- 25.05.2016, 11:10:21
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Augenärzte greifen in die Produkthaftung der Optiker ein
Bundesinnung der Augenoptiker/Optometristen warnt vor den Auswirkungen der Novellierung des „Werbeverbots“
Utl.: Bundesinnung der Augenoptiker/Optometristen warnt vor den
Auswirkungen der Novellierung des „Werbeverbots“ =
Wien (OTS) - Die gerade viel diskutierte Novellierung des §3
(Werbeverbot) der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer
ermöglicht Augenärzten künftig wirtschaftliche Vermerke (wie
Markennennungen, Verkaufsstellen etc.) auf Verordnungen. Bei
Hilfsmitteln (Medizinprodukte) eine klare Überschreitung ihrer
Fachkompetenz und Zuständigkeit, stellt die Bundesinnung der
Augenoptiker/Optometristen fest. Dies bewirke eine extreme
Wettbewerbsverzerrung und offene Türen für Korruption.
„Zulässig ist die sachliche, wahre und das Ansehen der Ärzteschaft
nicht beeinträchtigende Information über Arzneimittel, Heilbehelfe
und sonstige Medizinprodukte sowie über deren Hersteller und
Vertreiber in Ausübung des ärztlichen Berufes.“ Dieser Satz ist seit
Dezember 2015 neu im §3 der Verordnung der Österreichischen
Ärztekammer über die „Art und Form zulässiger ärztlicher Information
in der Öffentlichkeit idF vom 21.12.2015“, jenem Paragraphen, der ein
ausdrückliches Werbeverbot für Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige
medizinische Produkte sowie für deren Hersteller und Vertreiber
ausspricht.
Der Anlass für diese Novellierung kam von den Augenärzten. Es ist nun
erlaubt bzw. unter dem Deckmantel einer „sachlichen Information“
empfohlen, auf Handel und Fertigung bezogene Vermerke
(Markennennungen, Verkaufsstellen etc.) auf Verordnungen anzubringen.
Die Bundesinnung der Augenoptiker/Optometristen sieht dieses Vorgehen
als eine rein wirtschaftlich motivierte Strategie und gibt zu
bedenken, dass Ärzte demnach Empfehlungen ausstellen, die nicht von
ihrer Fachkompetenz und Zuständigkeit abgedeckt sind und dabei in die
Produkthaftung des Augenoptikers eingreifen, was zu einem
Gesetzeskonflikt führt.
Nicht nur die umstrittenen „Shops-in-Ordi“ sind nun legitimiert.
Verschmelzen Augenarzt (Krankheit/Therapie) mit Augenoptik
(Messung/Fertigung/Verkauf), führt dies zu extremer
Wettbewerbsverzerrung: seit der Novellierung gibt es bereits vermehrt
Gewerbeanmeldungen von Augenärzten für den Handel von
Medizinprodukten. „Durch diese Vorgehensweise verliert auch die
Gesundheit des Einzelnen die oberste Priorität beim Arzt“, warnt Dr
Anton Koller, Kommerzialrat und Bundesinnungsmeister der
Augenoptiker/Optometristen.
Eine Frage der Ausbildung und Kompetenz
Die Ausbildung und Arbeit eines Augenarztes umfasst Anamnese,
Untersuchung, Diagnose und Therapie sowie Augenchirurgie. Er stellt
fest, ob die Ursache für das „schlechte Sehen“ eines Patienten
krankheitsbedingt ist und einer vom Arzt durchgeführten Therapie
bedarf oder rein physiologischen Ursprungs und mit Hilfsmitteln wie
etwa einer Brille versorgt werden kann. Für die Korrektion einer
Fehlsichtigkeit (keine Krankheit) ist einzig der Augenoptiker
zuständig sowie bestens ausgerüstet und geprüft. Dessen Ausbildung
umfasst im Gegensatz zu den Ärzten handwerkliches Können und die
Grundlagen dafür (z.B. Materialkunde, Physiologie und Fotometrie).
Zentral sind das Verstehen der optischen Gesetze sowie das Messen und
Optimieren am Auge. „Es braucht unter anderem Material- und
Brillenglasgeometrie-Kenntnisse. Sie sind für die individuelle,
spezialisierte Beratung des Kunden durch den qualifizierten
Augenoptiker unabdingbar. Dafür ist ein Augenarzt weder ausgebildet,
noch hat er im Rahmen der Untersuchung dafür Zeit“, erklärt Anton
Koller. Eine sinnvolle, sachliche Information über Hersteller und
Marken ist daher durch den Arzt gar nicht möglich.
Augenoptiker trifft Produkthaftung
Brillen sind Medizinprodukte, weil sie am Körper des Menschen
getragen werden. Der Optiker ist Hersteller, damit trifft ihn die
Produkthaftung zu 100%. Dafür muss er, gesetzlich verpflichtet, eine
Haftpflichtversicherung abschließen. Löst er diese auf, verliert er
die Gewerbeberechtigung. Aufgrund der Produkthaftung muss ein
Hersteller auch alles unternehmen bzw. darf nichts unterlassen, das
zu einem Mangel führen könnte, insbesondere da dies bzgl. der
Brillenglasstärke sowie den Anpass- und Zentriergesetzen für die
Kunden immer „versteckte Mängel“ wären. Aufgrund der fachlichen
Ausbildung und Qualifikation laut Meisterprüfungsordnung zählt dazu
ganz eindeutig das Erheben der erforderlichen Parameter wie etwa des
Korrektionsbedarfs, was keine ärztliche Leistung ist. Eine
Markennennung auf Verordnungen greift daher eindeutig in die
Produkthaftung des Augenoptikers ein.
Wer profitiert davon?
Die Novellierung der Verordnung erweitert die Zuständigkeit eines
(Augen-)Arztes, der er allein von seiner Ausbildung her nicht
gewachsen sein kann. Es ist daher davon auszugehen, dass das Motiv
dahinter ein rein wirtschaftliches ist. „Zusätzlich kommt es einem
Verschleudern von Volksvermögen gleich, dass ein Facharzt mit
hervorragender, aber auch teurer – von der Allgemeinheit bezahlter –
Ausbildung, seine Zeit mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit
verbringt“, gibt Anton Koller zu bedenken.
Das trifft am Ende auch die Patienten bzw. deren Gesundheit, wenn
Fachärzte viel Zeit mit nicht-ärztlichem Tun verbringen: die
Wartelisten bei den Augenärzten sind lang, monatelange Verzögerungen
„normal“. Die Vermischung von Behandlung und Verkauf bewirkt zudem
eine immer schlechtere medizinische Versorgung. „Häufig kam und kommt
es zur Nötigung, dass eine fachärztliche Stelle nur dann einen
Verordnungsschein – zur Abrechnung eines relativ großen Kostenanteils
bei der Sozialversicherung – ausstellt, wenn der Bezug auch bei einem
bestimmten, meist im Haus befindlichen Augenoptiker erfolgt. Ein
Augenoptiker muss es sich also gut stellen bei (s)einem
Augenfacharzt. Damit ist der Korruption Tür und Tor geöffnet“, so
Koller, „die Gesundheit der Patienten rückt in den Hintergrund.“
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