• 30.09.2015, 14:39:28
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Was bringt die Rettungsgasse?

Rechnungshofausschuss: Verkehrssicherheitsprojekte am Prüfstand

Utl.: Rechnungshofausschuss: Verkehrssicherheitsprojekte am
Prüfstand =

Wien (PK) - Auch drei Jahre nach Einführung der Rettungsgasse sorgt
das Projekt für Diskussionsstoff, zumal nun der Rechnungshof im Zuge
einer Prüfung Mängel bei der Vorbereitung und Abwicklung des Projekts
festgestellt hatte. Die Kritik bezog sich dabei vor allem auf die von
der ASFINAG begleitete umfangreiche Informations- und
Kommunikationskampagne und war zentrales Thema eines Berichts (III-
121 d.B.), der in der heutigen Sitzung des Rechnungshofausschusses
erörtert wurde. Zudem debattierten die Ausschussmitglieder einen -
ebenfalls einstimmig vertagten - Bericht über die Tätigkeit des
Verkehrssicherheitsfonds (III-191 d.B.), der die
VerkehrsministerInnen über die Verwendung der Mittel berät, die bei
der Zuteilung von Wunschkennzeichen eigenommen werden. Bundesminister
Alois Stöger verteidigte insbesondere die Kampagne "Alkohol im
Straßenverkehr" als bewusstseinsbildend und wirksam, unterstrich das
Know-how des zuständigen Beirats gegen Kritik und sagte den
Abgeordneten für 2016 die Vorlage eines Entwurfs für ein
Verkehrsstatistikgesetz zu. Die Empfehlungen von
Rechnungshofpräsident Josef Moser lauteten auf eine bessere
Koordination von Verkehrssicherheitsmaßnahmen zwischen Bund und
Ländern sowie auf eine vertiefte Kontrolle der Mittelverwendung
anhand klarer Indikatoren.

RH ortete Mängel bei Projektbegleitung durch die ASFINAG

Die Gesamtaufwendungen der Umsetzung des Systems Rettungsgasse
betrugen rund 4,62 Mio. €, erfuhren die Abgeordneten aus dem
Prüfpapier. Der Rechnungshof beanstandete insbesondere, dass der
Aufgabenumfang der ASFINAG bei der Projektbegleitung anfänglich nicht
klar definiert und abgegrenzt war, was zu Zeitdruck und Mehrkosten
während der Planungsphase führte. Aufgrund der umfassenden
Kommunikations- und Produktionsmaßnahmen der Kampagne war zudem der
Anteil der Agenturleistungen höher als bei vergleichbaren
Verkehrssicherheitskampagnen des Verkehrsministeriums. Weder das
Ressort noch die ASFINAG hatten bei Direktvergaben für einzelne
Beratungsleistungen Vergleichsangebote eingeholt. Evaluation und
Erfahrungsberichte schätzten die die Funktion der Rettungsgasse
positiv ein, konnten allerdings keine Zeitersparnis bei der Zufahrt
zum Einsatzort nachweisen, obwohl dies einer der maßgeblichen Gründe
für die Einführung gewesen war, heißt es letztlich kritisch im
Resümee des Rechnungshofs.

"Die Rettungsgasse funktioniert sehr gut", waren in der Debatte die
Abgeordneten der Regierungsparteien weitgehend einer Meinung, wobei
ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger vor allem auch auf
positive Rückmeldungen der Einsatzorganisationen hinwies. Er
bedauerte aber ebenso wie SPÖ-Mandatar Erwin Spindelberger das Fehlen
einer einheitlichen europäischen Regelung.

Für die NEOS griff Gerald Loacker allerdings die Kritikpunkte des
Berichts auf und appellierte an die ASFINAG, bei zukünftigen
Kampagnen die Lehren aus den Beanstandungen des Rechnungshofs zu
ziehen. FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Zanger wiederum plädierte dafür,
effizient gegen Rettungsgassensünder vorzugehen. Offen war für
Grünen-Rechnungshofsprecherin Gabriela Moser nach wie vor die Frage
der Zeitersparnis. Obwohl gerade dieser Punkt vom Ressort als
entscheidendes Argument für die Einführung der Rettungsgasse
angegeben wurde, fehle bis heute eine entsprechende Studie,
kritisierte sie. Kaum positive Aspekte konnte Team Stronach-
Abgeordnete Martina Schenk erkennen, die die Rettungsgasse mit den
Worten "chaotische Einführung, hohe Kosten, wenig erkennbarer Nutzen"
kommentierte.

