- 11.06.2015, 09:37:44
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Smartphones und Tablets: Ältere Generation beim Einstieg oft alleine gelassen
Aktuelles FEMtech Forschungsprojekt „mobi.senior.A“ untersucht Anforderungen von Seniorinnen und Senioren an mobile Endgeräte.

Utl.: Aktuelles FEMtech Forschungsprojekt „mobi.senior.A“ untersucht
Anforderungen von Seniorinnen und Senioren an mobile
Endgeräte. =
Wien (OTS) - Smartphones und Tablets erleichtern den Zugang zum
Internet - auch immer mehr Seniorinnen und Senioren entdecken die
mobilen Geräte für sich. Altersbedingte Einschränkungen und fehlende
Erfahrung mit digitalen Technologien erschweren allerdings oft eine
kompetente Nutzung. Das Forschungsprojekt "mobi.senior.A" zeigt auf,
dass Ältere vor allem beim Einstieg in die mobile Internetwelt auf
Hilfestellung angewiesen sind, die sie nur schwer bekommen.
Hersteller von Geräten und Software sowie Mobilfunk- und
Bildungsanbieter vernachlässigen derzeit die Bedürfnisse und
Anforderungen der Generation 60plus. Entscheidend sind vor allem die
erwartungskonforme, konsistente Gestaltung von Interfaces und
Navigation, verständliche Icons, kompakte Schritt für
Schritt-Anleitungen sowie eine einfache Sprache, die Fachbegriffe
verständlich macht. Diese Verbesserungen kommen allen Anwenderinnen
und Anwendern zugute - bei Seniorinnen und Senioren entscheiden sie
sogar oft über Nutzung oder Nichtnutzung eines mobilen Geräts.
Der Zugang zum Internet und eine kompetente Nutzung erleichtern nicht
nur den Alltag, sondern bestimmen zunehmend über die Teilnahme am
sozialen und gesellschaftlichen Leben. Die mobile Internetnutzung mit
Smartphones oder Tablets wird dabei immer wichtiger. Auch Seniorinnen
und Senioren nutzen immer öfter Mobilgeräte als "Tor zum Internet",
haben aber gegenüber jüngeren Generationen großen Aufholbedarf:
Aktuell besitzt lediglich ein Drittel der über 60-Jährigen ein
Smartphone, bei den Jüngeren sind es mehr als 80 Prozent. In der
Altersgruppe 60plus stehen den etwa 670.000 Nutzer/-innen also rund
1,4 Millionen Nichtnutzer/-innen gegenüber. Hier knüpft das
FEMtech-Forschungsprojekt "mobi.senior.A" (www.mobiseniora.at) an,
dessen Ziel es ist, konkrete Nutzungsprobleme von Seniorinnen und
Senioren verstehen zu lernen und die Anforderungen an Smartphones und
Tablets aufzuzeigen. Dazu wurden mit Seniorinnen und Senioren
Usability-Tests, Einzel- und Paarinterviews sowie Gruppendiskussionen
durchgeführt. Hinter dem Projekt stehen das ACR-Mitglied
Österreichisches Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT),
das Büro für nachhaltige Kompetenz (B-NK GmbH) sowie das Zentrum für
Interaktion, Medien und soziale Diversität (ZIMD), gefördert von der
Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) mit Mitteln
des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie.
Inbetriebnahme als erste große Hürde
Für viele ältere Menschen stellt die erstmalige Inbetriebnahme eines
neuen Smartphones oder Tablets eine unüberwindbare Hürde dar. Das
Kernproblem: Seniorinnen und Senioren fehlt häufig das Verständnis
für grundlegende Konzepte und Funktionsweisen von digitalen Medien.
"Wer neu in der mobilen Internet-Welt ist, kann nur schwer
nachvollziehen, warum man bei der Inbetriebnahme Nutzerkonten bei
Online-Diensten anlegen muss", nennt Bente Knoll vom Büro für
nachhaltige Kompetenz eines von zahlreichen Praxisbeispielen aus dem
Projektbericht. "Auch ’App-Shops’ sind anfangs alles andere als
selbsterklärend - viele wissen nicht, wie Apps heruntergeladen,
installiert und wieder gelöscht werden können."
