Falter-Cover, das sexuelle Übergriffe in Köln zeigt, verletzt Ehrenkodex
Wien (OTS) - Der Senat 1 des Presserats beschäftigte sich in seiner letzten Sitzung mit dem Titelbild der Falter-Ausgabe 1-2/16, auf dem eine Zeichnung zu den sexuellen Übergriffen von in Gruppen verabredeten Männern in Köln veröffentlicht ist. Nach Meinung des Senats verstößt die Zeichnung gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.
In der Zeichnung sind fünf weinende Frauen dargestellt, die von einer großen Anzahl von Männern sexuell belästigt werden sowie ein Polizist, der weggedrängt wird.
Die Zeichnung ist in schwarz-weiß ausgeführt. Die fünf weinenden Frauen haben eine helle Hautfarbe und helle Haare; sie werden von etwa 40 – 50 Männern bedrängt und begrapscht. Die Männer haben alle dunkle Haare und markante dunkle Augenbrauen, die meisten von ihnen blicken grimmig drein. Die Gesichter der Männer unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander.
Ein Polizist mit hellen Haaren wird von einigen der Männer weggedrängt.
Eine Leserin hat sich an den Presserat gewandt und kritisiert, dass die Männer als „spezifisch nordafrikanisch portraitiert“ würden. Alles Fremde würde dabei degradiert, Sexismus würde ausschließlich als muslimisches und fremdes Problem gesehen.
Der Herausgeber und Chefredakteur des „Falter“ und die Zeichnerin haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, an der Verhandlung teilzunehmen.
Die Zeichnerin bringt vor, dass es eine Tatsache sei, dass es sich bei den Vorfällen in Köln überwiegend um Nordafrikaner gehandelt habe. Das sei so passiert und das müsse man so darstellen dürfen. Es sei für jeden klar, dass sich das Cover genau auf diese Vorfälle beziehe. Eine Pauschalverunglimpfung liege daher nicht vor. Die Zeichnerin betont, dass es sich bei ihrem Werk nicht um eine (überhöhende) Karikatur sondern um die Abbildung eines Sachverhaltes in Form einer Illustration handle. Auf Fotos des Domplatzes in Köln sei zu sehen, dass sich dort praktisch fast nur nordafrikanische Männer aufgehalten hätten. Die Männer seien aber nicht als „spezifisch nordafrikanisch“ portraitiert, dies sei einfach die Art, wie sie zeichne. Sexismus und sexuelle Gewalt würden durch die Illustration weder als fremdes, noch als ausschließlich muslimisches Problem dargestellt und die Zeichnung sei auch nicht rassistisch.
Der Herausgeber weist den Vorwurf der Pauschalverunglimpfung und Diskriminierung zurück und meint, dass es sich hier um eine Illustration mit künstlerischem Anspruch handle, die sowohl die Freiheit der Kunst als auch die Meinungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen könne und sich klar im Rahmen des Erlaubten befinde. Es sei vollkommen klar gewesen, was passiert sei. Diese Tatsache sei in der Illustration künstlerisch umgesetzt worden. Er sehe in der Kritik eine Verunglimpfung des „Falter“, der als rassistisches Blatt hingestellt werden solle, was er nicht sei. Alleine aufgrund der Tatsache, dass es im „Falter“ erschienen sei, müsse klar sein, dass hier keine „rassistische Propaganda“ gemacht werde.
Der Senat hält zunächst fest, dass das inkriminierte Bild am Cover erschienen und somit als eigenständige Veröffentlichung zu bewerten ist.
So wie die Zeichnerin wertet der Senat diese Darstellung nicht als Karikatur, bei der das Recht auf Meinungsfreiheit und das Recht auf Kunstfreiheit einen größeren Anwendungsbereich hätten.
Für die Beurteilung durch den Senat kommt es nicht auf die Absicht an, die eine Zeichnerin mit dem Werk verfolgt, sondern vielmehr und ausschließlich darauf, wie dies von den Lesern wahrgenommen wird.
Die Männer werden alle mit dem mehr oder weniger gleichen grimmigen Gesicht, dunklen Haaren und markanten dunklen Augenbrauen dargestellt. Dadurch wird – im Kontext mit den Vorfällen in Köln – ein Prototyp eines Mannes aus dem nordafrikanischen bzw. arabischen Raum konstruiert. Durch die Uniformität der Darstellung wird suggeriert, dass es sich dabei nicht um einzelne Individuen, sondern um eine homogene Gruppe handelt, bei der sich alle Mitglieder gleich verhalten würden, so der Senat weiter. Dadurch kann bei den Lesern der Eindruck entstehen, dass die sexuellen Belästigungen von Frauen in Köln nicht nur Taten einzelner Personen oder Personengruppen gewesen seien, sondern für Männer aus dem nordafrikanischen bzw. arabischen Raum typisch seien.
Nach Ansicht des Senats weist die Zeichnung damit ein generalisierendes Element auf. Es kann der Anschein erweckt werden, als würden sich alle Männer aus dem nordafrikanischen Raum auch hier in Europa Frauen gegenüber nicht entsprechend korrekt verhalten. Darin erkennt der Senat eine Pauschalverunglimpfung und Diskriminierung dieser Personen.
Für die Bewertung durch den Presserat ist nicht die generelle politische Einstellung bzw. die Blattlinie einer Zeitung ausschlaggebend, schon gar nicht, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um ein Cover handelt, das auch von Personen wahrgenommen werden kann, die die Blattlinie der Zeitung nicht kennen.
Die Veröffentlichung des Titelbildes verstößt somit gegen Punkt 7 (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung) des Ehrenkodex.
Der Senat fordert die Falter Zeitschriften Gesellschaft m.b.H. auf, die Entscheidung freiwillig im Falter zu veröffentlichen.
Selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung einer Leserin
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall hat der Senat 1 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durchgeführt (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der Wochenzeitung „Falter“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin der Wochenzeitung „Falter“ hat sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats unterworfen.
Rückfragen & Kontakt:
Dr. Tessa Prager, Sprecherin des Senats 1, Tel.: 01/21312-1169