Alois Schedl: Zeitersparnis von einer Minute pro Kilometer
"rechnerisch plausibel"

Seitens der ASFINAG attestierte Alois Schedl der Rettungsgasse gutes
Funktionieren und erwiderte auf die Kritik der Grünen, eine
Zeitersparnis sei nicht messbar, da es ja keine
Vergleichsmöglichkeiten gibt und Staus nicht wiederholbar seien. Eine
Differenz von einer Minute pro Kilometer bezeichnete er aber als
rechnerisch plausibel. Zur Idee einer allgemeinen Freigabe des
Pannenstreifens, die vor allem von den Abgeordneten Wolfgang Zanger
(F) und Erwin Spindelberger (S) angesprochen wurde, stellte Schedl
klar, dies sei von der ASFINAG nie angedacht worden. Eine bloß
temporäre Freigabe in Spitzenzeiten könnte jedoch unter Umständen
Vorteile bringen könnte. Diese Variante wolle die ASFINAG nun näher
prüfen. Zu den Kritikpunkten des Rechnungshofs merkte Schedl im
Übrigen an, die ASFINAG verfüge mittlerweile über eigene ExpertInnen
für die Ausschreibung von Informationskampagnen.

Lob für die Rettungsgasse spendete auch Verkehrsminister Alois
Stöger. Das Projekt sei ein Best-Practice-Modell in Zentraleuropa und
diene als Vorbild für Regelungen in anderen Staaten, so etwa in
Deutschland, zeigte er sich erfreut.

Die ASFINAG habe schnell auf die Kritik seines Hauses reagiert,
unterstrich Rechnungshofpräsident Josef Moser, untermauerte
allerdings die Mahnung, nur in Ausnahmefällen auf externe Ressourcen
zurückzugreifen. Anliegen Mosers ist weiterhin die Harmonisierung der
Bestimmungen mit den Nachbarstaaten. Was das Vorgehen gegen
Rettungsgassensünder betrifft machte der Präsident überdies den
Vorschlag, entsprechende Verstöße als Vormerkdelikte zu definieren.

Das komplexe System der Verkehrssicherheit in Österreich

Zu den Verkehrsthemen im heutigen Rechnungshofausschuss zählte auch
ein Prüfbericht zum Verkehrssicherheitsfonds über die Jahre 2008 bis
2013. Der Fonds verfügt über Einnahmen von rund drei Mio. € jährlich
aus Wunschkennzeichen und Verkehrsstrafen, mit denen Maßnahmen für
die Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr finanziert werden.
Im Berichtszeitraum verfügte der Fonds über Rücklagen von 8,2 Mio. €,
die auf einem Geschäftskonto mit einem Zinssatz von 0,25 % verwahrt
wurden, stellte der Rechnungshof kritisch fest und empfahl eine
ertragreichere Veranlagung. Außerdem orteten die RH-Prüfer
Interessenskonflikte im Beirat des Verkehrssicherheitsfonds, weil
dort Förderempfänger und Auftragnehmer des Fonds vertreten sind. So
sei beim Vergabeverfahren zur Kampagne "Alkohol im Straßenverkehr" im
Jahr 2009 der Anschein einer Einflussnahme zur Beauftragung eines
bestimmten Unternehmens entstanden. Der Kostenrahmen dieser Kampagne
von 3,5 Mio. € wurde um 1 Mio. € überschritten, wobei die Schaltung
einer Werbeanzeige in Form eines redaktionellen Beitrags samt Foto
der damaligen Bundesministerin für Verkehr, Innovation und
Technologie 1,35 Mio. € ausmachten, erfuhren die Abgeordneten vom
Rechnungshof.

Der Prüfbericht dokumentiert das komplexe System der
Straßenverkehrssicherheit in Österreich, dessen strategische
Grundlagen das Verkehrssicherheitsprogramms 2011 bis 2020 sowie
Programme der Länder und der ASFINAG darstellen. Allein das
Verkehrssicherheitsprogramm 2011 bis 2020 sieht 255 Maßnahmen vor,
die von vielen verschiedenen Akteuren umgesetzt werden. An dieser
Stelle kritisiert der Rechnungshof den geringen Einfluss des Bundes,
etwa bei der Festlegung und Kontrolle von Maßnahmen der Länder, die
aus Einnahmen der Wunschkennzeichen finanziert werden.