"Generation Gebrauchsanleitung"
In vielen Fällen sind Seniorinnen und Senioren daher bei der
Inbetriebnahme und Einrichtung auf die Hilfestellung Dritter
angewiesen, die häufig nur schwer zu organisieren ist. Vor allem
ältere Frauen versuchen, sich im Verwandten- und Bekanntenkreis oder
in Mobilfunkshops Hilfe zu holen.
Eine wichtige Stütze für ältere Menschen stellen auch
Gebrauchsanleitungen dar. Gerade für den Einstieg werden kompakte und
leicht verständliche Gebrauchsanleitungen gewünscht, die entweder
gedruckt im Lieferumfang enthalten oder direkt am Gerät installiert
sind. Die in der Praxis weitverbreiteten Übersichtsblätter bzw.
Download-Links zu Onlineversionen etc. empfinden die Befragten als
wenig hilfreich. Auch für im laufenden Betrieb auftauchende Probleme
wünscht sich die "Generation Gebrauchsanleitung" einfache Schritt für
Schritt-Anleitungen.
Erwartungshaltung vs. Realität
Auch nach der Inbetriebnahme erweist sich vor allem eine wenig
intuitive Gestaltung von Hard- und Software für unerfahrene
Seniorinnen und Senioren als problematisch. "Viele Bedienungsabläufe
und Funktionen in Betriebssystemen und Apps sind nicht so
strukturiert und bezeichnet, wie es die Anwenderinnen und Anwender
erwarten würden", bringt Dorothea Erharter vom ZIMD das Problem auf
den Punkt. "Verwirrend für ältere Menschen sind auch die zahlreichen
Inkonsistenzen, etwa dann, wenn Icons in verschiedenen Apps mit
unterschiedlichen Funktionen belegt sind." Zu den größten
Nutzungsbarrieren zählen darüber hinaus der Umgang mit dem
Touchscreen, die Texteingabe sowie eine als unlogisch empfundene
Gestensteuerung. Wenig überraschend bereitet auch die Vielzahl an
unverständlichen, teils englischsprachigen Fachbegriffen älteren
Menschen Probleme.
Mangelnde Erfahrung führt zu Resignation
Die Studienergebnisse zeigen aber auch, dass Seniorinnen und Senioren
prinzipiell mit ähnlichen Usability-Problemen zu kämpfen haben wie
andere unerfahrene User/-innen. Bei Schwierigkeiten zeigen sich
Ältere allerdings weniger problemlösungskompetent und scheitern
insgesamt schneller als Jüngere. Dies führt oft dazu, dass ältere
Menschen den Funktionsumfang der Geräte nicht ausnutzen können - bis
hin zum völligen Nutzungsverzicht.
In der Altersgruppe 60plus sind internetfähige Mobilgeräte derzeit
bei den Männern stärker verbreitet. Kaum Unterschiede zwischen
Männern und Frauen gibt es hingegen bei den
Usability-Schwierigkeiten, sowohl was deren Häufigkeit als auch die
Art der Probleme betrifft.
Die Generation 60plus stellt für die Anbieterseite auch eine große
wirtschaftliche Chance dar. Um diese nutzen zu können, müssen die
Bedürfnisse und Anforderungen von Seniorinnen und Senioren, die oft
mit altersbedingten Einschränkungen konfrontiert sind, besser
berücksichtigt werden. "Solche Verbesserungen kommen letztlich allen
Altersgruppen zugute. Bei älteren Menschen entscheiden sie aber oft
über Nutzung oder Nichtnutzung", sagt Bernhard Jungwirth vom
Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation.
Bei persönlichen Interessen und Bedürfnissen abholen
Um älteren Menschen den Einstieg in die Welt der Mobilgeräte zu
erleichtern, sind neben den Mobilfunk- auch die Bildungsanbieter
gefordert.
