- 11.02.2016, 12:43:03
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Krankenhaushygiene: Prävention durch Aktion

Wien (OTS) - Aktuelle Anlässe haben das Thema der
Krankenhausinfektionen erstmals vermehrt in den medialen Fokus
gerückt. Um Hygienemaßnahmen effektiv umzusetzen und Infektionen zu
vermeiden ist sowohl die fundierte Ausbildung der Hygienefachkräfte,
als auch die einheitliche Erhebung von sogenannten „nosokomialen
Infektionen“ notwendig. Aus diesem Grund setzt sich die
Österreichische Gesellschaft für Krankenhaushygiene (ÖGKH) aktiv
dafür ein bundesweit einheitliche Standards zur Vermeidung
nosokomialer Infektionen zu schaffen und die Position von
Hygienefachkräften zu stärken.
Nosokomiale Infektionen sind Infektionen, die in Einrichtungen des
Gesundheitswesens erworben werden und in der Regel als Komplikationen
im Rahmen von Diagnostik und Therapie anderer Grunderkrankungen
eintreten können. Häufig haben sie schwerwiegende Folgen für den
Patienten und können im schlimmsten Fall sogar tödlich enden. Für
Österreich gibt es keine bundesweit flächendeckenden Zahlen zu
tatsächlichen Spitalsinfektionen, man geht jedoch davon aus, dass ca.
jeder 20. Patient (4,5%-5%) im Spital von einer nosokomialen
Infektion betroffen ist. Durch fehlende Meldepflicht fehlt exakte
Evidenz, die sich derzeit nur anhand deutscher Statistiken schätzen
lässt.
Allerdings existieren bereits jetzt in Österreich direkte und
indirekte Regelungen und Empfehlungen zur Vermeidung von nosokomialen
Infektionen, wie zum Beispiel die „PRO HYG 2.0“. Diese gewährleisten
zwar in der Regel ein gewisses Schutzniveau, flächendeckend
durchgesetzt haben sie sich aber noch nicht.
Schnittstelle Hygieneteams und Problematik der Einsparungen
Die Mitarbeiter der Hygieneteams spielen eine zentrale Rolle in der
Umsetzung und Kontrolle der Hygienemaßnahmen in
Gesundheitseinrichtungen. Ihnen kommt jedoch zu wenig Unterstützung
zu. Gerlinde Angerler von der Stabstelle Krankenhaushygiene des
Orthopädischen Spitals Speising und Vorstandsmitglied der ÖGKH fasst
die Problematik zusammen: „Ein Schwerpunkt der Aufgaben einer
Hygienefachkraft ist es, Hygiene und Infektionsprävention durch
Maßnahmen der Erkennung, Verhütung und Bekämpfung solcher Infektionen
zu optimieren. Als Hygienefachkraft gilt es im Sinne der Prävention
die Mitarbeiter für Hygiene zu sensibilisieren und dadurch den
Patienten zu schützen. Der Ausbildung der Hygienefachkraft kommt
somit eine zentrale Bedeutung bei der Senkung von nosokomialen
Infektionen zu. Hygienefachkräfte werden trotz ihrer wesentlichen
Bedeutung oft zu wenig wertgeschätzt.“
Aktuelle Fälle rund um Spitalsinfektionen in Österreich lassen viele
Fragen offen. Als Schnittstelle in diesem Bereich können eindeutig
Experten von Hygieneteams genannt werden. „Als Dreh- und Angelpunkt
in der direkten Patientenversorgung hat das Pflegefachpersonal eine
zentrale Bedeutung wenn es um Themen der Krankenhaushygiene geht.
Dies betrifft die unmittelbare Anwendung von Hygienemaßnahmen¬ wie
etwa die korrekte Durchführung der Desinfektion der Hände.
Grundkenntnisse werden bereits im Rahmen der Berufsausbildung
erlangt.“, erklärt Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen
Gesundheits- und Krankenpflegeverbands. Die Präsenz eines ausreichend
strukturierten und ausgestatteten Hygieneteams ist ein zentrales
Element für die Umsetzung und Einhaltung von Hygienemaßnahmen.
MRSA Screenings als Präventionsmaßnahme
Der Zusammenhang zwischen einer Besiedelung mit dem Bakterium
Staphylococcus aureus und einem erhöhten Infektionsrisiko ist
wissenschaftlich belegt. Patienten sind deshalb bereits vor einer
Operation auf ein potentielles Risiko zu untersuchen. Durch den
Einsatz spezieller Verfahren der Schnelldiagnostik können solche
Erreger rechtzeitig erkannt und frühzeitig antibiotisch behandelt
werden. Auf diese Weise wird der Selektionsdruck auf die
Mikroorganismen reduziert und Antibiotikaresistenzen damit
vorgebeugt.
„Eine aktuelle Studie der MedUni Wien belegt, dass Besiedelungen mit
S. aureus nicht nur im Krankenhausbereich sondern auch vermehrt im
niedergelassenen Bereich zu finden sind. Primärpräventive Maßnahmen
im niedergelassenen Bereich müssen deshalb denselben Standards
folgen, wie jene im Krankenhausbereich. Hygiene ist unteilbar,
Mikroorganismen können nicht erkennen, ob sie sich gerade in einem
Krankenhaus oder in einer niedergelassenen Ordination befinden“, so
Prof. Assadian, Präsident der ÖGKH. Gerade im niedergelassenen
Bereich kommt es häufig zum Fehlgebrauch von Antibiotika. Etwa dann,
wenn Virusinfektionen mit Antibiotika behandelt werden, obwohl sie
nur gegen Bakterien wirken. Deshalb befürwortet die ÖGKH zusätzlich
den Einsatz von Point-of-care-Tests, um klarer zwischen
Virusinfektionen und bakteriellen Infektionen zu unterscheiden.
