Warum eine Statistik über Schwangerschaftsabbrüche zu nichts führt
Utl.: Warum eine Statistik über Schwangerschaftsabbrüche zu nichts
führt =
Wien (OTS) - Die aktuell vorliegende Bürgerinitiative „Fakten helfen“
bringt unsere Gesellschaft keinen Schritt weiter. Ganz besonders
nicht die Frauen. Das ist die schlechte Nachricht zum heurigen
Frauentag.
Die Initiatoren der Aktion meinen, dass Frauen geholfen und die
Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche reduziert werden kann, wenn wir
wissen, erstens wie viele Schwangerschaftsabbrüche in Österreich
jährlich durchgeführt werden und zweitens, warum dies geschieht.
Nur was tun wir, wenn wir die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche
kennen?
Was tun wir, wenn wir wissen, dass es 1.000, 10.000, 20.000 oder
50.000 Abbrüche pro Jahr sind?
Wir müssen eines verstehen: Gegen eine ungeplante Schwangerschaft und
einen Schwangerschaftsabbruch hilft nur eines: Verhütung!
Wenn wir die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche verringern wollen,
können wir morgen, besser noch heute damit beginnen, in die
Prävention zu investieren, gratis Verhütungsmittel zur Verfügung zu
stellen - wie in anderen Ländern auch - und mit flächendeckenden
Aufklärungskampagnen starten. Wir können die Arbeitssituation von
Frauen verbessern und die Gehaltsschere schliessen. Lieber heute als
morgen.
Neben der Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche sollen die Motive
erhoben werden. Man will also wissen, warum Frauen ihre
Schwangerschaft abbrechen. Auch hier stellt sich die Frage: Was
machen wir, wenn wir die Motive erfasst haben? Was machen wir, wenn
uns beispielsweise 80% der Frauen sagen, dass sie zum
Abfragezeitpunkt kein Kind wollen - noch kein Kind, kein weiteres
Kind oder gar kein Kind?
Es ist zu vermuten, dass die Initiatoren dieser Aktion dazu übergehen
werden, die unterschiedlichen Gründe, die Frauen nennen würden,
anzuzweifeln. Wenn sie erst die Motive kennen, können sie diese auch
in Frage stellen. Am Ende des Tages könnten sie einer Frau -
selbstverständlich gut gemeint- nahe legen, dass dieser oder jener
Grund doch bitte nicht triftig genug ist, um einen
Schwangerschaftsabbruch zu rechtfertigen.
Wollen wir das?
Es ist davor zu warnen, dass wir Frauen nicht ernst nehmen und dass
sich jemand zum Richter ernennt über die autonome Entscheidung von
Frauen in einer ohnehin schwierigen Situation.
Wir brauchen diese Richter nicht!
Die Entscheidung jeder einzelnen Frau zum Schwangerschaftsabbruch
muss respektiert werden - 1.000 mal, 10.000 mal, 20.000 oder 50.000
mal. Und wer denkt, dass Frauen die Entscheidung zum
Schwangerschaftsabbruch leicht fällt, irrt gewaltig.
Die soziale Stigmatisierung von Frauen wäre mit dieser Initiative
vorprogrammiert. Vor einem massiven Angriff auf die Selbstbestimmung
der Frauen müssen wir daher warnen - 40 Jahre nach Einführung der
Fristenlösung ist das offensichtlich mehr denn je nötig - und es ist
davor zu warnen, Frauen unter Druck zu setzen, sie zur Rechtfertigung
zu zwingen und ihnen die eigene Moral aufzwingen zu wollen.
Ein paar Fakten für die Initiatoren dieser Aktion:
- 65% der Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch (bei pro:woman)
durchführen lassen, sind zwischen 20 und 35 Jahre alt, 7,5% der
Frauen sind jünger als 20 Jahre.
- 40% unserer Klientinnen sind verheiratet oder leben in einer
Partnerschaft.
- 56% haben bereits ein oder mehrere Kinder.
- Für 43% der Frauen war es nicht der erste Schwangerschaftsabbruch.
- 37% der Klientinnen verhüteten vor dem Schwangerschaftsabbruch
nicht.
Im Ambulatorium pro:woman wird niemals nach dem Warum gefragt.
Dennoch werden viele Gespräche mit ungewollt schwangeren Frauen
geführt, wenn diese - freiwillig - über ihre Entscheidung sprechen
wollen.
Die meist genannten Motive für einen Schwangerschaftsabbruch sind:
keine stabile Partnerschaft (zu kurze Dauer, Unzufriedenheit, keine
langfristigen Pläne mit dem Partner), die wirtschaftliche Situation
der Frau (in Ausbildung stehend, arbeitslos, Geldmangel,
Karriereplanung wichtiger) und fehlende Zukunftsperspektiven
hinsichtlich eines ersten oder eines weiteren Kindes. Häufig sind es
mehrere dieser Gründe, die sich in der aktuellen Lebenssituation der
Frau überlagern.
Diese Motive wurden im Übrigen bereits in Studien erhoben. Sie sind
seit vielen Jahren unverändert geblieben.
Vergleicht man mit anderen Ländern Europas, liegt die Anzahl der
hierzulande durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche zwischen rund
10.000 (Vergleich mit der Schweiz oder Deutschland) und rund 20.000
(westeuropäischer Durchschnitt) pro Jahr.
Eine statistische Erhebung ist aufwendig und wird immer lückenhaft
bleiben, denn das Einverständnis jeder einzelnen Frau würde wohl
benötigt werden und niemand kann zur (richtigen) Auskunft gezwungen
werden.
Was machen wir also mit einer lückenhaften und womöglich sogar
unrichtigen Statistik, wenn wir noch dazu die Ergebnisse schon lange
kennen und keine neuen Erkenntnisse ziehen können?
Rund 50.000 Menschen haben die Initiative unterschrieben. Selbst wenn
ausschliesslich Frauen im gebärfähigen Alter unterzeichnet hätten,
läge die Beteiligung bei knapp 3%. Unter allen wahlberechtigten
Personen in Österreich sind es 0,8%.
Das ist die gute Nachricht.
Das pro:woman Ambulatorium und Zentrum für Vasektomie wurde 1979 als
private Tagesklinik bzw. Krankenanstalt registriert.
Das Ambulatorium war österreichweit die erste und einzige Klinik, die
sich dieser Thematik gewidmet hat.
Das Ambulatorium beschäftigt rund 35 GynäkologInnen,
AnästhesistInnen, Urologen, Krankenschwestern, Psychologinnen sowie
Lebens- und Sozialberaterinnen mit vielfachen Zusatzausbildungen.
Elke Graf ist Trägerin des Frauenpreises der Stadt Wien 2015.
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