Was bewirken Verkehrssicherheitskampagnen?

In der Debatte ging Martina Schenk (T) auf die Vergabe des Auftrags
für die Kampagne "Alkohol im Straßenverkehr" ein, kritisierte die
Zusammensetzung des Fondsbeirats und zeigte sich besorgt wegen
rückläufige Einnahmen infolge einer geringer werdenden Zahl an
Wunschkennzeichen.

Marianne Gusenbauer-Jäger (S) begrüßte die Zweckbildung der Einnahmen
aus den Wunschkennzeichen ausdrücklich und erkundigte sich nach dem
aktuellen Stand der Fondsrücklagen.

Ruth Becher (S) machte auf die erfolgreiche Kampagne "Kinder im
Straßenverkehr" aufmerksam, bei der Lehren aus den Erfahrungen mit
der Kampagne "Alkohol im Straßenverkehr" gezogen wurden, was
Rechnungshofpräsident Josef Moser bestätigte.

Gerald Loacker (N) kritisierte seinerseits die Zusammensetzung des
Fondsbeirats, dessen Mitglieder bei Auftragsvergaben als
Förderungsempfänger einen Insidervorteil gegenüber Institutionen
hätten, die dem Beirat nicht angehören.

Auch Hermann Gahr (V) schloss sich der Kritik des Rechnungshof an
Unvereinbarkeiten bei der Besetzung des Fonds sowie an einseitigen
Vergaben an und drängte auf die Umsetzung der
Rechnungshofempfehlungen. Gahrs weitere Themen waren die Mitsprache
der Bundesländer bei Verkehrssicherheitsprojekten und die Frage, wer
über die Vergabe von Projekten zur Verkehrssicherheit entscheide.

Christian Lausch (F) listete auf, was seiner Meinung nach beim
Projekt "Alkohol im Straßenverkehr" alles schief gelaufen sei. Er
kritisierte die hohen Kosten für ein Inserat mit einem Foto der
ehemaligen Verkehrsministerin und wies darauf hin, dass die Bewertung
der Angebote für die Durchführung dieser Kampagne fragwürdig gewesen
sei. Lausch wandte sich gegen teure Kampagnen, die der
Verkehrssicherheit nicht nützen, während gleichzeitig Geld für
Pannenstreifen an den Straßen fehle.

Georg Willi (G) erinnerte daran, dass es auf Initiative der Grünen
per Gesetz verboten wurde, öffentlich finanzierte Inserate mit
Bildern von Regierungsmitgliedern zu versehen. Während der
Verkehrssicherheitsbeirat hervorragend arbeite, seien die Kampagnen,
die der Fondsbeirat finanziere, großteils wenig wirksam, meinte
Willi, der sich auch dagegen wandte, die Medien mit viel Geld zu
füttern. Die Zusammensetzung des Fondsbeirats sei zu ändern,
Sanktionsmöglichkeiten zu schaffen und Themenschwerpunkte zu setzen.
Außerdem plädierte Willi für die Verabschiedung eines
Verkehrsstatistikgesetzes und für eine bessere Geschlechterverteilung
im Beirat.

Stöger: Weniger Unfälle nach Kampagne "Alkohol im Straßenverkehr"

Verkehrsminister Alois Stöger informierte darüber, dass die Einnahmen
auf den Wunschkennzeichen, zu 40% in den Verkehrssicherheitsfonds
fließen und zu 60% an die Fonds der Bundesländer. Der Fonds habe den
gesetzlichen Auftrag, bewusstseinsbildend zu wirken. Diese Aufgabe
erfüllten Agenturen mit einer mess- und nachweisbaren Wirkung, hielt
der Minister fest. Bei der Zusammensetzung des Fondsbeirats erklärte
der Minister, er lege Wert darauf, dass dort Institutionen vertreten
sind, die ihm das nötige fachliche Know-how liefern können.
Unvereinbarkeiten sah Stöger nicht, weil der Beirat lediglich berate
und die Entscheidung von ihm selbst getroffen werden. Eine
Bevorzugung der Insider sehe er ebenfalls nicht, weil über die
Homepage des Verkehrsressorts alle Interessenten ausreichend
informiert werden. Eine Änderung des Kraftfahrzeuggesetzes halte er
daher nicht für notwendig. Die Fondsreserve betrage derzeit 7,8 Mio.
€. Diese Mittel werden laut Empfehlung der Bundesfinanzierungsagentur
veranlagt, teilte Stöger weiters mit.

