21. Europa-Forum im Stift Göttweig eröffnet
Utl.: 21. Europa-Forum im Stift Göttweig eröffnet =
St. Pölten (OTS/NLK) - „Die EU muss gemeinsam das Flüchtlingsproblem
lösen. Diese Frage ist die Nagelprobe für die EU, daran wird sich
zeigen, ob in Europa die gelebte Solidarität stärker ist als der
nationale Egoismus“, sagte Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll am
heutigen Samstag im Zuge der Eröffnung des diesjährigen Europa-Forums
Wachau im Stift Göttweig. Noch bis morgen, Sonntag, steht dort das
Thema „Europa – in Wohlstand geeint, in Krisen gespalten“ im Zentrum
der Referate und Arbeitskreise. Moderiert wird die Veranstaltung auch
heuer wieder in bewährter Form von Prof. Paul Lendvai.
Seit 21 Jahren diene das Europa-Forum zur kritischen
Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen auf dem Kontinent und
zur Kontakt-Aufnahme und Kontakt-Pflege zwischen Ländern, Regionen
und Personen, betonte der Landeshauptmann. Das Ziel sei in all den 21
Jahren gleich geblieben: so Pröll: „Wir wollen mit unseren Gesprächen
über Europa das Bewusstsein für Europa stärken.“ Dabei habe die
Europäische Union „mit Sicherheit schon bessere Zeiten erlebt“,
meinte er: „Die Situation ist geprägt von der Flüchtlingskrise, eine
Reihe von anderen Krisen ist noch nicht endgültig bewältigt und es
gibt Länder, die sich mit dem Gedanken tragen, aus dem gemeinsamen
Europa auszusteigen“, sagte der Landeshauptmann: „Immer öfter
bröckelt der europäische Gemeinschaftssinn, immer deutlicher verliert
der europäische Geist an Kraft und das bringt die Gefahr mit sich,
dass das größere Europa immer mehr und mehr in das Nationale
zerfällt. Das ist der Nährboden, auf dem Nationalismus und Populismus
wachsen können und wachsen werden. Das kann nicht die Zukunft Europas
sein und das darf nicht die Zukunft Europas sein.“
„Nationalismus und Populismus sind die Spaltpilze Europas und
führen ins Verderben“, betonte Pröll in seiner Rede: „Schon die
europäischen Gründungsväter haben gewusst: Nur wenn der Völkerhass,
der nationale Egoismus und der Nationalismus überwunden werden
können, kann es auch gelingen, dauerhaft Frieden in Europa zu
fixieren.“
Die Frage der Flüchtlinge sei „Nagelprobe für die EU“, betonte
Pröll: „So wie mit der Flüchtlingsnot derzeit umgegangen wird, kann
es auf Dauer nicht funktionieren. Es kann nicht sein, dass einige
Mitgliedsländer die Solidarität verweigern, noch dazu jene, die sich
nach dem Zerfall des Kommunismus der Solidarität der anderen sicher
sein konnten.“ Es sei „unverständlich, dass in einem Land die
Flüchtlingsproblematik bewältigt wird, und 50 Kilometer weiter gesagt
wird: Das geht uns nichts an – da machen wir nicht mit“, so der
Landeshauptmann. Wer die Rechte einer Gemeinschaft beanspruche, der
müsse auch wissen, dass er Verpflichtungen habe: „Nur so kann
Solidarität funktionieren, nur so können Partnerschaft und
Nachbarschaft funktionieren und nur so hat Europa Bestand.“
„Die EU muss als Existenzgarantie im weltweiten Konkurrenzkampf
wahrgenommen werden“, sprach der Landeshauptmann einen weiteren
Aspekt an. Im Vergleich zu den großen Wirtschaftsräumen wie Amerika,
China, Indien, Afrika und Russland wirke das große Europa relativ
bescheiden, und das werde vor allem auch im Zusammenhang mit den
Nationalstaaten in diesem Gefüge klar: „Unter diesen
Größenverhältnissen sprechen wir über globale Herausforderungen wie
Klimawandel, Wirtschaftsinteressen, Geldströme und Terrorismus. Kein
Land in Europa ist groß genug, um sich alleine im globalen Wettbewerb
behaupten zu können und bestehen zu können. Nur als starke
Gemeinschaft und gemeinsamer Wirtschaftsblock haben wir eine Chance,
den anderen Großmächten etwas entgegen zu setzen. Diese Rolle muss
das gemeinsame Europa wahrnehmen, dann wird Europa auch von den
Menschen entsprechend wahrgenommen.“
Ein „Zurückbesinnen auf die Gründerväter“ forderte auch die
Präsidentin des Europa-Forums Wachau, Landesrätin Mag. Barbara
Schwarz. „Sie haben damals beschlossen, ein Zeichen zu setzen und
zusammen zu arbeiten, das Trennende wegzuschieben und das Gemeinsame
nach vorne zu bringen.“ Diesen Geist wünsche sie auch dem
Europa-Forum Wachau, so Schwarz.