Leider gibt es große Hürden bei der Kostenerstattung von solchen
präventiven Infektionsschutzmaßnahmen. Weder Screening zur
Feststellung einer S. aureus Besiedelung, noch die erforderlichen
Arzneimittel und antimikrobiellen Medizinprodukte für die Sanierung
werden ohne größere Umwege erstattet. Ähnlich sieht es mit
weiterführender Diagnostik aus. Die präventiven Kosten stehen jedoch
in keinem Vergleich zu den diagnostischen und therapeutischen Kosten
einer tatsächlich eingetretenen Infektion.
Weniger Geld für Krankenhäuser
Einsparungen im Krankenhausbereich stellen für die Hygiene in den
Institutionen ein großes Problem dar. Durch Budgetkürzungen ist der
Einkauf in Krankenhäusern oft gezwungen, auf billigere Produkte,
jedoch hinsichtlich bestimmter Qualitätsaspekte ungünstigere
Medizinprodukte zurückzugreifen. Erste Analysen einer von der ÖGKH
rezent durchgeführten Studie „Erhebung der Arbeitssituation von
Hygieneteams in Österreich 2015“ zeigt, dass in 73% der
teilgenommenen Gesundheitseinrichtungen eine Arzneimittelkommission
vorhanden ist, jedoch nur 23% der an der Umfrage beteiligten
Hygieneteams dort Mitglieder sind. Dies schlägt sich auch an der
Umsetzung der Antibiotika-Stewardship Programme nieder. Lediglich 45%
der befragten Einrichtungen haben ein ABS-Programm implementiert.
„Der sichere und adäquate Umgang mit Antibiotika ist eine
Lebensversicherung für zukünftige Patientengenerationen. Hinsichtlich
Strategien zum Umgang mit Antibiotika besteht somit noch ein
deutliches Verbesserungspotential“, so Assadian.
Allerdings scheint die Situation zur Anschaffung von Medizinprodukten
mindestens genau so kritisch zu sein. Lediglich 25% der befragten
Institutionen verfügen über eine Medizinproduktekommission, darunter
nur 12% mit Mitgliedern des Hygieneteams. „Die Anschaffung von
Medizinprodukten ist ein komplexer und verantwortungsvoller Prozess,
bei dem neben wirtschaftlichen Kenntnissen ein hohes Maß an
hygienischer Expertise erforderlich ist. Das fehlen z.B. eines
simplen Rückschlagventils an der richtigen Stelle kann unter
Umständen bereits über Entstehen einer Infektion mitentscheiden.
Hygienefachkräfte verfügen über die nötige Expertise, um solche
komplexen Aspekte vor Anschaffung bewerten zu können“, sagt Assadian.
Allerdings sind lediglich 39% der Hygienefachkräfte laut ÖGKH
Umfrage, Vollzeit tätig, und 54% der Befragten sagen aus, dass die
für hygienerelevante Aufgaben zur Verfügung stehende Zeit nicht
ausreicht. Assadian: „Auch wenn es scheint, dass derzeit in
Österreich noch kein hochakuter Mangel an Hygienefachkräften
vorliegt, so muss doch festgehalten werden, dass diese wichtige
Expertise offenbar falsch und wenig effizient eingesetzt wird.
Immerhin geben nur ein Drittel der Befragten an, nicht für fachfremde
Tätigkeiten von ihrem Dienstgeber herangezogen zu werden. Die
Abwärtsspirale der Tätigkeitsqualifikation ist allerdings ein
Problem, das nicht nur die Hygiene, sondern die gesamte Medizin
betroffen hat und der es entgegen zu wirken gilt.“
Problemfelder transparent behandeln
Ein offener Umgang mit Krankenhausinfektionen verlangt, dass die
kritischen Themenbereiche angesprochen werden. Das bedeutet, dass ein
offener Dialog zwischen Institutionen, Pflegern und Patienten
stattfinden muss. „Offenes Umgehen, ein verbindliches Meldesystem,
öffentliche Darstellung der Infektionshäufigkeit und verbindliche
Qualitätsstandards sind unabdingbar und längst fällig. Dazu kommt,
dass viele praktische Strategien zur Infektionsvermeidung, wie etwa
die Desinfektion der Hände, zwar dem Gesundheitspersonal bekannt
sind, aber trotzdem nicht durchgehend befolgt werden“, berichtet Dr.
Gerald Bachinger, Sprecher der österreichischen Patientenanwälte.
Über die ÖGKH
Die ÖGKH ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft, die
gemeinnützig der Förderung der Krankenhaushygiene sowie dem Schutz
des Patienten gegenüber nosokomialen Infektionen in Einrichtungen des
Gesundheitswesens dient. Zu ihren Aufgaben und Tätigkeiten zählen die
Unterstützung für alle im Gebiet der Krankenhaushygiene Tätigen und
betroffenen Patienten, die Förderung und die Stärkung der
interdisziplinären Zusammenarbeit aller krankenhaushygienisch tätigen
Personen und Organisationen, die Pflege des Kontaktes und die
Förderung der Zusammenarbeit von Arbeitskreisen und Hygieneteams, die
Beratung von Patienten, Angehörigen, Interessensvertretungen und
Unternehmungen, die medizinische Forschung und Verbreitung der
Ergebnisse, die Kommunikation und Bekanntmachung wissenschaftlicher
Berichte und Erkenntnisse.
Weitere Informationen: www.oegkh.ac.at
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