• 06.05.2015, 09:15:24
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EAA-Energie Talk: „Gasversorgung Europa – Quo Vadis?“

Univ.-Prof. Dr. Johannes Pollak, Abteilungsleiter
für Politikwissenschaften am IHS und Professor an der Webster
University in Wien, Dr. Kirsten Westphal, Senior Associate, Stiftung
Wissenschaft und Politik (SWP), Dr. Harald Stindl, Geschäftsführer
GAS CONNECT AUSTRIA GmbH sowie Christian Wojta, Geschäftsführer der
EAA - ENERGIEALLIANZ Austria. (v.l.n.r.)

Wien (OTS) - Fast überall auf der Welt steigt der Erdgasverbrauch, in
Ländern wie China oder den USA sogar sehr stark. In der Europäischen
Union geht der Gaskonsum hingegen seit Jahren kontinuierlich zurück.
Sind die Zeiten, als Gas in Europa noch als zukunftsweisende
Brückentechnologie angepriesen wurde, vorbei?

Innerhalb weniger Jahre hat sich Europas Nachfrage nach Gas um 180
Grad gedreht. Vergangenes Jahr ist der Gasverbrauch in Österreich auf
ein 20-Jahres-Tief gesunken. Viele Jahre galt Gas für Europa als jene
Brückentechnologie, die den Umstieg auf erneuerbare Energieträger wie
Wind oder Sonne ermöglichen sollte.

"Gasversorgung Europa - Quo Vadis?" Diese Frage stand Dienstagabend
beim Energie Talk der EAA-ENERGIEALLIANZ Austria im Vienna Twin Tower
im Mittelpunkt einer hochkarätigen Diskussion. Dr. Harald Stindl,
Geschäftsführer GAS CONNECT AUSTRIA GmbH, Dr. Kirsten Westphal,
Senior Associate, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sowie
Univ.-Prof. Dr. Johannes Pollak, Abteilungsleiter für
Politikwissenschaften am IHS und Professor an der Webster University
in Wien, haben über die Zukunftsperspektiven des Energieträgers Gas
diskutiert.

Österreich als Gasdrehscheibe

Die GAS CONNECT AUSTRIA GmbH, eine 100-prozentige Tochter der OMV,
ist für den Betrieb und Ausbau eines leistungsstarken
Erdgas-Hochdrucknetzes in Österreich verantwortlich. Wichtig ist
dabei der Verteilknoten im niederösterreichischen Baumgarten, wo ein
großer Teil der russischen Erdgasexporte nach Westeuropa ankommt und
in das österreichische Leitungsnetz eingespeist beziehungsweise in
andere europäische Länder weitertransportiert wird. Russland hat über
viele Jahre hinweg die Infrastruktur Richtung Westen aufgebaut. Durch
die aktuellen geopolitischen Entwicklungen werden andere Absatzmärkte
wie etwa Indien oder China mittelfristig für Russland interessant.

Dr. Harald Stindl, Geschäftsführer GAS CONNECT AUSTRIA GmbH, erklärte
beim Energie Talk, dass die vergangenen Jahre "durch eine geringere
Nachfrage und einen geringeren Gasverbrauch gekennzeichnet waren",
aber auch durch einen starken Anstieg der Gashandelsaktivitäten am
österreichischen Hub und eine gute Auslastung des Fernleitungsnetzes
durch kurzfristige Transporte. Grund für den lokalen
Nachfragerückgang waren vor allem mildere Temperaturen und der
größere Einsatz erneuerbarer Energieträger. Die Umstellung des
österreichischen Marktmodells und die seit Jänner 2013 neuen
Entry/Exit-Tarife erhöhten die Attraktivität des österreichischen
Handelsplatzes. Die aktuelle Gasanliefersituation in Baumgarten sei
nach Lieferkürzungen im Winter und in den vergangenen Monaten nun
wieder im Rahmen der gewohnten höheren Mengen: "Momentan kommt über
die Transitleitung wieder mehr Gas als noch vor zwei Monaten in
Baumgarten an", sagte Stindl: "Die Versorgungssicherheit war dank der
umfangreichen Speicherkapazitäten in Österreich, dem Import aus
anderen Quellen und der Flexibilität des österreichischen
Erdgasnetzes den ganzen Winter hindurch gegeben."
Wie sich die generelle Nachfrage nach Erdgas in Europa in Zukunft
entwickelt, zeichnet sich laut Stindl "schon heute ab: Es ist zu
befürchten, dass sich der Gaspreis auch in den kommenden Jahren nicht
so entwickeln wird, dass Gas zur Stromerzeugung verwendet werden
kann. Dennoch unternimmt die Industrie alles, um den europäischen
Handel und Transport von Erdgas so attraktiv wie möglich zu machen
wie zum Beispiel durch die zügige Veröffentlichung europaweiter
Netzkodizes."