Für eine solide Aufgabenteilung und für Subsidiarität trat in
seiner Rede der EU-Kommissar für europäische Nachbarschaftspolitik
und Erweiterungsverhandlungen, Dr. Johannes Hahn, ein. Die
Herausforderungen für Europa werde man nur bewältigen können, wenn
man gemeinsam agiere, betonte Hahn weiters: „Wir brauchen nicht nur
ein Wir-Gefühl, wir brauchen auch ein nachhaltiges, europäisches
Wir-Verhalten.“
Dr. Miro Kovac, der Minister für auswärtige und europäische
Angelegenheiten der Republik Kroatien, meinte: „Die EU hat immer
wieder bewiesen, dass es ihr gelingt, aus Krisen stärker
hervorzugehen.“ Auch er bezog sich auf die Gründungsväter: „Sie waren
stolz auf die Errungenschaften ihrer Länder, aber sie strebten auch
eine gemeinsame Zukunft an.“ Man könne stolz auf das Erreichte sein,
so Kovac: „Die EU ist eine Erfolgsgeschichte, sie hat Frieden und
Wohlstand geschaffen.“
Die EU sei am Scheideweg, sagte Dr. Lazar Comanescu, Außenminister
von Rumänien. „Die EU ist im Laufe ihrer Geschichte durch Krisen
gegangen, aber letzten Endes hatten diese Krisen einen
unterstützenden Effekt für Reformen.“ In Rumänien glaube die
Bevölkerung an das europäische Projekt, betonte er: „Kein
europäischer Mitgliedsstaat kann es alleine schaffen, und deswegen
muss im Rahmen unserer Zusammenarbeit alles getan werden, um das
europäische Projekt zu stärken.“
„Wir brauchen eine ehrliche Debatte über Europa“, betonte Daniel
Mitov, der Minister für auswärtige Angelegenheiten der Republik
Bulgarien: „Das ist jetzt besonders wichtig.“ Um die Krisen zu
bewältigen, brauche es „ein Krisenmanagement, und wir müssen
versuchen, Krisen gar nicht erst entstehen zu lassen.“ Man müsse die
Herausforderungen, vor denen man stehe, „ganz klar erkennen“ und „die
Dinge beim Namen nennen“, so Mitov.
In ganz Europa erlebe man derzeit die Situation, „dass
gegensätzliche Konzepte aufeinander prallen“, sagte der
österreichische Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres,
Sebastian Kurz, in seiner Rede. Es brauche daher „eine offene
Diskussion“, und er sei „froh, dass dieses Europa-Forum Wachau jedes
Jahr ein Forum ist, bei dem diese Debatten offen geführt werden.“
Die Chance, wieder mehr Identifikation mit Europa zu erreichen, liege
in einer besseren Aufgabenteilung und in einem Mehr an Subsidiarität,
so Kurz weiters.
Nach der Plenarveranstaltung am heutigen Vormittag wird das
Europa-Forum Wachau am Nachmittag mit Arbeitskreisen zu europäischen
Themen fortgesetzt. Am morgigen Sonntag werden die Ergebnisse der
Arbeitskreise unter Einbeziehung von Schülerinnen und Schülern des
BRG Kremszeile präsentiert. Als Redner sind im Zuge der morgigen
Plenarveranstaltung Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, der Minister für
Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes
Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei Franz-Josef
Lersch-Mense, der Geschäftsführende Direktor des Europäischen Fonds
für Strategische Investitionen Mag. Wilhelm Molterer, der ehemalige
Präsident und Premierminister der Tschechischen Republik Prof. Dr.
Vaclav Klaus und der österreichische Vizekanzler und Bundesminister
für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Reinhold Mitterlehner
vorgesehen.
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