Konrad, Mödlhammer und Bretschneider bei Präsentation einer „Bürgermeisterstudie“ zum Thema "Asylbetreuung in Gemeinden"
Utl.: Konrad, Mödlhammer und Bretschneider bei Präsentation einer
„Bürgermeisterstudie“ zum Thema "Asylbetreuung in Gemeinden" =
Wien (OTS) - Die bisher größte Studie zum Thema „Asylbetreuung in
Gemeinden“ legten heute, Freitag, Flüchtlingskoordinator Christian
Konrad und Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer vor. Durchgeführt
wurde die Studie von GfK Austria unter der Leitung von Rudolf
Bretschneider, der bei der Präsentation die Detailergebnisse
erläuterte. Mehr als 900 (von insgesamt 2.100) Gemeinden haben daran
teilgenommen, die Befragungen wurden im April 2016 durchgeführt.
Mitgemacht haben auch mehr als 200 Gemeinden, die aktuell keine
Flüchtlinge beherbergen.
„Die Ergebnisse dieser Studie sind für uns von enormer Bedeutung,
weil sie sehr wichtige Hinweise darauf geben, wo auch die künftigen
Handlungsfelder in diesem Bereich liegen. Wo es Bedarf nach
Unterstützung gibt, wo die Ortschef/innen die Herausforderungen
sehen, aber auch in welchen Bereichen es gut läuft“, so Christian
Konrad und Helmut Mödlhammer. Der Gemeindebund-Präsident strich vorab
die bisherige Leistung der Gemeinden hervor: „Seit Sommer 2015 wurden
mehr als 50.000 Quartierplätze neu geschaffen, in zwei Drittel der
Gemeinden sind inzwischen Flüchtlinge untergebracht. Das ist eine
gewaltige Kraftanstrengung gewesen, die wir uns von niemandem
kleinreden lassen.“
Bürgermeister arbeiten Herausforderung pragmatisch ab
Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie: „Wer Flüchtlinge in der
Gemeinde aufgenommen hat, ist gelassener, pragmatischer und
lösungsorientierter. Viele Gemeinden haben neues Potential an
freiwilligem Engagement entdeckt und erhoffen sich durch Zuzug sogar
neue Chancen“, so Christian Konrad und Helmut Mödlhammer zum Umgang
der Gemeindeverantwortlichen bei der Aufnahme von Flüchtlingen.
Für Bretschneider „sticht überraschend deutlich die Hoffnung auf ein
längerfristiges Bleiben nach einem positiven Asylbescheid hervor.“
34% der Gemeinden erhoffen das – vor allem kleinere Gemeinden.
Gemeindebundpräsident Mödlhammer: „In Abwanderungsgemeinden kann das
durchaus ein wichtiges Thema sein, wenngleich immer noch ein großer
Teil der Flüchtlinge die Unterbringungsgemeinde nach positivem
Abschluss des Asylverfahrens verlässt und in einen Ballungsraum
geht.“
Hier klaffen Wünsche und Realität oft auseinander. „Viele
Gemeindepolitiker wünschen sich, dass die Menschen bleiben und sich
dauerhaft in der Gemeinde integrieren. Sehr oft ist das für die
Flüchtlinge aber nicht vorstellbar, weil sie ihre Chancen in
Ballungsräumen größer einschätzen.“
„Asyl“ ist nur eines von vielen wichtigen Themen
In der Gesamtpalette von allgemeinen Problemen und Herausforderungen
für die Gemeinden rangieren die Themen „Integration anerkannter
Flüchtlinge“ in der Mitte (Platz 7 von 15) und die „Betreuung von
Asylwerbern“ auf Rang 10.
Die größten Herausforderungen sind die Sozialkosten, Kinderbetreuung,
Altenbetreuung und Pflege. „Das ist deshalb interessant, weil die
mediale Berichterstattung annehmen lässt, dass es neben dem
Flüchtlingsthema kaum noch eine andere politische Herausforderung
gibt“, so Mödlhammer. „Die Bürgermeister/innen sehen das nicht so.
Für sie stehen viele andere Themen ebenfalls im Fokus, unter anderem
auch die Sozialkosten, die ungeachtet der Flüchtlingskrise seit
Jahren ansteigen, in den letzten Monaten aber natürlich noch einmal
viel deutlicher.“
Im Themenfeld der Flüchtlingsbetreuung wird klar: „Wer sich nicht
versteckt, übernimmt die Themenführerschaft und gestaltet die
Stimmung. Pragmatismus und Bürgernähe statt Bürokratie, das zeichnet
den überwiegenden Teil der Bürgermeister/innen aus“, bewertet Konrad
die Ergebnisse.
Die Studie bestätigt auch die Realitätsnähe der Kommunalpolitik:
„Dort wo Konflikte wahrgenommen werden, werden sie zeitnah gelöst.
