- 21.06.2016, 13:10:27
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Für eine gesetzes- und verfassungskonforme Wahl: Anfechtung der Wahl der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich
Wien (OTS) - In den letzten Wochen und Tagen hatte sich immer mehr
abgezeichnet, dass die am Sonntag abgehaltenen Wahlen der Islamischen
Glaubensgemeinschaft zu einer Farce verkommen würden. Die Dominanz
von zwei großen Dachverbänden führten nicht nur zu einem Diktat
innerhalb der Strukturen der IGGiÖ, sondern auch zur Diskriminierung
und Ausgrenzung anderer Dachverbände, Kultusgemeinden – ja ganzer
ethnischer Gruppen.
Aktuell zeichnen sich Machtverhältnisse ab, welche weder die Vielfalt
der muslimischen Community widerspiegeln noch diese repräsentieren.
Zwei Dachverbände haben im Rahmen der neu konstituierten
Glaubensgemeinschaft eine Reihe von Umständen herbeigeführt oder
zugelassen, welche an Fahrlässigkeit, aber auch machtpolitischem
Kalkül seinesgleichen suchen.
Der Höhepunkt der Postenschacherei spiegelt sich in der Abhaltung
einer Wahl ohne genehmigter Wahlordnung, der Erfindung von Funktionen
wie die des zweiten Stellvertreter des Schuraratsvorsitzenden, die in
der Verfassung nicht vorgesehen sind und in der Missachtung von
Verfassungsbestimmungen der IGGiÖ.
Zur Behebung dieser Missstände haben einige Kultusgemeinden am Tag
der Wahl unterschiedliche Anträge einzubringen versucht, die jedoch
vor Ort ohne Raum für Diskussion kurzerhand abgelehnt, ignoriert oder
verschoben wurden. Erstmals in der Geschichte der Islamischen
Glaubensgemeinschaft in Österreich wurde von der konsensorientierten
Besetzung von Gremien und Fassung von Beschlüssen abgesehen und damit
über 80 österreichische Institutionen und Einrichtungen von jeglicher
Partizipation und Repräsentation ausgeschlossen.
Nachdem alle Versuche interne Missstände innerhalb der dafür
vorgesehenen Strukturen zu beheben ausgeschöpft wurden und in
diktatorischer Weise über alle Bedenken drübergefahren und
Redebeiträge abgewürgt wurden, sehen wir uns gezwungen an die
Öffentlichkeit zu gehen und die Wahl anzufechten.
Hier nun die wichtigsten Punkte als Übersicht:
1) Nicht stimmberechtigte Delegierte bei der Wahl
Es besteht der dringende Verdacht, dass gleich in mehreren Fällen
Delegierte zum Zeitpunkt der Wahl keine Mitglieder der sie
entsendenden Kultusgemeinden sind. Dieser Umstand steht im krassen
Widerspruch zur Verfassung der IGGiÖ Art. 8 Abs. 3.
Daher wurde gestern der Antrag eingebracht, diesen Umstand zu
untersuchen und entsprechende Schritte folgen zu lassen. Dieser
Verdacht betrifft 26 der insgesamt 113 Delegierten, die zum Zeitpunkt
der Wahl weder stimmberechtigt noch wählbar waren, aber dennoch
sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht ausgeübt haben.
2) Verfassungswidrige Zusammensetzung des Obersten Rates
Laut Verfassung der islamischen Glaubensgemeinschaft, in Artikel 9
Abs. 3, ist zu achten, dass jede Kultusgemeinde von zumindest einem
Vertreter im Obersten Rat vertreten wird. Diese Bestimmung wurde
nicht umgesetzt. So wurden beispielsweise von einem Verband mit fünf
Kultusgemeinden drei Vertreter in den obersten Rat entsendet und von
einem anderen Verband mit gleicher Stärke kein Einziger. Insgesamt 8
Kultusgemeinden mit über 80 Einrichtungen sind trotz anderslautender
Bestimmung in der Verfassung nicht im Obersten Rat vertreten.
3) Kultusgemeinden ohne ausreichende Mitglieder
Leider wurde auch festgestellt, dass bei einer Kultusgemeinde, welche
auch einen Platz im Obersten Rat bekommen hat, die verpflichtende
Prüfung der Gründungsvoraussetzungen durch die IGGiÖ nicht erfolgt
ist und die Voraussetzung von 1000 Mitgliedern und 10 Moscheen nicht
gegeben ist. Dies steht im Widerspruch zu Art. 19 Abs. 3 und 7.
Daher ist es unabdingbar, die Zahl der Mitglieder der jeweiligen
Kultusgemeinden zu überprüfen. Erfüllt eine Kultusgemeinde diese
Kriterien nicht, sind auch deren Delegierte illegitim und nicht
berechtigt als Schuraratsmitglieder zu fungieren, schon gar nicht im
Obersten Rat vertreten zu sein.
