- 20.10.2015, 11:39:07
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Soziale Dienstleister fordern „soziale Brille“ bei Umsetzung des Vergaberechts
Ein Gesetz als Weichensteller: Wie Österreich die EU-Richtlinie umsetzt, bestimmt mit, wie künftig Pflege, Rettungswesen oder auch Jobchancen benachteiligter Menschen aussehen
Utl.: Ein Gesetz als Weichensteller: Wie Österreich die
EU-Richtlinie umsetzt, bestimmt mit, wie künftig Pflege,
Rettungswesen oder auch Jobchancen benachteiligter Menschen
aussehen =
Wien (OTS) - Bund, Länder und Gemeinden vergeben jedes Jahr an
Soziale Dienstleistungsunternehmen Aufträge in Milliardenhöhe. Bis
zum 18. April 2016 muss Österreich die EU-Richtlinie zur Vergabe
öffentlicher Aufträge in nationales Recht gießen. Der Gesetzgeber
habe hier die Chance, wichtigen sozialpolitischen Anliegen wie der
qualitätsvollen Pflege, der flächendeckenden Versorgung mit
Rettungsdiensten oder auch der wirksamen Integration von
langzeitarbeitslosen Menschen den Rücken zu stärken, hieß es am
Dienstag bei einem Pressegespräch von vier großen Dachverbänden
Sozialer Dienstleister in Wien.
Konkret fordern die VertreterInnen des Dachverbandes berufliche
Integration Austria (dabei-austria), der Sozialwirtschaft Österreich
(SWÖ), der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) und des
Bundesdachverbands für Soziale Unternehmen (bdv austria), dass Bund,
Länder, Gemeinden und AMS bei der Auftragsvergabe soziale Kriterien
einbeziehen und nach dem Best- statt dem Billigstbieterprinzip
vorgehen.
Best- statt Billigstbieterprinzip
Etwa 6.600 Unternehmen und Organisationen werden in Österreich dem
sozialen Dienstleistungssektor zugeordnet. Die Angebotspalette
erstreckt sich von der Kinder- und Jugendhilfe über Behindertenarbeit
bis hin zur psychosozialen Arbeit, Gesundheits- und Sozialdiensten
sowie arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen. Das
Eigenwirtschaftsvolumen des Sektors aus Leistungsverträgen,
Subventionen, Spenden und Eigenleistungen beträgt laut einer Studie
von 2012 3,9 Milliarden Euro.
"Soziale Dienstleistungsunternehmen ticken anders als andere
Unternehmen, denn sie stellen die Teilhabe an Grundbedürfnissen wie
Gesundheit, Wohnen, Bildung und Arbeit sicher. Das bringt eine
besondere öffentliche Verantwortung des Staates mit sich, die er bei
der Gestaltung des neuen Vergaberechts nun unter Beweis stellen
kann", betont Markus Neuherz, Geschäftsführer des Dachverbandes
berufliche Integration Austria (dabei-austria).
Er verweist darauf, dass es auch weiterhin möglich sei, soziale
Dienstleistungen durch Förderverträge zu organisieren. Es sei
wichtig, dass Pflege, Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung,
Arbeitsmarktintegration und andere Soziale Dienstleistungen effizient
organisiert sind. Aber ebenso wichtig sei, so Neuherz, dass die
Qualität stimme und das Angebot auch in entfernten Regionen verfügbar
sei: "Preisdumping hat im Sozialsektor nichts verloren. Das
Billigstbieterprinzip muss einem Bestbieterprinzip weichen."
Soziale Kriterien vor
Vor diesem Hintergrund plädiert Walter Marschitz, stellvertretender
Vorstandsvorsitzender der Sozialwirtschaft Österreich, für die
Erstellung einer Liste von Kriterien für die Vergabe sozialer
Dienstleistungen: "Die Einbeziehung ökologischer Kriterien in die
Vergabe öffentlicher Aufträge ist in Österreich bereits gang und
gäbe. Der Gesetzgeber muss nun beim Vergaberecht dringend die soziale
Brille aufsetzen. Was bislang fehlt, ist eine Liste einschlägiger
Kriterien wie etwa Regionalität, Barrierefreiheit oder
Versorgungssicherheit. Eine solche könnte im Anhang des
Gesetzestextes Bund, Ländern und Gemeinden als Orientierungshilfe
dienen", schlägt Marschitz vor.
Gemeinnützigkeit stärken
"Soziale Dienstleister, die öffentliche Aufträge erhalten, sollen den
Gewinn daraus wieder in ihren Kernauftrag investieren. Leben retten
darf nicht der Gewinnmaximierung unterworfen werden. Wer nicht das
Gemeinwohl in den Fokus rückt, spart bei den Bedürfnissen der
Menschen. In Bereichen wie dem Rettungswesen wäre das fatal", ist
Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, überzeugt.
Zudem würden sich gemeinwohlorientierte Unternehmen im Sinne ihrer
anwaltschaftlichen Tätigkeit für die Rechte der Menschen einsetzen.
Das Rote Kreuz ist Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie
Wohlfahrt.
Vorrang von Unternehmen mit sozialem Mehrwert
"Die Spielregeln bei der öffentlichen Vergabe bestimmen auch mit, wie
groß die Chancen von benachteiligten Frauen und Männern auf dem
Arbeitsmarkt sind", bringt Manuela Vollmann vom Bundesdachverband für
Soziale Unternehmen eine weitere Facette des Vergaberechts ein: "In
Zeiten dramatisch steigender Langzeitarbeitslosigkeit, mangelnder
Aussichten etwa für Arbeitslose über 50 oder behinderte Menschen
sowie eines wachsenden Drucks am Arbeitsmarkt ist es für die
politisch Verantwortlichen ein Gebot der Stunde, alle Mittel zu
ergreifen, um die Jobchancen benachteiligter Menschen zu erhöhen",
ist sie überzeugt. Dazu zählten befristete Arbeitsplätze in
gemeinnützigen Beschäftigungsbetrieben ebenso wie gemeinnützige
Beratungs- und Kursmaßnahmen.
"Österreich soll den Ball der Europäischen Union aufnehmen und jene
Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugen, die
mehr als 30 Prozent an benachteiligten Menschen beschäftigen", so
Vollmann abschließend.
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