Forscher des IMBA geben neue Einblicke in einen elementaren Baustein der Eizellen. Geht er altersbedingt verloren, könnte dies die Ursache für Krankheiten wie Down Syndrom erklären.
Utl.: Forscher des IMBA geben neue Einblicke in einen elementaren
Baustein der Eizellen. Geht er altersbedingt verloren, könnte
dies die Ursache für Krankheiten wie Down Syndrom erklären. =
Wien (OTS) - Wissenschaftler am IMBA (Institut für molekulare
Biotechnologie) der österreichischen Akademie der Wissenschaften
entdeckten, dass die Teilung von Eizellen bei Säugetieren vom
Proteinkomplex Cohesin abhängt, welcher die Chromosomen schon vor der
Geburt umschließt und danach nicht erneuert wird. Der Cohesin Komplex
ist bemerkenswert langlebig, aber möglicherweise geht dieser mit den
Jahren irreversibel von den Chromosomen verloren. Das Unvermögen der
Eizellen, das ringförmige Band zu erneuern, das die Chromosomen
zusammenhält, könnte zum altersbedingten Auftreten von fehlerhafter
Chromosomenaufteilung und numerischen Chromosomenaberrationen
(Aneuploidien) beitragen, wo - wie im Falle einer Trisomie - ein
einzelnes Chromosom zusätzlich zum üblichen Chromosomensatz vorhanden
ist. Diese Erkenntnisse liefern eine mögliche Erklärung für die
molekularen Ursachen von vermehrten Auftreten von Trisomien und
verminderter Fruchtbarkeit im Alter der Frau („maternal age effect“).
Das Alter der Mutter ist der wichtigste Risikofaktor für die
Entstehung von Trisomien bei Kindern, wie etwa dem Down-Syndrom, bei
welchem drei Kopien des Chromosoms 21 vorhanden sind. Drei Kopien
desselben Chromosoms können von einer fehlerhaften Chromosomenteilung
in der Eizelle herrühren, welche zwei mütterliche Kopien bewahrt und
eine dritte durch die Befruchtung mit dem väterlichen Spermium
erhält. Die Ursachen für die Zunahme von trisomischen
Schwangerschaften bei älteren Müttern sind jedoch nicht geklärt.
Eine Hypothese dafür legt ihren Fokus auf Cohesin. Dieser
Proteinkomplex umschließt die bereits replizierten Chromosomen
ringförmig, dies wird „Cohesion“ genannt, und hält sie zusammen bis
zur Zellteilung. Ein verfrühter Verlust von Cohesin vor der
eigentlichen Zellteilung kann zur fehlerhafter Chromosomenteilung und
somit zur Aneuploidie führen. Vor einigen Jahren wurde beobachtet,
dass das Cohesin in alternden Eizellen instabil wird. Wissenschaftler
nehmen an, dass dies der Grund für Erbkrankheiten wie das Down
Syndrom ist. Eine spannende Studie dazu erscheint heute im Journal
Current Biology.
Den Ausgangspunkt der Arbeit beschreibt Sabrina Burkhardt,
Doktorandin in der Forschungsgruppe von Kikue Tachibana-Konwalski am
IMBA und Erstauthorin der Studie, so: „Frauen werden mit einer
festgelegten Anzahl an Eizellen geboren. Anfangs sind alle in einem
Stadium der Meiose verhaftet. Kommt eine Frau dann in die Pubertät
beginnen die Eizellen während jedes Zyklus nacheinander bis zum
Eisprung heranzureifen“. So wie jede Zelle durchläuft die Eizelle
somit einen Alterungsprozess im weiblichen Körper in welchem auch das
Cohesin weniger wird.
„Mein Team und ich möchten herausfinden wie die Chromosomen in der
Eizelle von der Geburt bis zur Ovulation durch den Cohesin Komplex
zusammengehalten werden“, sagt Tachibana-Konwalski. Die Studie
basiert auf ihrer Arbeit als Post-doc an der Universität Oxford. Dort
hat sie untersucht ob Cohesin während eines Zeitraums von 2-3 Wochen
vor der Ovulation in Eizellen erneuert werden. Es konnte kein Hinweis
auf eine Erneuerung gefunden werden und dies erbrachte den ersten
Beweis, dass das Cohesin in Eizellen bemerkenswert langlebig ist
(zumindest über einige Wochen). Das Ergebnis ist insofern
beeindruckend, wenn man bedenkt, dass Proteine in den meisten Zellen
des Körpers innerhalb weniger Stunden erneuert werden.
Zwei Hypothesen wurden getestet: In erwachsenen Eizellen wird neues
Cohesin gebildet oder Cohesin wird einmalig vor der Geburt gebildet
ohne erneuert zu werden. Das Team verwendete eine Kombination aus
Maus Genetik, Zeitraffer-Mikroskopie und TEV-Technologie basierend
auf einem Pflanzenvirus und entdeckte, dass Cohesin für mindestens
vier Monate in erwachsenen Mäusen aufrechterhalten wird ohne
Erneuerung.
“Unsere Ergebnisse zeigten, dass das Cohesin die Chromosomen für eine
sehr lange Zeit zusammenhält. Wir sind daher begeistert von der
Möglichkeit, dass Cohesin der langlebigste Protein-Komplex in einer
metabolisch aktiven Zelle sein könnte, der bisher untersucht wurde“,
freut sich Tachibana-Konwalski.
Der Protein Komplex umarmt die replizierten Chromosomen monatelang
ohne Erneuerung in den Eizellen der Maus. Wenn man dies auf den
Menschen umlegt, bedeutet dies, dass Cohesin möglicherweise die
Chromosomen in den Eizellen der Frauen für Jahrzehnten ohne
Erneuerung zusammenhält. Der altersbedingte Verlust von Cohesin von
den Chromosomen ist daher wahrscheinlich irreversibel. Der nächste
Schritt ist die molekularen Ursachen für diesen Verlust
herauszufinden.
Die Relevanz dieser Studie spiegelt die Statistik wider: Die Anzahl
der Frauen, die nach dem 35. Lebensjahr ein Kind zur Welt bringen,
steigt kontinuierlich an. In Österreich betrug das durchschnittliche
Alter der Erstgebärenden im Jahre 1985 noch 24 Jahre und stieg im
Jahre 2013 auf 29 Jahre an. Heutzutage zeigt sich ein deutlicher
Trend zur späten Mutterschaft und dem damit verbundenen Risiko einer
trisomischen Schwangerschaft.
IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie
Das IMBA ist das größte Institut der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften. Seit 2003 tätig, beschäftigt das IMBA heute mehr als
200 Mitarbeiter aus rund 40 Nationen. Weit über Österreich hinaus hat
das Institut einen exzellenten Ruf als Zentrum biomedizinischer
Grundlagenforschung. Im Zentrum der Forschung stehen grundlegende
Fragestellun¬gen aus den Bereichen Stammzellbiologie, Molekulare
Krankheitsmodelle und Genetik, RNA-Biologie, sowie Chromatin-Dynamik
und Zellbiologie.
ÖAW:
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist die
führende Trägerin außeruniversitärer akademischer Forschung in
Österreich. Die 28 Forschungseinrichtungen betreiben anwendungsoffene
Grundlagenforschung in gesellschaftlich relevanten Gebieten der
Natur-, Lebens- und Technikwissenschaften sowie der Geistes-, Sozial-
und Kulturwissenschaften.
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