Die Kampagne "Alkohol am Steuer" beurteilte der Verkehrsminister und
ehemalige Gesundheitsminister überaus positiv. Sie habe die Menschen
nachweisbar für das Thema sensibilisiert und zu weniger Unfällen
beigetragen. Ein Durchgriffsrecht des Bundes auf die Fonds der Länder
bestehe nicht, die Kooperation zwischen Bund und Ländern funktioniere
auf informeller Basis, teilte der Minister mit. Ein Verkehrs-
Statistikgesetz werde vorbereitet und voraussichtlich im Jahr 2016
dem Parlament vorgelegt werden, kündigte Minister Stöger an.

Gabriela Moser (G) beschrieb an Hand des Rechnungshofberichts den
"Bietersturz" bei der Kampagne "Alkohol am Steuer" aus ihrer Sicht.
Die Entscheidung in der zweiten Bewertungsrunde sei gegen den
ursprünglich kostengünstigeren Anbieter getroffen worden, obwohl er
kreativere Vorschläge unterbreitet habe, die der andere Anbieter
übernahm, was zu einem Urheberrechtsstreit zwischen den Kontrahenten
führte. Moser vermutete eine Schiebung bei der Auftragsvergabe sowie
Kick-back-Zahlungen und kritisierte die Nichtöffnung des Mailverkehrs
zwischen dem Ressort und dem bevorzugten Anbieter.

Gegenüber den Vermutungen der Abgeordneten hielt Verkehrsminister
Stöger fest, ihm gehe es um Transparenz in seinem Ressorts. Daher
müsse er Vermutungen zurückweisen, die keine rechtliche Grundlage
haben. Er gehe davon aus, dass die Vergabekommission das
Vergabegesetz eingehalten habe. Für Vermutungen, dass dem nicht so
sei, wäre die Staatsanwaltschaft zuständig. In seinem Ressorts sei
kein Platz für Korruption, er müsse seine Mitarbeiter vor
ungerechtfertigten Unterstellungen schützen. Die Frage der korrekten
Vollziehung des Vergabegesetzes sei von Gerichten geklärt worden, der
Streit zwischen den Bietern sei Sache des zuständigen Zivilgerichts.

Dorothea Schittenhelm (V) ließ mit dem Vorschlag aufhorchen, den
Fonds abzuschaffen und die Durchführung von Kampagnen dem
Verkehrsressort und der ASFINAG zu überlassen. Gegenüber diesem
Vorschlag gab Verkehrsminister Stöger zu bedenken, der Nationalrat
habe sich für die Fondslösung entschieden, um eine Zweckwidmung der
Einnahmen aus den Wunschkennzeichen und die Aufteilung der Mittel
nach dem Schlüssel 40:60 zwischen Bund und Ländern zu ermöglichen.

Josef Moser: Bessere Koordination zwischen Bund und Ländern

Rechnungshofpräsident Josef Moser problematisierte das komplizierte
System im Bereich der Verkehrssicherheit mit seinen vielen und
vielfältigen Akteuren und Gremien, wobei er konkret vorschlug, einen
Ausschuss des Fondsbeirats einzurichten, der eine Vorauswahl der
Vorschläge treffe. Für problematisch hielt es der
Rechnungshofpräsident auch, dass nicht nur der
Verkehrssicherheitsfonds, sondern das Ministerium selbst mit
allgemeinen Budgetmitteln Verkehrssicherheitsmaßnahmen finanziere,
hier sei eine gesamthafte Betrachtung der
Verkehrssicherheitsmaßnahmen zu verlangen. Es sei nicht effizient,
allgemeine Budgetmittel für die Verkehrssicherheit einzusetzen,
während der Verkehrssicherheitsfonds eine finanzielle Rücklage von
derzeit 9,57 Mio. € halte. Moser empfahl zudem eine bessere
Koordination zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern und
eine vertiefte Kontrolle der Maßnahmen anhand klarer Indikatoren.

Daten über den E-Mailverkehr mit der Agentur, die die Kampagne
"Alkohol am Steuer" durchführte, wurde wegen eines Urteils des VfGH
nicht zur Verfügung gestellt. Die Höchstrichter sahen die
Höchstrichter das diesbezügliche Verlangen des Rechnungshofs als
nicht ausreichend begründet an. (Schluss) hof/fru

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