Wien (OTS) - Das intrazelluläre Bakterium „Candidatus Neoehrlichia“
kann, wie etwa Borrelien, von Zecken übertragen werden. Rund 4,2
Prozent der heimischen Zecken sind mit diesem noch wenig erforschten
Bakterium infiziert, das bisher aber ausschließlich bei PatientInnen
mit einer Beeinträchtigung des Immunsystems, wie etwa bei Leukämie,
Rheuma oder nach Organ-Transplantation, als krankheitsauslösendes
Bakterium identifiziert werden konnte. Nun ist es einem
interdisziplinären Forscherteam der MedUni Wien bzw. im AKH Wien
gelungen, das Bakterium bei einer ansonsten gesunden Patientin mit
Fieber unbekannter Ursache zu diagnostizieren – und erfolgreich zu
behandeln.
„Die Tatsache, dass nun auch ein Fall einer Infektion einer ansonsten
völlig gesunden Patientin beschrieben ist, verleiht dem Bakterium und
dem Krankheitsbild der humanen Neoehrlichiose einen völlig neuen
Charakter, da offenbar jeder Mensch, unabhängig von einer
spezifischen Veranlagung, daran erkranken kann“, sagt Heimo Lagler
von der Universitätsklinik für Innere Medizin I (Klinische Abteilung
für Infektionen und Tropenmedizin). Außerdem waren die klinische
Abteilung für Mikrobiologie, die Universitätsklinik für Klinische
Pharmakologie und das Klinische Institut für Pathologie der MedUni
Wien/AKH Wien beteiligt.
Entdeckt wurde das nicht kultivierbare intrazelluläre Bakterium mit
Hilfe einer bakterienspezifischen
Breitspektrum-Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR), nachdem die Patientin
wochenlang unter Fieberschüben, Gelenkschmerzen und Abgeschlagenheit
gelitten hatte und zur Abklärung eines „Fiebers unbekannter Ursache“
ins Spital gekommen war. Diese bakterienspezifische PCR ist eine
Labormethode zum Nachweis jeglicher bakterieller Erbinformation und
kommt bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion bei negativen
herkömmlichen mikrobiologischen Nachweismethoden zum Einsatz. Die
MedUni Wien verfügt über eines der wenigen Labors in Österreich, in
denen diese sowohl arbeits- als auch kostenintensive Methode
verfügbar ist. „Damit konnten wir letztendlich im Plasma der
Patientin Neoehrlichien-spezifische DNA nachweisen“, so Lagler.
Ausgezeichnetes therapeutisches und diagnostisches Vorgehen
Da es bisher keine anerkannte Empfehlung zur Therapiedauer gibt,
wurde die antimikrobielle Behandlung mittels regelmäßiger
PCR-Messungen kontrolliert. Nach einer Woche hoch dosierter Therapie
mit dem Wirkstoff Doxycyclin war kein DNA-Signal mehr messbar und die
Patientin konnte beschwerdefrei nach Hause gehen. Dieses
diagnostische und therapeutische Vorgehen wurde nun in „Emerging
Infectious Diseases“, dem Top-Journal der amerikanischen
Gesundheitsbehörde (CDC, Centers for Disease Control and Prevention)
veröffentlicht
(http://wwwnc.cdc.gov/eid/article/22/2/14-1762_article).
Doxycyclin wird schon länger zur Behandlung der Borreliose
eingesetzt, aber auch zur Therapie anderer Infekte, insbesondere
solcher die durch intrazelluläre Erreger bedingt sind.
Abklärung von gemeinsamer Übertragung von Borreliose und
Neoehrlichiose
Ob sich die junge Frau auf einer vorangegangenen Afrikareise oder in
Österreich infiziert hat, ist nicht bekannt, ebenso wenig, ob das
Bakterium ohne antimikrobielle Therapie chronische Krankheitsverläufe
verursachen kann oder wie viele Menschen sich in Österreich, einem
Hochrisikoland für Zeckenstiche, jährlich damit infizieren und wie
viele davon auch tatsächlich erkranken. „Angesichts der vorliegenden
Daten zur Infektionsrate von Zecken in Österreich ist eine hohe
Dunkelziffer an Erkrankungen durchaus realistisch“, sagt Lagler.
Daher sei es nach einem Zeckenstich auch wichtig, eine Infektion
durch das Bakterium „Candidatus Neoehrlichia“ abklären zu lassen.
Auch eine gemeinsame Übertragung mit Borrelien, den Verursachern der
Lyme-Borreliose, ist prinzipiell denkbar.
Lagler: „Heimische Zecken könnten gleichzeitig mit beiden
Bakterienarten infiziert sein und daher mit nur einem Stich beide
Krankheiten übertragen. Das wäre aus therapeutischer Sicht wichtig,
da die antimikrobielle Behandlung einer Borreliose im Frühstadium mit
einem Beta-Laktam-Antibiotikum gegen die Neoehrlichiose mit großer
Wahrscheinlichkeit unwirksam wäre.“
Noch intensivere interdisziplinäre Forschungen an der MedUni Wien
bzw. im AKH Wien rund um die Neoehrlichiose sollen dazu beitragen
noch stabilere Daten zur Häufigkeit, Diagnostik und Therapie zu
erlangen.
Service:
Anaplasmataceae-Specific PCR for Diagnosis and Therapeutic Guidance
for Symptomatic Neoehrlichiosis in Immunocompetent Host. Schwameis M,
Auer J, Mitteregger D, Simonitsch-Klupp I, Ramharter M, Burgmann H,
Lagler H. Emerg Infect Dis. 2016 Feb;22(2):281-4. doi:
10.3201/eid2202.141762. PMID: 26811875.
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