• 01.06.2015, 12:06:56
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„Die Frau in Gold“: Restitution in Österreich

Klimts „Goldene Adele“ war einer der größten Restitutionsfälle in der Zweiten Republik. Das im Zweiten Weltkrieg geraubte Bild wurde 2006 nach einem Schiedsgerichtsspruch restituiert.

„Die Frau in Gold“: Restitution in Österreich

Utl.: Klimts „Goldene Adele“ war einer der größten Restitutionsfälle
in der Zweiten Republik. Das im Zweiten Weltkrieg geraubte
Bild wurde 2006 nach einem Schiedsgerichtsspruch restituiert. =

Wien (OTS) - Anlässlich des Filmstarts von "Die Frau in Gold" ziehen
ExpertInnen Zwischenbilanz über die Restitution von Raubkunst in
Österreich.

Das britisch-amerikanische Filmdrama "Die Frau in Gold" unter der
Regie von Simon Curtis erzählt von Raubkunst und Restitution. Die
Handlung beginnt 1998 - Jahre bevor die Sammlung von Cornelius
Gurlitt oder das Beethovenfries in den Medien für Schlagzeilen
sorgten. Während des NS-Regimes war die Entziehung von privatem
Kunstbesitz ein Teil der Enteignungs- und Vernichtungspolitik, die
gegen die jüdische Bevölkerung gerichtet war. Abertausende Kunstwerke
wie "Die goldene Adele" wechselten unter Zwang den Besitzer und
befanden sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs ohne erkennbaren
Hinweis auf ihren Ursprung in öffentlichem und privatem Besitz.

"Ich bekenne mich zur Restitution"

NR Abg. Elisabeth Hakel, Kunst- und Kultursprecherin der SPÖ, sieht
kritisch, "dass es so viele Jahre gedauert hat, bis Österreich
restitutionsbereit war. Mitentscheidend dafür war sicher, dass sich
Österreich lange als Opfer und nicht als Täter gesehen hat." Sie
räumt ein, dass Österreich zwar spät in die Gänge gekommen sei, die
Republik dann aber gute Restitutionsgesetze erarbeitet hätte: "Ich
bekenne mich zur Restitution. Und wenn wir heute Österreich mit
Deutschland vergleichen, dann hat Österreich heute eine
Vorreiterrolle."

"Das Bewusstsein muss weiter wachsen"

Der Wiener Rechtsanwalt Dr. Andreas Nödl wurde von Maria Altmann als
Mitglied des Schiedsgerichts in ihrer Rechtssache gegen die Republik
Österreich nominiert und hat darüber hinaus eine Reihe von
Restitutionsfällen rechtlich betreut - für Erben, das Leopold Museum
und zuletzt die Klimt-Foundation. Er hält fest, dass Restitution eine
hoch sensible und aus rechtlicher Sicht komplexe Materie ist; und
weiter: "Aber das Bewusstsein muss weiter wachsen, dass sich ein
beträchtlicher Anteil entzogener und nicht rückgestellter Kunst nicht
nur in öffentlichen Museen, sondern in privater Hand befindet, für
welche Konstellation das Kunstrückgabegesetz nicht gilt. Also muss
das Bewusstsein weiter wachsen, dass wir auch mit dieser Situation
umzugehen lernen und nicht weiter wegschauen." Ein gangbarer Weg, sei
laut Anwalt Nödl, dass sich Private selbst zur Provenienzforschung
verpflichten und mit Erben im Dialog faire und gerechte Lösungen im
Sinne der Washington Priciples aus 1998 erarbeiten.

"Kulturpolitik oft mit Scheinmoral"

Prof. Dr. Nikolaus Lehner, emeritierter Rechtsanwalt und
Kunst-Experte sieht in der österreichischen Kulturpolitik "leider oft
Scheinmoral: Sie wirbt mit der Rückgabe von Raubkunst nach außen hin,
hat aber in der Vergangenheit gegenüber Klägerinnen wie Frau Altmann
(einer Erbin der goldenen Adele) jahrelang mit zermürbender Taktik
Prozesse geführt - und nicht nur dort." Daher rät Lehner bei
Restitutionsfällen im Interesse aller Beteiligten dazu, sich rasch zu
vergleichen: "Denn lange Verfahren sind teuer, kosten viel Substanz
und bringen negative Reputation - und zwar sowohl bei berechtigten
Ansprüchen als auch bei Begehrungsneurosen", also unberechtigten
Ansprüchen.

Lehner geht mit den Sachverständigen streng ins Gericht: "Große,
eminente, ungelöste Problematik sind die Sachverständigen. Denn sie
sind abhängig von Auftraggebern und diese Abhängigkeit beginnt mit
dem Ziel des Auftrags." Ein objektives Ergebnis einer Untersuchung
durch Sachverständige sei laut Lehner nur dann möglich, wenn die
Information des Auftraggebers vollständig und damit richtig sei.
"Dadurch dass das nicht immer der Fall sein muss, kommt es oft zu
irren Diskrepanzen bei den Ergebnissen der Gutachter wie in der Causa
Adele durch Univ. Prof. Rudolf Welser und Dr. Hans Krejci." Durch die
kürzlich gesetzlich vorgenommene Aufwertung der Privatgutachter werde
es zu noch größeren Problemen kommen, mutmaßt Lehner. Es werde daher
künftig noch stärker auf die Wertevorstellungen der Gutachter und
deren Integrität ankommen.

