Diskussionsabend des Hausärzteverbandes am 2.6. - ÖHV informiert über mögliche Kündigung des Kassenvertrages
Utl.: Diskussionsabend des Hausärzteverbandes am 2.6. - ÖHV
informiert über mögliche Kündigung des Kassenvertrages =
Wien (OTS) - Überbordende Bürokratie und ein fanatischer
Regulierungswahn des Gesetzgebers verursachen bei
Krankenkassen-Vertragsärzten Wut und Verzweiflung. Die Palette der
Qualen reicht von Mystery Shoppern in den Ordinationen über
Ausweiskontrollen bei Fremdpatienten bis zum Zwang, an ELGA
teilzunehmen. Immer mehr Ärzte ziehen nun die Notbremse und befreien
sich aus der „Zwangsjacke Kassenvertrag“. Im Rahmen eines
Diskussionsabends am 2. Juni im Wiener RadioKultuhaus zeigt der
Österreichische Hausärzteverband (ÖHV), dass der Ausstieg aus dem
morschen Kassenvertragssystem überlegenswert ist. Jungen sei unter
den derzeitigen Vertragsbedingungen dringend empfohlen, ihren
beruflichen Weg ohne diese fremdbestimmte Belastung zu gehen.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Während der Hauptverband
nach mehr Kassenärzten ruft, explodiert die Zahl der
Wahlarztordinationen: Mittlerweile sind bereits 58 Prozent der
niedergelassenen Ärzte in Österreich Wahlärzte. In Wien sogar mehr
als zwei Drittel, in Niederösterreich 61 Prozent, Tendenz steigend.
„In den Praxen der Wahlärzte ist eine hohe Quote an zufriedenen
Patienten zu beobachten“, betont Dr. Wolfgang Geppert, Sprecher des
Hausärzteverbandes. Die Kassenmedizin mit ihrem Zwang zur
Massenabfertigung werde immer unattraktiver. Der echten
Zuwendungsmedizin ohne Drohung und Versklavung, ohne
Leistungdeckelung und Chefarztbelehrung, gehöre die Zukunft.
Ende der Knechtschaft
Als „perfides System“ empfand Dr. Anton Biedermann, Hausarzt in
Ober-Grafendorf, die monetär sinnlose Akkordarbeit, garniert mit
permanentem Druck der Kassen, und sagte sich von diesem vor zwei
Jahren los. „Nach der Befreiung aus der Knechtschaft ist die
Begeisterung an der Arbeit zurückgekehrt. Der Umsatzverlust hielt
sich in Grenzen, dafür haben Wartezeiten über eine Viertelstunde zur
Freude der Patienten mittlerweile Seltenheitswert“, so Biedermann.
Ähnliche Erfahrungen machte die Wolkersdorfer Hausärztin Dr. Gertrude
Bartke-Glatz, die ihre Arbeitszeit als Vertragsärztin angesichts von
Dokumentationspflichten, juristischer Absicherung, ökonomischer
Medikamentenverordnung, Qualitätssicherung und verpflichtenden
Wochenenddiensten bereits als gesundheitsbedenklich einschätzte. „Ich
konnte und wollte nicht meine Patientinnen und Patienten in gesunder
Lebensführung unterweisen und selbst ein völlig anderes Leben führen.
Von Seiten der Gebietskrankenkasse wird man ja finanziell dafür
bestraft, wenn man sich viel Zeit für das persönliche
Patientengespräch nimmt. Jetzt habe ich wieder die Zeit und die
Energie, den vor mir sitzenden Menschen in seiner Gesamtheit zu
erfassen und ihm mein Wissen und meine Expertise zur Verfügung zu
stellen.
Zuwendungsmedizin wird bestraft
Ein Befund, den der Marchegger Hausarzt und Schriftsteller Dr.
Günther Loewit voll und ganz teilt. „Die vollständige Unterwerfung
der Medizin gegenüber der EDV – Stichwort ELGA – und die Forderung
der Krankenkassen nach billigen ärztlichen Einzelleistungen haben
eine menschenwürdige, empathische Arzt-Patient-Beziehung im Rahmen
eines Kassenvertrages weitestgehend unmöglich gemacht. Von den
erlebten Demütigungen stundenlanger Verhöre über angeblich nicht
erbrachte, aber verrechnete, Leistungen ganz zu schweigen“, so
Loewit. Generell ortet er nach 30-jähriger beruflicher Tätigkeit die
Intention der Gesundheitspolitik, die Institution Hausarzt bewusst
aus dem System zu entfernen: „Obwohl Hausärzte die mit Abstand
kostengünstigste Medizin betreiben, scheint die Politik die große
Bedeutung des Hausarztes in der Bevölkerung als machtpolitische
Bedrohung zu empfinden.“
Eine breite Solidarität zur bundesweiten Kündigung aller Verträge
sieht Loewit trotz aller Klagen der Ärzteschaft ebenso wenig wie
ÖHV-Sprecher Geppert als wahrscheinlich an. „Kassenärzte, über
Jahrzehnte zum Einzelkämpferdasein gezwungen, haben nie gelernt an
einem Strang zu ziehen. In kompletter Verblendung wird der
Kassenvertrag immer noch oft zum Heiligtum erhoben. Ihn zu verlieren,
so die falsche Vorstellung, komme einer Existenzvernichtung gleich“,
meint Geppert. Damit hätten Gesetzgeber und Sozialversicherer
leichtes Spiel, die schrittweise Versklavung gelinge mühelos.
Mut zur Befreiung
Mit dem Diskussionsabend am 2. Juni will der Hausärzteverband
möglichst viele Ärzte darüber informieren, wie die „Zwangsjacke
Kassenvertrag“ abgestreift werden kann. Zum Beispiel kann dem Vorbild
der Podiumsgäste gefolgt werden. Sie haben den
Gebietskrankenkassenvertrag inklusive Sozialversicherung der Bauern
gekündigt und die sogenannten „kleinen Kassen“ als Sicherheitsnetz
behalten. Schon dieser Schritt, so die Ansicht der Podiumsteilnehmer,
bringe eine massive Verbesserung der Berufs- und Lebensqualität.
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Diskussionsabend des Österreichischen Hausärzteverbandes
Diskutanten:
Dr. Gertrude Bartke-Glatz
Niedergelassene Allgemeinmedizinerin in Wolkersdorf
Dr. Anton Biedermann
Niedergelassener Allgemeinmediziner in Ober-Grafendorf
Dr. Günther Loewit
Niedergelassener Allgemeinmediziner und Schriftsteller in Marchegg
Moderator:
Dr. Wolfgang Geppert
Sprecher des Österreichischen Hausärzteverbandes
Weitere Informationen unter www.hausaerzteverband.at
Datum: 2.6.2016, um 19:00 Uhr
Ort: ORF RadioKulturhaus RadioCafé
Argentinierstraße 30a, 1040 Wien
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