• 05.10.2015, 12:16:49
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  • OTS0117 OTW0117

Digitale Formeln der Kommunikation und Steuerung in Kultur und Gesellschaft

World-Information Institute Konferenz zur Wirkungsmacht von Algorithmen

Utl.: World-Information Institute Konferenz zur Wirkungsmacht von
Algorithmen =

Wien (OTS) - Internationale WissenschaftlerInnen, ExpertInnen und
KünstlerInnen diskutierten im Rahmen der Konferenz ALGORITHMISCHE
REGIME UND GENERATIVE STRATEGIEN .

Der Einsatz von digitalen Automatisierungsprozessen kann positiv
gesehen werden, so eine der zentralen Einsichten der Konferenz am 25
September 2015, solange die dahinterliegenden Regelsystemen
transparent und zugänglich sind. Politisch sind die maschinellen
Abläufe in Bezug darauf, wie und zu welchen Zwecken Algorithmen
eingesetzt werden. Und da setzten die SprecherInnen auch mit ihrer
Kritik an. Peter Purgathofer vom Institut für Gestalt- und
Wirkungsforschung der TU Wien: "Um Technologie für Menschen zu
entwickeln, muss man ihre Bedürfnisse, Wünsche und Ziele verstehen.
Ingenieure interessiert das meist nicht." Er verweist auf eine
Zukunft technischer Komplexität wo "wir sehr bald zu einem Punkt
kommen, wo wir nicht mehr verstehen werden was Software macht."

Reinhard Kreissl, Direktor des Wiener Zentrums für
sozialwissenschaftliche Sicherheitsforschung sieht die Auswertung
großer Datenmengen zur vorausschauenden Polizeiarbeit skeptisch und
betont dass die Hersteller solcher Systeme ihre Versprechen nicht
einlösen können: "Nebenwirkungen überwiegen meist die beabsichtigten
Effekte". Denn der Erkenntnisgewinn sei eher gering, aber es bestehe
die Gefahr der "Verstärkung bestehender Stereotypiserung". Btihaj
Ajana vom Kings College London, die sich mit Bioinformatik und mit
neuen Formen digitaler Personalisierung befasst, plädiert für eine
"Neukonzeption der Zukunft jenseits von technokratischen Prognosen".

Thomas Sturm erforscht die Wissenschaftsgeschichte in Hinblick auf
Rationalität, Vernunft und formale Regeln und reflektierte das
wissenschaftliche Milieu im Kalten Krieg: "Damals war eine
beispiellose Anstrengung festzustellen, was die Leute dachten, was es
bedeutet, zu handeln, zu denken und rational zu entscheiden. Das hat
viel mit der Ausbreitung von Algorithmen in Wissenschaft und
Gesellschaft zu tun."

Olga Goriunova, University of Warwick, erklärt: "Das digitale
Artefakt ist weder ein Objekt noch seine Darstellung. Es ist der
Abstand zwischen den beiden." Dieser Abstand sollte positiv gesehen
werden als eine Ressource, die man nutzen kann. Francesca Musiani,
Institut für Kommunikationswissenschaft an der Sorbonne Paris, fasst
den Lösungsansatz so zusammen: "Regulierung von Algorithmen statt
Regierung durch Algorithmen."

Paolo Ruffino, Mitglied der Künstlergruppe IOCOSE. fokussiert seine
Forschung auf Computerspiel-Studien. Er beschreibt Algorithmen als
eine Form der Mimikry, der Assimilation, eine Formel die zum
Verschwinden des Menschlichen führt. "Sie übernehmen jetzt schon die
Schöpfung, das Testen und Spielen von digitalen Umgebungen". Das
führt zum Paradox des Spieles, das keine Spieler mehr braucht. Gerald
Raunig, eipcp, warnte vor einer maschinellen Kolonialisierung der
Zukunft und einer Durchsetzung algorithmischer Abläufe auch gegen den
Widerstand der Menschen: "Durch die Kombination von Berechnung und
Vorhersage wird zuerst die Zukunft durch Zählen des Zählbaren
festgelegt, alle Unterschiede assimiliert und normiert, während
gleichzeitig unsere Gegenwart an diese vorherbestimmte Zukunft
angepasst wird."

Die rege Teilnahme des Publikums auch über Videostream und Social
Media hat zum wechselseitigen Austausch beigetragen. "Die neue
Konstellation sich verändernder Methoden zur Messung der Welt,
beschreibt nicht nur die Wirklichkeit sondern trägt immer mehr dazu
bei sie produktiv zu erschaffen", erklärten Gastgeber Felix Stalder
und Konrad Becker zum Abschluss der Konferenz. "Es ist deutlich, dass
wir ohne Algorithmen und vorausschauende Ordnungssysteme weder leben
können noch wollen. Aber die Öffentlichkeit, die Mehrheit der
Menschen hat keinen klaren Blick darauf, welche Art von Welt dabei
erschaffen wird. Ohne breite öffentliche Diskussion besteht die akute
Gefahr, dass algorithmische Regime die Herrschaft der Wenigen über
Viele begünstigen."

Videoarchiv und weitere Informationen:
http://world-information.net/algorithmische-regime-und-generative-strategien/

World-Information Institute: unterstützt von SHIFT Wien und BKA Kunst

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