Welser und Krejci widersprechen einander in ihren Gutachten zur
goldenen Adele und sind für Lehner "ein typisches Beispiel für die
Schwierigkeiten". Der Schiedsspruch in der Causa Adele war aus
Lehners Sicht "jedenfalls eine Gesamtwürdigung der zweifellos nicht
eindeutigen Umstände. Die Interpretation der Anordnung als bloßer
rechtlich unverbindlicher Wunsch war überzeugender."

Jedenfalls sei der Beirat für Restitution laut Lehner "eine
segensreiche Institutionalisierung der Republik Österreich, um bei
widersprechenden Interessen eine amikale, adäquate Lösung zu finden."

180.000 enteignete Werke allein in Wien?

Rätselraten herrscht in der Fachwelt über den Umfang der Raubkunst in
Österreich. Otto Hans Ressler, Geschäftsführer von Ressler Kunst
Auktionen, versucht eine Rechnung anzustellen: "Allein in Wien wurden
im Dritten Reich 60.000 Wohnungen ‚arisiert‘. Wenn in jeder Wohnung
durchschnittlich nur drei Kunstwerke waren, wären das in Summe
180.000 Werke - und damit sehr viel mehr, als bisher restituiert
wurden. Wir wissen aber, dass einzelne Sammler bis zu 1.000 Werke
hatten. Die Zahl der tatsächlich geraubten Kunstwerke ist daher
möglicherweise deutlich höher."

Ein beträchtlicher Teil der Kunstwerke sei "nicht von Nazis enteignet
worden, sondern von Nachbarn gestohlen und unterschlagen". In diesen
Fällen gebe es über die Kunstgegenstände meist kaum Aufzeichnungen,
Fotos, Urkunden oder andere Eigentumsbeweise.

Im Auktionsbetrieb sind Ressler in den vergangenen Jahrzehnten immer
wieder Kunstwerke begegnet, bei denen bestohlene Eigentümerfamilien
Ansprüche gestellt haben. "Wir haben in diesen Fällen stets versucht,
zwischen den Parteien zu vermitteln. In einigen Fällen ist es uns
gelungen, den Auktionserlös auf beide Seiten aufzuteilen", sagt
Ressler.

Die "Goldene Adele"

Gustav Klimts berühmte "Goldene Adele" gilt als Österreichs
bekanntester Restitutionsfall. Das Porträt der Unternehmergattin
Adele Bloch-Bauer, das 1907 gemalt wurde, war für Österreich lange
Zeit das Herzstück der Österreichischen Galerie Belvedere und so
etwas wie die "Mona Lisa Österreichs". Nach einem langwierigen
Rechtsstreit und dem beherzten Kampf der Erbin Maria Altmann und
ihres Anwalts Randy Schoenberg gelangte das Gemälde wieder in ihren
Besitz.

Zum Film

Die Jüdin Maria Altmann (Helen Mirren) führt in Los Angeles ein
beschauliches Leben. Bis zu ihrem Ruhestand betreibt sie eine
Boutique in Beverly Hills. Nur wenige kennen ihre Vergangenheit und
wissen, dass sie einst unter dramatischen Umständen aus dem Wien des
Dritten Reichs fliehen musste. Jahrzehnte später erfährt sie, dass
sie die rechtmäßige Erbin von mehreren Gemälden Gustav Klimts ist,
die sich einst im Besitz ihrer Familie befanden und von den Nazis
enteignet wurden. Das berühmteste dieser Kunstwerke ist das Porträt
ihrer Tante Adele Bloch-Bauer, "Die goldene Adele". Doch die Republik
Österreich, in dessen Besitz die Bilder sich befinden, zeigt sich
wenig kooperativ, Marias Rechte ohne weiteres anzuerkennen. Es
beginnt eine Odyssee, die Maria Altmann gemeinsam mit ihrem Anwalt
Randy Schoenberg (Ryan Reynolds) über den Obersten Gerichtshof in
Amerika bis nach Wien führt, wo sie durch einen Schiedsgerichtsspruch
fünf bedeutende Klimt-Bilder zurückbekommt.

Anwalt Nödl zum Film: "Der Film ,die Frau in Gold‘ ist - für mich,
der einen Teil der Story ganz persönlich miterlebt hat - großes
Hollywoodkino mit allem was dazu gehört: schmerzliche, tiefe
Emotionen, 105 Minuten Hochspannung, eine Helen Mirren, die Maria
Altmann nicht hätte besser treffen können. Aber eben auch mit einem
Ryan Reynolds, dem der Sieg wohl eher passiert, als dass er ihn, wie
E. Randol Schoenberg, bitter hart erkämpfen muss. Und der rechtlich
komplexe Sachverhalt ist auf ein Minimum reduziert; ein Spiel- und
kein Dokumentarfilm eben."

Pressematerial zum Film "Die Frau in Gold" finden Sie unter:
www.filmpresskit.de

Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM / Originalbild-Service
sowie im OTS-Bildarchiv unter http://bild.ots.at

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