Auf der kommunalen Ebene werden durch Begegnung und Gespräch Lösungen
umgesetzt und nicht bloß angekündigt“, so die beiden Auftraggeber der
Studie.
„Begegnung nimmt Angst - und wenn der Bürgermeister hier vorangeht,
folgt ihm auch die Gemeinde!“, weiß Konrad nach neun Monaten im
Einsatz als Flüchtlingskoordinator. In der deutlich überwiegenden
Zahl der Gemeinden gibt es von der Bevölkerung Mithilfe bei der
ehrenamtlichen Versorgung von Flüchtlingen. „Dieses Engagement
braucht Wertschätzung, aber auch unterstützende Strukturen in der
Gemeinde!“, verweist Konrad auf sinnvolle weitere Schritte.
Kleinere Gemeinden haben Thema und Chancen im vergangenen Jahr
entdeckt
Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern haben in der Regel bereits
„Flüchtlingserfahrungen“ vor dem Jahr 2015 gemacht. In kleineren
Gemeinden sind erst ab 2015 verstärkt Flüchtlinge aufgenommen worden.
In diesen kleineren Gemeinden hat sich, so das Ergebnis der Studie,
die Haltung der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen deutlich
verbessert.
„Wer Flüchtlinge aufgenommen hat, wo Begegnung im Ort wahrnehmbar
gestaltet wird, wo es entsprechende Vernetzung mit Freiwilligen
Flüchtlingshelfer/innen gibt, trägt das zu einer guten Stimmung bei“,
so die Conclusio von Bretschneider.
In größeren Gemeinden sind die Vorbehalte hingegen gewachsen. Für
Konrad eine Bestätigung, dass die größeren Quartiere, die
üblicherweise in größeren Gemeinden eröffnet worden sind, zwar
kurzfristig Entlastung bei der Unterbringung ermöglicht, langfristig
aber andere Herausforderungen mit sich gebracht haben.
Kleinere Einheiten bei Quartieren für Flüchtlingen finden sowohl bei
Gemeinden mit als auch bei jenen ohne Flüchtlinge deutlich mehr
Anklang – große Quartiere werden abgelehnt. „Uns zeigt das, dass die
Kleinheit der Betreuungseinheiten ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor
war und ist“, so Mödlhammer. „In aller Regel gibt es nur bei großen
Quartieren Vorbehalte und Probleme.“
Neben der Verfügbarkeit der Quartier-Angebote sei aber auch die dafür
nötige Betreuungsstruktur der NGOs ein wichtiger Faktor. Christian
Konrad regte deshalb die Einbindung der Erfahrungen von NGOs aus der
sogenannten „Mobilen Betreuung“ an. „Hier gibt es schon einige sehr
gut funktionierende Modelle, die man sich genau anschauen und in
anderen Gemeinden anwenden kann.“
Deutliche Unterschiede zwischen Gemeinden mit und Gemeinden
ohne Flüchtlingen
In 84 % der Gemeinden, die keine Flüchtlinge aufgenommen haben,
werden bei der Unterbringung/Beschaffung von Wohnraum für Flüchtlinge
Schwierigkeiten geortet. Dieser Wert halbiert sich bei Gemeinden, die
bereits Flüchtlinge aufgenommen haben auf 41%. „In manchen Gemeinden
gibt es schlichtweg keine räumlichen Möglichkeiten zur
Unterbringung“, sagte Mödlhammer. „Das gilt sicher nicht für alle,
die noch keine Menschen aufgenommen haben. Ein gewisses Potential
gibt es sicher noch. Quartiernotstand besteht derzeit aber keiner.“
Die Stimmung in der Bevölkerung hat sich seit Aufnahme der
Flüchtlinge in weniger als einem Fünftel der Orte verschlechtert,
hingegen in doppelt so vielen, nämlich 40% der Gemeinden verbessert.
Ein Drittel verzeichnete keine Veränderung. In der Einschätzung beim
Thema Arbeit und Arbeitsplätze für Flüchtlinge gibt es kaum
Unterschiede zwischen Gemeinden mit und ohne Flüchtlingen: 68% der
Gemeinden mit Flüchtlingen und 66% der Gemeinden ohne Flüchtlinge
sehen hier Herausforderungen.
Die mediale Berichterstattung löst Probleme und Sorgen aus. Das sagen
die Bürgermeister/innen, in denen Flüchtlinge leben zu 59%. Diese
Schwierigkeiten thematisieren Gemeinden ohne Flüchtlinge zu 42% und
damit deutlich seltener. „Gemeinden mit Flüchtlingen sind stark
sensibilisiert in der Diskussion. Schlagzeilen und bruchstückhafte
Berichterstattung halten zwar meist dem Realitätscheck durch die
Erfahrungen in der jeweiligen Gemeinde nicht Stand, lösen aber
energieraubende ‚Rechtfertigungsdiskussionen‘ aus“, so die ergänzende
Erfahrung von Konrad aus seinen Gesprächen mit Freiwilligen.
