• 15.09.2015, 18:28:05
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OÖNachrichten-Leitartikel: "Wer uns braucht und wen wir brauchen", von Christoph Kotanko

Ausgabe vom 16. September 2015

Utl.: Ausgabe vom 16. September 2015 =

Linz (OTS) - Wer große Aufgaben bewältigen will, braucht zweierlei:
Enthusiasmus und Wirklichkeitssinn. Es ist der Einsatzfreude der
Zivilgesellschaft und der Flexibilität der Behörden zu verdanken,
dass der Flüchtlingsandrang in den vergangenen Tagen anständig
bewältigt wurde.
Die Botschaft von Nickelsdorf und anderen Hotspots der
Völkerwanderung: Wer uns braucht, bekommt Beistand.
Österreich hat sich völkerrechtlich verpflichtet, Menschen, die in
ihrer Heimat aus bestimmten, in der Genfer Flüchtlingskonvention
genannten Gründen verfolgt werden, Asyl zu geben. Wobei die
Rechtsvorschriften (Grenzübertritt, Registrierung, Aufenthalt etc.)
in der Extremsituation außer Kraft gesetzt waren: Wenn 20.000 an
einem Tag kommen, braucht kein Mensch Formulare.
Dieses Laisser-faire war möglich, solange Österreich nur Transitraum
war: 90 Prozent der Flüchtlinge zogen gleich weiter nach Deutschland.
Seit dem Wochenende ist das anders. Angela Merkel hatte aus
humanitären Gründen die Grenzen geöffnet, musste aber ihre Idee von
der unlimitierten Aufnahme eindampfen; es drohte der Kollaps der
Asylverwaltung.
Die nun praktizierten Grenzkontrollen ändern nichts am Recht auf
Asyl. Kriegsflüchtlinge wird es weiter geben. Daran wird auch Orbans
Stacheldraht wenig ändern.
Unter den Flüchtlingen ist freilich eine große Gruppe, auf die die
Genfer Flüchtlingskonvention nicht zutrifft. Die Unterscheidung, wer
den Rechtsanspruch zum Bleiben hat und wer nicht, muss wieder die
Leitlinie der Flüchtlingspolitik werden.
Das bedeutet nicht, dass keiner bleiben darf, der nicht unter die
Flüchtlingskonvention fällt. Es bedeutet, dass Österreich über seine
völkerrechtlichen Verpflichtungen hinaus selbst entscheidet, wen es
aufnimmt.
Unsere Geschichte ist durch Migrationsbewegungen geprägt. Die
Zuwanderung wird nicht aufhören. Daher muss man sie regeln. Ansätze
gibt es, etwa unter dem Bürokratenbegriff "Schlüsselarbeitskräfte".
Der und das dahinterstehende Konzept taugt wenig. Besseres muss die
Regierung schnell schaffen.
Damit können beide Herausforderungen bewältigt werden. Der deutsche
Staatsmann Richard von Weizsäcker hat es so formuliert: Das Asylrecht
gilt für jene, "die uns brauchen", und das Zuwanderungsrecht für
jene, "die wir brauchen."

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PON

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