- 19.08.2015, 08:33:50
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Das Schlafen unter Brücken ist verboten!
Dornbirn (OTS) - Zurück von einem Besuch in Feldkirch gehe ich zum
Bahnhof. Wie immer mit Kleingeld in der Tasche für die Menschen, die
mich darum bitten. Eine Frau, die darum bitte, fragt diesmal um mehr.
Ob ich nicht eine Schlafstelle und eine Arbeit hätte. Sie sagt, dass
sie mit ihrer minderjährigen Tochter in Dornbirn unter der Brücke
schlafen muss. Dass macht mich hellhörig. Ein Mensch muss im reichen
Vorarlberg unter der Brücke schlafen? Das kann nicht sein. Ich bitte
die Frau und ihre Tochter mit mir zu einer nahe gelegenen
Hilfsorganisation zu gehen. Nach 200 m dort angekommen, sind wir erst
mal falsch. Die richtige Stelle dieser Hilfsorganisation sei am
Bahnhof, nochmals einen halben Kilometer entfernt.
Dort angekommen, wird uns mitgeteilt, dass die gesamte Belegschaft
der entsprechenden Abteilung, die für Existenzsicherung und
Wohnungsberatung zuständig ist, in einem Seminar und nicht erreichbar
sei. Ein nicht zuständiger Mitarbeiter einer anderen Abteilung
versucht dann die Mitarbeiter einer Notschlafstelle dieser
Hilfsorganisation zu erreichen. Ohne Erfolg. Die gesamte Belegschaft
auch der Notschlafstelle ist in einem Seminar. Die Anrufe werden nur
auf einen Anrufbeantworter umgeleitet. Zudem werden dort auch keine
Minderjährigen aufgenommen.
Mein Anruf beim Büro für Öffentlichkeitsarbeit bei dieser
Hilfsorganisation findet dann eine Mitarbeiterin, die sich sehr
bemüht etwas zu bewegen. Leider ist aber auch für sie niemand
erreichbar. Auch sie scheitert an der Nichtanwesenheit von
Mitarbeitern. Beim naheliegenden Cafe dieser Hilfsorganisation
erhalten die beiden etwas zu trinken, helfen kann man dort aber auch
nicht (ist ja ein Cafe und keine Unterkunft). Inzwischen kommt auch
der Mann bzw. Vater an und zeigt einige Papiere.
Der sehr engagierte Leiter des Cafes der Hilfsorganisation meint, da
müsste sich doch die Stadt Feldkirch darum kümmern. Dort werde ich
aber bei einem Anruf darauf hingewiesen, dass die Stadt Feldkirch nur
was unternehmen kann, wenn die Personen zumindest eine Postanschrift
hätten. Diese wiederum würde von der Hilfsorganisation
bereitgestellt, bei der ich mich schon befinde und bei der niemand
zuständig da ist. Die Erinnerung an den Roman "Hauptmann von
Köpenick" drängt sich mir auf. Der vor 100 Jahren keine Arbeit bekam,
weil er keine Wohnung hatte - und der keine Wohnung bekam, weil er
keine Arbeit hatte. Der vom Wohnungsamt zum Arbeitsamt geschickt
wurde und vom Arbeitsamt zum Wohnungsamt. Und keiner der Beamten
konnte ihm helfen, weil ja in Preußen vor 100 Jahren Gesetze galten,
dass niemand eine Arbeit bekommt, der keine Wohnung hat und
umgekehrt.
Ähnlich ist es auch hier.
Der Mann der Familie wurde von der Hilfsorganisation zuvor pro forma
angemeldet und wenige Tage später wieder abgemeldet. Warum kann
niemand sagen, weil der zuständige Sachbearbeiter gerade im Urlaub
ist und im Computer erst nach längerem Suchen überhaupt Daten
gefunden werden. Der Mann wurde aber auch schon wegen des Schlafens
unter einer Brücke von der Polizei mit EURO 150,- bestraft und von
der zuständigen Bezirkshauptmannschaft zum Antreten einer
Freiheitsstrafe aufgefordert, weil er die Strafe nicht bezahlen
konnte. Er würde gerne arbeiten, findet aber keine. Die Familie würde
gerne in einer anständigen Unterkunft leben, bekommt aber keine. Und
warum?
Weil wir in Österreich Gesetze haben, die Menschen - Inländer wie
Ausländer, immer aber nur arme Menschen - nicht vor Obdachlosigkeit
schützen. Darum.
p.s. Dies ist keine Kritik an den Mitarbeitern, die ein Seminar
besuchen!
p.p.s. Alle Mitglieder der Familie sind Unionsbürger!
p.p.p.s Dies ist keine Kritik an der EU, sondern an der
österreichischen Realität.
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