• 01.10.2015, 10:00:01
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  • OTS0066 OTW0066

Presserat: Veröffentlichung von IS-Hinrichtungsbildern Ethikverstoß

Wien (OTS) - Der Senat 1 des Presserats beschäftigte sich mit
mehreren Berichten über die Ermordung von Gefangenen durch den
IS/ISIS, die im Juli und Juni auf "krone.at", in der "Kronen
Zeitung", auf "oe24.at" und in der Tageszeitung "Österreich"
erschienen sind.
Den Artikeln ist entsprechendes Bildmaterial beigefügt, das offenbar
vom IS/ISIS veröffentlicht wurde.

Der Senat stellt wegen der Verletzung der Menschenwürde einen Verstoß
gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse fest.

Bei den Artikeln wurden z.B. Bilder von Gefangenen gezeigt, die in
einem bereits teilweise im Pool versenkten Käfig stehen bzw. die mit
einer um ihren Hals gewickelten Sprengschnur auf dem Boden knien.
Auf oe24.at war ein Videoausschnitt zu sehen, in dem gezeigt wird,
wie der Käfig mit den darin Gefangenen im Pool versenkt wird.
Außerdem wurden Bilder veröffentlicht, auf denen 25 auf dem Boden
kniende syrische Soldaten bei ihrer Exekution zu sehen sind. Hinter
ihnen stehen Kindersoldaten des IS/ISIS, die ihre Pistolen auf sie
richten.

Nach Meinung des Senats verstößt die Veröffentlichung von Bild- und
Videomaterial, die Gefangene kurz vor oder während ihrer Ermordung
zeigen, gegen Punkt 5 des Ehrenkodex für die österreichische Presse.
Der Senat betont, dass der Moment des Todes zu der Privatsphäre der
Sterbenden zählt. Die vorliegenden Artikel verstoßen gegen die
Menschenwürde (Punkt 5 des Ehrenkodex).
Dem Senat ist es bewusst, dass Berichte über die Gräueltaten des
IS/ISIS von öffentlichem Interesse sind. Es ist wichtig, über die
schrecklichen Verbrechen des IS/ISIS zu informieren. Entscheidend
dabei ist jedoch, wie derartige Berichte aufbereitet sind und welches
Bildmaterial dafür verwendet wird. In den vorliegenden Artikeln
werden nach Auffassung des Senats vor allem die Sensationsinteressen
der Leserinnen und Leser bedient; die Aufklärung steht nicht im
Vordergrund. Gerade bei derart brutalem und daher heiklem
Bildmaterial ist es aus ethischer Sicht wichtig, dass Journalisten
die Filterfunktion der Medien ernst nehmen.
Besonders problematisch empfindet der Senat die Veröffentlichung des
Videos über die Ermordung von Gefangenen durch Ertränken in einem
Eisenkäfig auf oe24.at. In Anbetracht dessen, dass das langsame
Versenken des Käfigs mit den Gefangenen im Pool gezeigt wurde,
bewertet der Senat den Hinweis am Ende des Videos, dass dieses "aus
Gründen der Pietät" nicht in vollem Umfang gebracht wurde, als
geradezu zynisch. Der Senat stuft die Veröffentlichung des Videos als
schwerwiegenden Verstoß ein.
Als sehr kritisch sieht es der Senats auch an, dass in den Artikeln
in der "Kronen Zeitung" auf weiteres Bildmaterial zu den Ermordungen
auf "krone.at" hingewiesen wurde. Diese Art der Aufbereitung dient
dem Voyeurismus und nicht der sachlichen Information der Leserinnen
und Leser. Der gezielte Hinweis, dass weitere Bilder von den
Ermordungen online abrufbar sind, ist medienethisch bedenklich.
Zu berücksichtigen ist schließlich auch noch, dass der IS/ISIS
bewusst auf die Verbreitung von brutalem Bildmaterial durch Medien
setzt. Der IS/ISIS inszeniert exzessive Gewalt, um in demokratischen
Gesellschaften für Aufmerksamkeit und Verunsicherung zu sorgen. Der
Zweck der barbarischen Hinrichtungen ist es, brutale Bilder zu
erhalten und diese in die Welt hinaus zu tragen. Unabhängige Medien
müssen darauf achten, sich nicht vom IS/ISIS instrumentalisieren zu
lassen und zu dessen Propagandawerkzeug zu mutieren.

Der Senat fordert die betroffenen Medieninhaberinnen auf, die
vorliegende Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUS EIGENER WAHRNEHMUNG
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der beiden
Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
In den vorliegenden Fällen hat der Senat 1 des Presserats aus eigener
Wahrnehmung ein Verfahren durchgeführt (selbständiges Verfahren aus
eigener Wahrnehmung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine
Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik entspricht.
Die Medieninhaberinnen von "krone at", der "Kronen Zeitung", von
"oe24.at" und der Tageszeitung "Österreich" haben von der
Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberinnen der "Kronen Zeitung" und der Tageszeitung
"Österreich" haben sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats
bisher nicht unterworfen.

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