4) Wahlordnung ohne Genehmigung der Gremien
Es wurde festgestellt, dass die der gestrigen Wahl zugrunde liegende
Wahlordnung, nie dem Schurarat vorgelegt und schon gar nicht von ihr
genehmigt wurde und diese daher für die IGGiÖ nichtig ist.
Entsprechend gab es einen Antrag auf Nichtigerklärung der
betreffenden, vom Kultusamt genehmigten Wahlordnung. Diese
Wahlordnung, die nie in den Gremien beschlossen wurde, hätte unter
keinen Umständen zur Anwendung auf Sitzungen, Wahlen und Abstimmungen
des Schurarats der IGGiÖ kommen dürfen, da sie keine Legitimität
besitzt.
5) Bevormundung der Kultusgemeinden
Es ist absolut inakzeptabel, dass die Delegierten der Kultusgemeinden
von Seiten der beiden großen Verbände diktiert werden. Es kann nicht
sein, dass hier eine Einmischung in innere Angelegenheiten von
anderen Kultusgemeinden von statten geht. Es entsteht der Anschein,
dass vor allem selbstbestimmte und kritische Stimmen innerhalb der
Kultusgemeinden nicht in das Gremium des Obersten Rates zugelassen
werden. Dies entspricht weder einer demokratischen Kultur noch einem
offenen Ansatz für progressive Entwicklungen innerhalb der Strukturen
der IGGiÖ.
6) Abschaffung der Ethnienobergrenze ohne notwendiger Mehrheit im
Schurarat
Wie bereits medial verbreitet, gibt es die, laut der Verfassung der
IGGiÖ in der Fassung von 2011, festgeschriebene Ethnienobergrenze
nicht mehr. Diese Grenze hatte verhindert, dass eine ethnische Gruppe
mehr als 50 Prozent der Mitglieder in den Gremien stellt. Nur unter
Missachtung dieser Obergrenze war es möglich, dass zwei miteinander
koalierende Dachverbände letzten Endes alle Entscheidungen für die
IGGiÖ treffen. Obwohl im Vorfeld dennoch seitens eine freiwillige
Selbstregulierung angekündigt wurde, wurde sie nicht einhalten, was
nicht weiter verwundert. Die Tatsache, dass der Beschluss für diese
Änderung jedoch keine rechtliche Grundlage hat, muss entsprechende
Konsequenzen nach sich ziehen. Ein diesbezüglicher Antrag seitens der
IGGiÖ liegt seit 6. Juni 2016 beim Kultusamt vor.
Aus diesem Grund wurde ein Antrag eingebracht, in dem die vorliegende
Zusammensetzung des Schurarates mit über die Hälfte der Mitglieder
aus einer Ethnie sowie die etwaige Zusammensetzung des Obersten Rates
für unzulässig und ungültig erklärt. Die Einhaltung der
verfassungsgemäßen Ethnienobergrenze muss die Grundlage für die neu
zu konstitutierenden Gremien sein.
7) Der neue Präsident erfüllt nicht das erforderliche Mindestalter
Es wird festgestellt, dass in einer entsprechenden Schuraratssitzung
(20.12.2015) die Streichung der Altersvoraussetzung (35 Jahre) für
das Amt des Vorsitzenden des Obersten Rates bzw. des Präsidenten der
IGGiÖ weder vorgelegt noch abgestimmt wurde und diese damit immer
noch bindend ist. Ähnlich wie Punkt 6 sind manche
Verfassungsbestimmungen der IGGiÖ dem Kultusamt anders vorgelegt
worden als in den Gremien der IGGiÖ beschlossen. Es besteht daher der
dringende Verdacht der Urkundenfälschung.
Wir möchten noch einmal betonen, dass der Schritt in die
Öffentlichkeit zu gehen uns nicht leicht fiel. Nachdem aber alle
Versuche in der konstituierenden Schuraratssitzung vom 19.6.2016 die
bestehenden Missstände zu beheben, höhnisch kommentiert und blockiert
wurden, sahen wir uns gezwungen die Öffentlichkeit aufzuklären. So
wurde das erste Mal in der Geschichte der Islamischen
Glaubensgemeinschaft in Österreich ein restriktiver und
diktatorischer Kurs bereits bei der Zusammenstellung der Gremien
gefahren und jede Diskussion im Keim erstickt.
Der Schuraratsvorsitzende welcher selbst Jurist ist, wollte oder
konnte nach all diesen haarsträubenden Entwicklungen die
Verfassungskonformität klarerweise nicht bestätigen.
Rechtliche Schritte gegen die oben angeführten Missstände werden
innerhalb der vorgesehenen Fristen eingeleitet.
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