Seniorinnen und Senioren brauchen alltagsnahe, niederschwellige und
individuelle Beratungs- und Schulungsangebote. Support, Kurse und
Workshops sind dann erfolgreich, wenn sie sich direkt an den
Lebenswelten älterer Menschen orientieren. Gerade technikskeptische
Personen brauchen konkrete Beispiele, wie Smartphones und Tablets
ihren Alltag erleichtern können.
Als Erfolgsfaktor für Bildungsangebote hat sich auch herausgestellt,
dass Trainer/-innen Alters- und Genderstereotype vermeiden und ihre
eigene Haltung gegenüber dem Älterwerden hinterfragen. "Frauen sind
keine hilflosen ‚technikfernen Wesen‘ und Männer nicht per se die
‚Technikexperten‘", so Bernhard Jungwirth, "und nicht alle älteren
Menschen sind inkompetent".
Verkauf und Support sind dazu aufgerufen, Vorkenntnisse nicht als
selbstverständlich vorauszusetzen. Selbst geläufige Icons, Symbole
und Begriffe sind für Seniorinnen und Senioren nicht immer
selbsterklärend. Dennoch ist es wichtig, älteren Menschen nicht
vorschnell jegliche Kompetenz abzusprechen. In solchen Situationen
bewährt es sich, einfach nach dem vorhandenen Wissen und den
konkreten Bedürfnissen zu fragen. Kombiniert mit viel Geduld und
einer leicht verständlichen Sprache entsteht so eine
Beratungssituation, von der letztlich beide Seiten profitieren.
Kostenloser Download des vollständigen Forschungsberichts unter:
www.mobiseniora.at
Auf Basis der Forschungsergebnisse werden konkrete Empfehlungen für
die didaktische Gestaltung von Bildungsangeboten, Vorschläge für die
zielgruppengerechte Verkaufsberatung sowie Guidelines für die
Entwicklung von mobilen Endgeräten und Apps entwickelt. Diese
Praxisleitfäden sind ab 2016 unter www.mobiseniora.at verfügbar.
Über das ÖIAT
Das ACR-Mitglied Österreichische Institut für angewandte
Telekommunikation (ÖIAT) wurde 1997 als unabhängiges und
gemeinnütziges Institut mit wissenschaftlichem Beirat gegründet. Ziel
des ÖIAT ist es Konsumenten, Unternehmen, Non-Profit-Organisationen
und die Öffentliche Hand beim sicheren und effizienten Einsatz von
digitalen Medien zu unterstützen. Dazu zählen Projekte und
Initiativen wie Saferinternet.at (www.saferinternet.at), das
E-Commerce-Gütezeichen (www.guetezeichen.at), der Internet Ombudsmann
(www.ombudsmann.at) oder die Watchlist Internet
(www.watchlist-internet.at).
Über B-NK GmbH
Das Büro für nachhaltige Kompetenz arbeitet, forscht und berät zu den
ökologischen, ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen
Dimensionen der Nachhaltigkeit. Das Büro ist spezialisiert darauf, in
den scheinbar "geschlechtsneutralen" Bereichen wie Planung,
Mobilitätsforschung, Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung - aber auch
in Kommunikationsprozessen sowie in technologieorientierten
Forschungs- und Entwicklungsprojekten generell - die Relevanz von
Gender und Diversity aufzuzeigen und gemeinsam mit den handelnden
Personen Strategien zu entwickeln, Genderperspektiven auch in diese
Felder einzubringen. (www.b-nk.at, www.vielefacetten.at)
Über das ZIMD
Das ZIMD - Zentrum für Interaktion, Medien und soziale Diversität
arbeitet und forscht seit 2005 an der Schnittstelle von Gender,
Diversity und Usability. Zu den Arbeitsschwerpunkten des
gemeinnützigen Instituts zählen Forschungsprojekte zu Gender &
Technik, die genderdidaktische Technikvermittlung (Workshops) sowie
die Friedens- und Konfliktarbeit (Workshops, Seminare,
Prozessbegleitung). Als zentrale Expertise des ZIMD hat sich in den
letzten Jahren das Einbringen der Gender- und Diversity-Perspektive
in technologische Forschungsprojekte entwickelt (www.zimd.at).
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