"In den Medien werden viele Probleme und Situationen natürlich
zugespitzt dargestellt“, weiß auch Mödlhammer. „Der mediale Druck auf
die Bürgermeister/innen war zum Teil auch gewaltig. Das hat
Auswirkungen, es gibt in manchen Gemeinden ein großes Unwohlsein
diesbezüglich. Viele Gemeinden fühlten sich medial vorgeführt, obwohl
sie sich redlich bemühen und die Zuständigkeit fürs Asylwesen
eigentlich beim Bund liegt.“
Gemeinnützige Arbeit, Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt,
Gemeindeentwicklung
Drei Viertel der befragten Gemeindevertreter befürworten den Einsatz
von Flüchtlingen für gemeinnützige Tätigkeiten in der Gemeinde.
Allerdings werden viele bürokratische Herausforderungen für diesen
Einsatz in der Befragung benannt: etwa Entlohnungsgrenzen,
Versicherung, gesetzliche Vorgaben und Bürokratie. Deshalb fordert
Konrad hier „ein intensives, schnelles und an der Praxis orientiertes
Nachdenken, Entscheiden und Umsetzen – die kommunale Politik braucht
hier einen Hürdenabbau!“
Mödlhammer bestätigt: „Der bürokratische Aufwand dafür ist ein
Wahnsinn. Viele Gemeinden tun sich das einfach nicht an. So etwas
muss deutlich einfacher und auch schneller möglich sein. Die meisten
Flüchtlinge wollen ja eine Beschäftigung, die wollen nicht untätig
herumsitzen.“
Ein Manko im Asylverfahren wird auch durch diese Studie bestätigt:
Viele der befragten Bürgermeister/innen (45 %) haben keine
Informationen über den Ausbildungsgrad der Flüchtlinge, die in der
Gemeinde untergebracht sind.
„Dass es im Asylverfahren keinen Kompetenzcheck gibt, halte ich für
einen Fehler“, so Konrad. „Bereits bei der Zuteilung in Quartiere
sollte hier auf mögliche berufliche Perspektiven und die Integration
bei einem positiven Bescheid Rücksicht genommen werden.“ Auch für
Mödlhammer wäre die Abklärung der Qualifikationen in einem möglichst
frühen Stadium wichtig: „Daraus können sich ja auch Möglichkeiten für
die gemeinnützige Tätigkeit ergeben“, so Mödlhammer.
: Acht Erkenntnisse aus der Studie
Insgesamt ergeben sich für Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer
und Flüchtlingskoordinator Christian Konrad einige zentrale
Erkenntnisse aus der Studie:
1. Ohne die Mithilfe der Gemeinden und in hohem Ausmaß der
Gemeindebürger/innen wäre die Unterbringung und Betreuung von
Flüchtlingen schlichtweg nicht möglich.
2. Die bürokratischen Hindernisse sowohl bei der Unterbringung, als
auch bei der Betreuung und gemeinnützigen Beschäftigung sind immer
noch zu hoch. Das hat in vielen Fällen zu Verzögerungen gesorgt.
3. Derzeit gibt es keinen Quartiernotstand. Es stehen ausreichend
viele Quartiere bereit, derzeit sind 8.000 bis 9.000 Plätze mehr
verfügbar, als aktuell gebraucht werden.
4. In kleineren Gemeinden war anfänglich die Skepsis größer, dort hat
sich die Stimmungslage verbessert bzw. stabilisiert. In größeren
Städten und Gemeinden ist die anfänglich größere Euphorie nun einer
gewissen Ernüchterung gewichen.
5. Unterbringung und Integration funktionieren in kleinen Einheiten
besser als in großen. Das ist eine zentrale Erkenntnis, gerade auch
im Hinblick auf künftige Herausforderungen.
6. Arbeitsmarkt, Sozialkosten und Ausbildungsmöglichkeiten sind die
essentiellen Aufgaben, wenn es um die Integration geht. Gemeinnützige
Tätigkeit ist ein wichtiger Schritt, um den Menschen den Zugang zur
Arbeit zur Gewohnheit zu machen.
7. Pragmatische, unaufgeregte Zugänge zu diesem Thema sind von großer
Bedeutung, vor allem auch, wenn es um die Einstellung der Bevölkerung
geht. Hier haben auch die Medien eine gewisse Verantwortung.
8. In den Bundesländern gibt es zum Teil große Schwankungen in der
Einstellung der Bevölkerung zu diesem Thema. In der Steiermark und
Kärnten ist die Stimmungslage besonders schlecht. In Vorarlberg,
Tirol, Oberösterreich und Niederösterreich deutlich besser.
Alle Grafiken und Detailzahlen finden Sie auf www.gemeindebund.at zum
Download.
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