• 30.05.2016, 11:22:20
  • /
  • OTS0068 OTW0068

Ärztekammer startet Informationsoffensive gegen „Mystery Shopping“

ÖÄK-Vizepräsident Steinhart zu Kassen-Spitzel: Frontalangriff auf Arzt-Patienten-Verhältnis – behindern die Versorgung

Utl.: ÖÄK-Vizepräsident Steinhart zu Kassen-Spitzel: Frontalangriff
auf Arzt-Patienten-Verhältnis – behindern die Versorgung =

Wien (OTS) - Seit Jahresbeginn sind die Sozialversicherungen
gesetzlich ermächtigt, Kassenordinationen durch
Krankenkassen-Spitzel, so genannte Mystery Shopper, zu kontrollieren.
Damit stelle die Regierung Ärzte und Patienten unter Generalverdacht,
wie die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) in ihrer heutigen
Pressekonferenz bekräftigte. Man starte daher nun eine
Informationsoffensive für Ärzte und Patienten: Mittels Plakaten,
Flyern, Wartezimmer-TV und Rundschreiben an Kassenärzte wird vor den
Risiken und Auswirkungen des gesetzlich legitimierten systematischen
Bespitzelns von Kassenärzten gewarnt.

Kernpunkte der Kritik

Die wesentlichen Einwände der Österreichischen Ärztekammer gegen
Mystery Shopping sind:

• Mystery Shopping ist ein Frontalangriff auf das
Arzt-Patienten-Verhältnis und zerstört Vertrauen.
• Die Identitätsüberprüfungen bedeuten einen weiteren
Bürokratiezuwachs.
• Mystery Shopping bringt neue Unsicherheiten für niedergelassene
Kassenärzte und wirft medizinische, ethische und haftungsrechtliche
Fragen auf.
• Das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Mystery Shopping ist äußerst
fragwürdig. Selbst laut Sozialversicherung sind die Schäden infolge
von E-Card-Missbrauch geringfügig.

Die Sozialversicherung habe „die berechtigten Warnungen der
Ärzteschaft schlichtweg ignoriert“, kritisierte Johannes Steinhart,
Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der
ÖÄK. Mystery Shopping sei ein Frontalangriff auf ein vertrauensvolles
Arzt-Patienten-Verhältnis, provoziere Unsicherheit und Misstrauen,
schaffe ethische und rechtliche Schwierigkeiten und behindere die
Versorgung. „Offiziell gefälschte E-Cards und falsche Identitäten,
Spitzelbesuche in Ordinationen nach einem ‚Stichprobenplan‘ und
dergleichen haben im Gesundheitssystem eines demokratischen Landes
nichts verloren. Ein System à la DDR 2.0 braucht in Österreich
niemand.“

Von Besuchen solcher Kassen-Spitzel betroffen seien alle
Vertragsärzte, aber auch Krankenhäuser und nicht-ärztliche
Gesundheitsberufe. Sollte ein Arzt etwas falsch gemacht haben,
riskiere er den Verlust des Kassenvertrages und damit die Grundlage
seiner wirtschaftlichen Existenz.

Skandalöse Mystery-Shopping-Sonderregelung für Ärzte

Der große Unterschied zu Finanz- oder anderen gesetzlich geregelten
Kontrollen in Wirtschaftsbetrieben sei, dass sich die Prüfer dort
ankündigen und ausweisen müssten. Und anders als Kontrollen, die
Routineabläufe beobachteten und Verstöße sanktionierten, würden
Kassenspitzel durch ihr Verhalten beim Arzt mit voller Absicht einen
falschen Eindruck erwecken, um zu sehen, wie er reagiere. „Zum
Beispiel, indem sie sich als krank ausgeben, um eine Krankschreibung
zu erwirken, die dem Arzt zum Vorwurf gemacht werden kann“, sagte
Steinhart. „Diese wohl einzigartige Mystery-Shopping-Sonderregelung
für Ärzte ist skandalös.“

Zumal die Einsparungen bescheiden sein dürften: Der Hauptverband der
Sozialversicherungsträger gebe den durch E-Card-Betrug entstandenen
Schaden für das Jahr 2014 zum Beispiel bei der Wiener GKK mit
insgesamt 1695,79 Euro an. Steinhart: „Und dafür brauchen wir allen
Ernstes Mystery Shopper?“

Kampagne soll bei Patienten um Verständnis für
Vorsichtsmaßnahmen werben

Kassenärzten empfehle die Ärztekammer per Rundbrief eine Reihe von
Vorsichtsmaßnahmen. Zum Beispiel sollten sie bzw. ihre Mitarbeiter
konsequent die ldentität von ihnen unbekannten Patienten mittels
Überprüfung eines amtlichen Lichtbildausweises feststellen. Könne
sich ein Patient nicht ausweisen, so sollte – ausgenommen in
Notfällen – die Behandlung, gemäß den geltenden Bestimmungen,
prinzipiell abgelehnt werden. Patienten sollten im Zweifelsfall an
die zuständige Krankenkasse verwiesen werden. Kassenarztpraxen in
ganz Österreich werden von der ÖÄK mit Info-Flyern für Patienten mit
dem Titel „Spione zerstören Vertrauen“ versorgt. Auch Plakate und
Wartezimmer-TV informieren über das Problem Mystery Shopping und
seine negativen Auswirkungen.

„Wir Ärzte bitten in dieser Informationsoffensive unsere Patienten
auch um Verständnis für Vorsichtsmaßnahmen, die wir treffen müssen,
um nicht den Verlust des Kassenvertrages zu riskieren“, erklärt
Steinhart. Patienten müssten darüber aufgeklärt werden, „dass diese
Maßnahmen nicht eigenmächtig oder gar böswillig getroffen werden,
sondern zur persönlichen rechtlichen Absicherung ihres Arztes“.

Es sei zu hoffen, dass zum Thema „Mystery Shopping“ in der Politik
und bei den Entscheidungsträgern der Sozialversicherung ein Umdenken
einsetze und dieses Gesetz wieder rückgängig gemacht werde, sagt
Steinhart: „Als Ärzte werden wir uns dafür einsetzen, dass die
medizinische Versorgung nicht weiter durch Bürokratie, Verunsicherung
und Spitzeldienste gefährdet wird.“ (bk)

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NAE

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel