Presseerklärung von Rechtsanwalt Otto Schily
Wien (OTS) - Zu der tendenziösen Titelgeschichte der Zeitschrift "Der Spiegel" (Ausgabe Nr.25/13.6.2015) stelle ich folgendes fest:
1. Die Insinuation des SPIEGEL, ich sei von der kasachischen Regierung beauftragt worden, ist nachweislich unrichtig. Ich bin im Jahre 2012 über die Wiener Anwaltssozietät Dr. Lansky und Partner von den Angehörigen von kasachischen Staatsangehörigen, dem früheren stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Nurbank, Timraliyev und dem früheren Chef der Wirtschaftsabteilung der Nurbank, Khasenov, mandatiert worden. Timraliyev und Khasenov sind im Jahre 2007 nach vorausgegangener Folter auf grausame Weise ermordet worden. Ich bin also als Opfer-Anwalt tätig.. Daher habe ich in diesem Mandat auch ausschließlich mit den Angehörigen der Opfer gesprochen und korrespondiert und zu keinem Zeitpunkt mit kasachischen Regierungsbehörden.
2. Dringend verdächtig, Timraliyev und Khasenov im Jahre 2007 nach vorausgegangener Folter auf grausame Weise unter Mithilfe von anderen Beschuldigten ermordet zu haben, ist Rakhat Alyev alias Shoraz, der frühere kasachische Geheimdienstchef und spätere kasachische Botschafter in Wien. Außerdem ist Aliyev dringend verdächtig, Millionenbeträge aus Kasachstan unrechtmäßig an sich gebracht und in Europa ein umfangreiches weitverzweigtes Geldwäschesystem aufgebaut zu haben.
3. Zum Zeitpunkt meiner Mandatsübernahme im Jahre 2012 befand sich Rakhat Aliyev auf freiem Fuß. Sein genauer Aufenthalt war damals unbekannt, nachdem er sich aus Österreich absetzen konnte.
4. Unter Einsatz erheblicher Geldmittel und unter Nutzung seiner Verbindungen aus seiner Zeit als Geheimdienstchef und Botschafter haben Rakhat Aliyev und die Mitbeschuldigten enorme Anstrengungen unternommen, sich als Opfer des kasachischen Geheimdienstes zu stilisieren, die Aufklärung der Straftaten zu verhindern und sich der Strafverfolgung zu entziehen.
5. Meine Aufgabe als Opfer-Anwalt war und ist es, zu der vollständigen Aufklärung der Rakhat Aliyev und den Mitbeschuldigen zur Last gelegten Kapitalverbrechen sowie der Zerschlagung des bis nach Deutschland reichenden Geldwäschesystems beizutragen. Dazu gehörte auch, mich dafür einzusetzen, dass sich Alyev nicht der Strafverfolgung entziehen kann.
6. Im Rahmen meiner Aufgaben galt es auch, der massiven Desinformationskampagne von Aliyev, die leider bei einigen Medien einschließlich des SPIEGEL durchaus Erfolge zu verzeichnen hatte, entgegen zu wirken. Wer die Tätigkeit eines Opfer-Anwalts als "Lobby-Arbeit" zu diskreditieren versucht, arbeitet jedenfalls der Desinformationskampagne der Alyev-Gruppe in die Hände.
7. Es fällt auf, dass der investigative Ehrgeiz des SPIEGEL vollständig erlahmt, wenn es um die Aufklärung der von Aliyev und seiner Mitbeschuldigten begangenen Verbrechen geht. So heißt es wörtlich in der SPIEGEL-Story: "Ob Alyev tatsächlich in Kasachstan 114 Millionen Euro zur Seite gebracht hat, ob er sogar zwei Menschen ermorden ließ oder ob das alles nur vom Geheimdienst so hingebogen wurde, wie er beteuerte, das wird sich vermutlich nie aufklären lassen."
Erfreulicherweise ist es dagegen der Wiener Staatsanwaltschaft durch umfangreiche Ermittlungen gelungen, den Sachverhalt umfassend aufzuklären und gegen ihn Anklage wegen Mordes zu erheben.
Es fällt außerdem auf, dass der SPIEGEL ausgerechnet wenige Tage vor Abschluss des Strafverfahrens behauptet, die gravierenden Vorwürfe gegen Aliyev und seine Mittäter ließen sich "vermutlich" nie aufklären, und auf diese Weise versucht, den Urteilsspruch des Wiener Gerichts zu Gunsten der Aliyev-Gruppe vorweg zu nehmen.
Es fällt ferner auf, dass der SPIEGEL die von der Aliyev-Gruppe und ihren Anwälten in die Welt gesetzte Verdächtigung aufnimmt und von einem "angeblichen Selbstmord" spricht, obwohl es nicht das geringste Indiz für eine Tötung von fremder Hand gibt.
Es fällt schließlich auf, dass die Titel-Story des SPIEGEL die Fortsetzung von Diffamierungsversuchen ist, die bereits im Jahr in der Ausgabe des SPIEGEL Nr.11/2013 mit einem Artikel unter dem Titel "Teure Freunde" begonnen hat. Aus diesem letztgenannten Artikel ist bemerkenswerterweise erkennbar, dass der SPIEGEL sich seinerzeit mit Rakhat Aliyev unmittelbar in Verbindung gesetzt und in seinem Artikel der Desinformation in Gestalt der Behauptungen von Aliyev breiten Raum verleiht, während der SPIEGEL im Lauf der zurückliegenden Jahre zu keinem Zeitpunkt versucht hat, auf seriöse Weise eine Stellungnahme der Opfer-Anwälte einzuholen und in fairer Weise in die Berichterstattung aufzunehmen.
8. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Opfer-Anwalt habe ich, um der Desinformationskampagne der Aliyev-Gruppe entgegen zu wirken, auch Medien, einschließlich des SPIEGEL, angesprochen. Der SPIEGEL unterstellt mir in diesem Zusammenhang, ich hätte ihn "instrumentalisieren" wollen. Es war mir bisher nicht bekannt, dass sich der SPIEGEL "instrumentalisieren" lässt. Nach Lektüre der jüngsten SPIEGEL-Story kommen allerdings Zweifel auf, ob sich nicht doch einige ihrer Redakteure bewusst oder unbewusst im Sinne der Desinformationskampagne der Aliyev-Gruppe instrumentalisieren lassen.
Jedenfalls habe ich bei allen Gesprächen, die ich in der Sache Alyev mit Medien-Vertretern geführt habe, stets betont, es komme mir auf eine objektive und unvoreingenommene Darstellung des Sachverhalts an, und dabei die vollständige Einsichtnahme in das der Anwaltssozietät Dr. Lansky und Partner vorliegende Beweismaterial angeboten.
9. Dass ein traditionsreiches Wochenmagazin, das in der deutschen Medienlandschaft sicherlich zu den bedeutenderen Publikationen zählt, sich nicht einmal scheut, Auszüge aus Akten einer Anwaltskanzlei zu veröffentlichen, die ein ungetreuer ehemaliger Mitarbeiter der Kanzlei entwendet hat, gehört zu den leider partiell auftretenden Erscheinungen der Verrohung journalistischer Arbeit.
10. Unter Hinweis auf die Auswertung illegal beschaffter Informationen und unter Durchbrechung der zum Schutz der Mandanten bestehenden Verpflichtung zur Wahrung des anwaltlichen Verschwiegenheit stellt der SPIEGEL auch Behauptungen über die Höhe meines Honorars auf. Diese unlautere Verfahrensweise des SPIEGEL kann mich nicht dazu veranlassen, meinerseits mich unter Verletzung meiner anwaltlichen Pflichten zur Höhe meines Honorars Stellung zu nehmen. Ich weise lediglich darauf hin, dass ich in dieser Sache bereits seit drei Jahren unter erheblichem Zeit- und Arbeitsaufwand, nicht zuletzt auf Grund der Durcharbeitung sehr umfangreichen Aktenmaterials, tätig bin. Mit Rücksicht darauf ist das von mir vereinbarte Honorar durchaus angemessen.
11. Es ist sicherlich richtig, dass auch die kasachische Regierung an der Strafverfolgung von Rakhat und der Mitbeschuldigten Interesse hat. Das kann aber keinesfalls ein Grund sein, die Tätigkeit eines Opfer-Anwalts, der dafür eintritt, dass im rechtsstaatlichen Rahmen die Alyev und den Mitbeschuldigten zur Last gelegten Straftaten aufgeklärt und geahndet werden, als "Wühlarbeit- und Schmutzarbeit in Politik und Verwaltung" zu diffamieren. In dieser verzerrenden Perspektive wäre dann womöglich auch die Wiener Staatsanwaltschaft, die Anklage gegen Aliyev und die Mitbeschuldigten erhoben hat, und das Wiener Gericht, das Haftbefehl erlassen hat, Teil des vom SPIEGEL apostrophierten angeblichen "Kasachstan-Komplotts".
12. Dass der SPIEGEL mit seinem massiven Diffamierungsversuch auch jede Rücksichtnahme auf die Gefühle der Angehörigen der ermordeten Opfer vermissen lässt, sollte wenigstens allen, die noch an einer seriösen Medienarbeit festhalten, bewusst bleiben.