- 21.10.2015, 08:32:03
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Asylzentrum Ossiach – Nur ein Durchgriff oder ein Stresstest für die Demokratie?
Ossiach/Kärnten (OTS) - Sehr geehrte Frau BM Johanna Mikl-Leitner,
wir sind besorgt darüber, dass Sie uns den detaillierten
Standortvergleich, der zur geplanten Errichtung eines Asylzentrums in
der drittkleinsten Gemeinde Österreichs (719 Einwohner) führen
sollte, noch immer nicht ausgehändigt haben. Wir haben Ihnen auch ein
tragfähiges Modell zur Aufnahme von Flüchtlingen in unserem Ort
vorgestellt, das von der Caritas ausdrücklich positiv hervorgehoben
wurde und als Modell für andere Gemeinden dienen könnte.
Seltsamerweise haben wir noch keine Zuteilung von Flüchtlingen für
dieses Modell erhalten, mit der wir unsere Quote erfüllt hätten. Ihr
Schweigen, Ihr kompromissloses und rücksichtsloses Agieren stößt bei
unseren GemeindebürgerInnen auf Unverständnis und löst Verunsicherung
aus.
Zur Erinnerung; die wenigen von Ihrem Ministerium zur Verfügung
gestellten Angaben sprechen von mind. 120 Asylwerbern, die in einem
Gebäude in Ossiach untergebracht werden sollen. Das entspricht einer
Quote von 17 Prozent AsylwerberInnen umgerechnet auf die
Einwohnerzahl von Ossiach. Unserer Ansicht nach ist das eine
Falschinformation. Sie persönlich haben im Rahmen einer
parlamentarischen Anfrage bereits die Anzahl von 150 Personen
genannt, das entspräche einer Quote von 21 Prozent. Der vorläufige
Durchgriffsbescheid nennt eine Höchstgrenze von 450 Personen pro
Quartier - das würde für Ossiach eine Quote von 63 Prozent bedeuten.
Egal wie die Berechnung durchgeführt wird, bleibt für uns die Frage:
Warum stellen Sie alle Regeln des demokratischen, respektvollen und
sozialen Miteinanders auf den Prüfstand? Ihr Vorgehen widerspricht
unseren Grundwerten und stellt durch die absurde
Unverhältnismäßigkeit des geplanten "Durchgriffs" eindeutig eine
Diskriminierung einer Kleinstgemeinde dar.
Was werden Hunderte überwiegend junge und männliche Asylwerber in
einem abgeschiedenen Tourismusort ohne Kaufhaus, ohne vernünftige
Anbindung an den öffentlichen Verkehr, ohne Arzt, ohne Apotheke, ohne
Beschäftigungsmöglichkeit machen? Nebenbei sei noch angemerkt, dass
wir seit über 10 Jahren ein Ort ohne Polizeistation sind!
Jeder, der in Ossiach lebt, der Ossiach gesehen hat, in Ossiach
Urlaub macht oder eine sonstige Bindung zu Ossiach hat, fragt, warum
so ein unverhältnismäßiger Feldversuch mit unbekanntem Ausgang unter
Aushebelung sämtlicher demokratischer Mechanismen angedacht werden
kann.
Ihnen ist offenbar nicht bewusst, was Sie mit Ihrem Vorgehen in der
Bevölkerung Ossiachs ausgelöst haben. Der von Ihnen gemixte Cocktail
aus Desinformation, bewusster medialer Falschinformation,
Verschleierung und Einschüchterung, den Sie uns verabreicht haben,
ist ungenießbar und erzeugt garantiert Angst.
Wir, damit meinen wir alle ÖstereicherInnen, haben Generationen
gebraucht, um zu erkennen, dass eine mittels Verfassung verankerte
Demokratie und der Glaube an die Verlässlichkeit der staatlichen
Institutionen das einzig richtige Gesellschaftsmodell darstellen, die
Frieden, Sicherheit und Wohlstand für die Bevölkerung sichern.
Mit dem "Durchgriffsrecht" schneiden Sie ein Ankerseil der
geschwächten Verfassung durch.
Uns bleibt nur die Hoffnung, dass viele ÖsterreicherInnen diese
Veränderung in der Demokratie beobachten und endlich ein
selbstbewusstes und angemessenes Handeln der demokratisch gewählten
Vertreter fordern.
Sie denken, das ist pathetisch, dann möchten wir Sie an den Fall mit
der "wunderschönen" Tourismusgemeinde Bad Schönau erinnern:
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"Sehr geehrter Herr Minister,
Lieber Ernst,
Bad Schönau ist eine wunderschöne Tourismusgemeinde und die soll es
auch bleiben. Ich möchte hier keinen Wirbel bis zur LTW. Es geht die
Diskussion um, dass die Pension Hofstätter (abgewirtschaftete
Pension) Flüchtlinge aufnehmen soll. Ich ersuche Dich, einer
Zuweisung nicht zuzustimmen.
Abg. z. NR Mag. Johanna Mikl-Leitner
Landesgeschäftsführerin der VP NÖ"
>> Quelle: Der Standard http://www.ots.at/redirect/derstandard7
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"Welche interessante Parallele", möchte man denken - Ossiach hat sich
mit über 300.000 Nächtigungen pro Jahr über Jahrzehnte hinweg zu
einer erfolgreichen Tourismusdestination entwickelt. Millionen an
privaten Investorengeldern und Steuermitteln wurden dazu investiert.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: zufriedene Urlauber, zufriedene
Bewohner, ein sehr zufriedener Finanzminister, der von einer
überproportional hohen Steuerleistung profitiert.
Ist ein mit Durchgreifen errichtetes Asylverteilzentrum in der
Kleinstgemeinde Ossiach tatsächlich Ihre Antwort auf die
Flüchtlingskrise, indem Sie willkürlich in Grundrechte eingreifen und
erfolgreiche, steuerleistende und systemfinanzierende
Geschäftsmodelle hinterrücks und aggressiv angreifen?
Oder nützen Sie nur die unsicheren Rahmenbedingungen aus, um dem
Wiener Immobilienbesitzer, der im Übrigen kein Hehl daraus macht, zu
Ihnen beste Beziehungen zu pflegen, eine - wie er selbst in einem
Brief an die Gemeinde andeutet - Altersvorsorge zu bieten, d. h. ein
Asylverteilerzentrum, das vom Steuerzahler zumindest 10 Jahre
durchfinanziert wird?
Wir OssiacherInnen erwarten von Ihnen Fairness!
Wir möchten unseren Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise
leisten, indem wir Flüchtlinge im Ausmaß des für alle Gemeinden
vorgesehenen Richtwertes von 1,5% unserer Gemeinde-Einwohnerzahl
beherbergen, integrieren und zu Mitgliedern unserer Gemeinde machen.
Mit freundlichen Grüßen,
die überparteiliche BürgerInneninitiative Ossiach
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