie zu
entwickeln und hinsichtlich Nominalbetrag und Laufzeit an bestehende
Grundgeschäfte zu binden, wobei ausschließlicher Zweck die
Absicherung sein sollte.
Heimplatzvergabe nach first come-first served-Prinzip
Bei der Platzvergabe in den 16 Studentenheimen der Stiftung
kritisiert der Rechnungshof in seinem Bericht, die Einhaltung des
durch die Satzung vorgegebenen Kriteriums der Bedürftigkeit sei nicht
sichergestellt. Abhilfe würde hier neben einer Festlegung von
Einkommensgrenzen für die Heimplatzvergabe samt regelmäßiger
Überprüfung eine verbindliche Prozessbeschreibung schaffen. Die
Satzung, die seit dem Gründungsjahr unverändert geblieben ist, sei
außerdem gemäß der geltenden Gesetze den EU-Regelungen anzupassen, so
der Rechnungshof mit Hinweis auf das weiterhin bestehende
Förderkriterium der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Nunmehr würden sehr wohl die Einkommensverhältnisse aller
HeimbewohnerInnen erhoben, StipendienbezieherInnen würden bevorzugt,
hielt Geschäftsführerin Strasser fest. Der Verwaltungsaufwand zur
regelmäßigen Nachprüfung bei jeder und jedem einzelnen Studierenden
wäre aber überschießend. Besonders die SozialdemokratInnen Andrea
Gessl-Ranftl und Elmar Mayer äußerten sich irritiert über die vom
Rechnungshof aufgezeigten Vergabemissstände, denn "jene, die es
brauchen, müssen einen Heimplatz bekommen", betonte Mayer. Das "first
come-first served"-Prinzip, das nach Beschreibung Köcks vormals
bestanden hat, trage dem nicht Rechnung.
Sigrid Maurer von den Grünen kritisierte an der Stiftung, deren
Struktur sei veraltet. Konkret bezog sie sich auf das Kuratorium aus
Mitgliedern der Bundesvertretung der ÖH sowie aus VertreterInnen von
Studierendenorganisationen, wobei die Entsendungen nicht gemäß der
aktuellen Mandatsstärke erfolgen. Vielmehr beruht die Sitzverteilung
auf dem Ergebnis der ÖH-Wahlen von 1957, was nach Dafürhalten des
Rechnungshofs der Intention der Stifterin - die Bundesvertretung
der ÖH entsprechend den jeweils aktuellen Mandatsverhältnissen in
diesem Stiftungsgremium vertreten zu sehen - widerspricht.
Immobilienverkäufe als Gewinn für die Kaufenden
An Liegenschaftsverkäufen - bemängelten die RH-PrüferInnen, diese
seien unter dem tatsächlichen Wert der Immobilien - "am unteren Ende
der Bandbreite des Barwerts" - und teilweise ohne Bieterverfahren
erfolgt. Beim 2011 getätigten Verkauf ergab sich für die Käuferin
sogar ein erhöhter Wert des erworbenen Objekts, da es eine
Erweiterungsmöglichkeit der auf dem Nachbargrundstück betriebenen
Privatklinik bot. Vergleichsangebote einzuholen sollte bei
Veräußerungen durch Rechtsträger eine Selbstverständlichkeit sein,
unterstrich Rechnungshofpräsident Moser; Verfahren, die nicht nur auf
willkürliche Kundenansprachen hinauslaufen hält er für dringend
notwendig. Bei Kaufpreisvereinbarungen über Liegenschaften wäre
generell die Interessenlage auf Käuferseite verstärkt auszuloten und
ein für den Kaufinteressenten - über den Vergleichswert
hinausgehender - erhöhter Wert der Liegenschaft (z.B. wegen einer
Erweiterungsmöglichkeit des Unternehmens) zu berücksichtigen, lautet
eine RH-Empfehlung zum Punkt Immobiliengeschäfte.
Mängel gab es aus RH-Sicht auch bei der Durchführung von Zahlungen in
der Stiftung zu beanstanden; etwa Missachtung des Vier-Augen-Prinzips
oder des vorgeschriebenen Genehmigungsverfahrens. Abgeordneter Gerald
Hauser (F) warf in diesem Zusammenhang die geplante Änderung des
Stiftbriefs auf und erfuhr von Kuratoriumsvorsitzendem Köck, neue
Zeichnungsregelungen für die Geschäftsführung bildeten einen Punkt
darin. Überarbeitet würden weiters die Art der Stiftungsbesetzung und
die Bestimmung zur Staatsbürgerschaft passe man formal dem EU-Recht
an, bestätigte er FPÖ-Mandatarin Jessica Lintls Anmerkung, anders als
in der Satzung vorgesehen, unterstütze die Stiftung nicht nur
ÖsterreicherInnen in ihrem Studium mit Wohnraum.
Steigende Risiken trotz sicherer Ertragslage
Zur Ertragslage gesteht der Rechnungshof der Stiftung zu, der
Hauptzweck der Stiftung sei durch Erlös- und Aufwandsstruktur
gesichert. Mit Ausnahme von 2013 habe man immer positive
Betriebserfolge verzeichnet; gleichzeitig gebe es aber einen
negativen Finanzerfolg. Werde diese Entwicklung fortgesetzt, bestehe
das Risiko des Aufbrauchens vorhandener Rücklagen, wodurch
strategische Ziele beziehungsweise Sanierungsarbeiten nicht mehr
verfolgt werden könnten. Letztendlich wäre dann selbst die Aufgabe
einzelner Standorte durchaus möglich.
Um ein getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der
Stiftung zu gewährleisten, sollten nach RH-Meinung - dem
Vollständigkeitsgrundsatz der ordnungsgemäßen Buchführung folgend -
alle buchungspflichtigen Geschäftsfälle sowie deren Risiken
bilanziell dargestellt werden. Das Stammvermögen der Stiftung wäre in
den Jahresabschlüssen gesondert darzustellen. Bei einer allfälligen
Neuveranlagung von Stiftungsvermögen müsse sichergestellt sein, dass
die ins Auge gefasste Veranlagungsform jedenfalls dem gesetzlichen
Gebot der Sicherheit entspricht.
Der Bericht mit den Prüfungen zur Studentenförderungsstiftung (III-
254 d.B.) wurde einstimmig vertagt, ebenso wie die Berichte (III-269
d.B.) und (III-271 d.B.), die zur Fristwahrung in Verhandlung
genommen worden waren. (Schluss Rechnungshofausschuss) rei
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