• 21.05.2015, 10:30:01
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Presserat: Falsche Bildveröffentlichung bei Germanwings-Absturz verstößt gegen Ehrenkodex

In der "Kronen Zeitung" und der Zeitung "Österreich" wurde ein Bild eines Unbeteiligten als vermeintlicher Co-Pilot beim Germanwings-Absturz gebracht - Verstoß gegen Ehrenkodex

Utl.: In der "Kronen Zeitung" und der Zeitung "Österreich" wurde ein
Bild eines Unbeteiligten als vermeintlicher Co-Pilot beim
Germanwings-Absturz gebracht - Verstoß gegen Ehrenkodex =

Wien (OTS) - Auf den Titelseiten der "Kronen Zeitung" und auf Seite 3
der Tageszeitung "Österreich" vom 27.03.2015 wurde ein Foto eines
unbeteiligten jungen Mannes als vermeintlicher Copilot eines
abgestürzten Germanwings-Flugzeugs abgedruckt. Diese
Bildveröffentlichungen verstoßen nach Ansicht des Senats 1 des
Presserats gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.

Auf dem beanstandeten Foto ist ein junger Mann zu sehen, bei dem es
sich laut Angaben in den beiden Zeitungen um den Copiloten einer am
24.03.2015 verunglückten Germanwings-Maschine handeln soll, der das
Flugzeug mutmaßlich absichtlich abstürzen ließ. Das Gesicht des
Abgebildeten ist nicht verpixelt.
Eine Leserin wandte sich an den Presserat und kritisierte, dass das
Bild nicht den betreffenden Copiloten, sondern einen unbeteiligten
Dritten zeige.
Berichte über die Abbildung einer falschen Person im Zusammenhang mit
dem Flugzeugabsturz fanden sich in zahlreichen anderen Medien. In der
Tageszeitung "Der Standard" rechtfertigte sich Wolfgang Fellner,
Herausgeber der Tageszeitung "Österreich", damit, dass das
veröffentlichte Foto von einer Agentur stamme, und dass es auch im
Internet hundertfach verbreitet worden sei. Man habe sich dabei auf
die Agentur verlassen, ein individuelles Nachprüfen eines derartigen
Fotos sei nicht möglich.
Auf der Titelseite der "Kronen Zeitung" wurde das beanstandete Foto
am 28.03.2015 klein und in diesem Fall verpixelt mit einem kurzen
Begleittext mit der Überschrift "‘Ich wurde mit dem Copiloten
verwechselt‘" noch einmal gebracht und der Fehler eingestanden.

Der Senat stellte fest, dass in den zwei betroffenen Medien am
27.03.2015 ein unverpixeltes Foto einer Person veröffentlicht wurde,
die mit den Geschehnissen rund um den Flugzeugabsturz überhaupt
nichts zu tun hat.
Des Weiteren stellte der Senat fest, dass bereits am Nachmittag des
26.03.2015 in sozialen Medien im Internet über die Identität des
Abgebildeten erhebliche Zweifel geäußert wurden.
Ungeachtet dessen wurde in den beiden Medien das beanstandete Foto in
den Printausgaben des darauffolgenden Tags noch veröffentlicht.
Bei diesem Ergebnis geht der Senat von schwerwiegenden Verstößen
gegen die Punkte 2 (Genauigkeit) und 5 (Persönlichkeitsschutz des
Abgebildeten) des Ehrenkodex aus.
Gemäß Punkt 2.1 des Ehrenkodex sind Gewissenhaftigkeit und
Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten oberste
Verpflichtung von Journalistinnen und Journalisten.
Dass eine derartige krasse Falschdarstellung in den
Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten eingreift, liegt auf der Hand.
Im Übrigen wäre es den beiden betroffene Medien, die vom Presserat
sowohl zur Abgabe einer Erklärung als auch zur Teilnahme an der
Verhandlung eingeladen worden waren, frei gestanden, Argumente
vorzubringen, die eine Veröffentlichung des Fotos auch noch am
27.03.2015 erklären könnte. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Die Richtigstellung in der "Kronen Zeitung" am 28.03.2015 reicht nach
Meinung des Senats in einem derart schwerwiegenden Fall nicht aus, um
von der Feststellung eines Verstoßes gegen den Ehrenkodex abzusehen.

Der Senat forderte die Medieninhaberinnen der "Kronen Zeitung" und
der Tageszeitung "Österreich" auf, die vorliegende Entscheidung
freiwillig zu veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINER LESERIN
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall hat der Senat 1 des Presserats aufgrund einer
Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durchgeführt (selbständiges
Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der
Senat seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik
entspricht. Die Medieninhaberinnen der "Kronen Zeitung" und der
Tageszeitung "Österreich" haben von der Möglichkeit, an dem Verfahren
teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Bisher haben sich die Medieninhaberinnen der "Kronen Zeitung" und der
Tageszeitung "Österreich" der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats
nicht unterworfen.

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