Politik soll "Energiekarte" stecken lassen

Dr. Kirsten Westphal von der Stiftung Wissenschaft und Politik
thematisierte geopolitische Fragen: "Politische Entscheidungsträger
der EU streben eine zunehmende Reduzierung fossiler Energieimporte
aus Russland an. Gleichzeitig ist aber derzeit zu beobachten, dass
Russland günstiges Gas in großen Mengen liefert, weil es seine
Marktanteile in Europa verteidigen möchte. Russland braucht diese
Einnahmen aus Gas- und Ölverkäufen nach Europa auch. Und auch Europa
braucht Russland." Die in Europa benötigten Gasmengen könnte die EU
laut Westphal auch nicht kurzfristig ersetzen.

Diese starke wechselseitige Abhängigkeit sollte die politischen
Akteure ermuntern, ökonomische Vernunft an den Tag zu legen:
"Politische Konflikte sollten die Wirtschafts- und Energiebeziehungen
nicht überschatten. Die handelnden Personen in der Politik sollten
aufhören, ständig die ‚Energiekarte‘ auszuspielen, wenn sie aus der
aktuellen Eskalationsspirale herauszukommen möchten", sagte die
Politologin. Eine politische Lösung für die Ukraine werde sicher noch
Jahre brauchen.

Energieunion mit Energieaußenpolitik

Fakt ist, dass Russland bis auf weiteres das Rückgrat der
Gasversorgung in Europa bleiben werde. Die Energieunion strebe als
Alternative zu Russland strategische Energiepartnerschaften mit
Produktions- und Transitländern wie Norwegen, Algerien, der Türkei,
Aserbaidschan, Turkmenistan, dem Nahen Osten oder Afrika an. "Hier
sehe ich vor allem, dass Norwegen mit seinen großen Ressourcen zur
europäischen Versorgungssicherheit beitragen könnte", sagte Westphal:
"Damit würden auch außenpolitische Handlungsspielräume wachsen und
Gas hätte in Europa eine bessere Zukunft."

Wie kommt Gas nach Mitteleuropa?

Univ.-Prof. Dr. Johannes Pollak, Abteilungsleiter für
Politikwissenschaften am IHS und Professor an der Webster University
in Wien erklärte, dass die Ukraine als Transitland für russisches Gas
nach Europa zunehmend an Bedeutung verliere. Pollak: "Russland baut
schon seit vielen Jahren andere Versorgungsrouten nach Europa auf.
Auch um einen Versorgungsengpass wie 2009 bei Lieferungen nach Europa
zu verhindern." Alternative Transportrouten wie zum Beispiel die Nord
Stream Pipeline und massive Anmietung von Gasspeicherkapazitäten in
Westeuropa reduzieren die Abhängigkeit von der Ukraine als
Transitland in den Wintermonaten.

Eine strategisch wichtige Frage der EU-Energiepolitik - und auch
Österreichs ist: "Wie wird Gas in Zukunft nach Mitteleuropa
transportiert? Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, dass
sich die EU und Russland beim Thema South Stream/TurkStream einigen."
Gelingt dies nicht, so muss sich Europa zügig auf den Ausbau des
südlichen Gaskorridors einigen "und dabei aus dem Scheitern von
Nabucco lernen". Dabei wird die Rolle der Türkei als zentrales
Transitland in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen.
Faktum ist, dass die EU und Russland auch weiterhin in einem
interdependenten Verhältnis stehen. "Kooperieren statt sanktionieren
würde sowohl kurz- und mittelfristig eine leistbare Energieversorgung
Europas sichern", sagte Pollak.

Eine einheitliche EU-Linie sei laut Pollak in der Diskussion
allerdings "derzeit nicht erkennbar." Es scheint so, dass für
Änderungen in der Energiepolitik und Energieaußenpolitik der
Leidensdruck noch größer werden müsse. Es brauche langfristig den
politischen Willen aller EU-Mitgliedsländer zu einer Energieunion zur
gemeinschaftlichen Vertretung heterogener energiepolitischer
Interessen. Nur ein integrierter Energiebinnenmarkt mit einer
ausgebauten Interkonnektivität, Bevorratungskapazitäten und
Krisenreaktionsmechanismen sowie gemeinsamer Erforschung von
alternativen Energiequellen und Speichermöglichkeiten garantiere die
langfristige Versorgungssicherheit Europas. Darüber hinaus ist eine
grundlegende Reform des europäischen Emissionshandels zur Reduktion
des steigenden Kohleverbrauchs unumgänglich.

Ruf nach mehr Forschung

Pollak vermisst "Forschungsanstrengungen rund um das Thema Gas in
Europa. Es ist ein großer Fehler, dass derzeit in Europa nicht mehr
in die Forschung investiert wird." Denn gemeinsame Forschungs- und
Entwicklungsprogramme könnten helfen, Effizienz und
Speichermöglichkeiten von bestehenden erneuerbaren Energieformen zu
steigern.

Wichtiger Energieträger für den Transport

Die Experten waren sich einig: Aus Sicht des Klimaschutzes ist Gas
ein wichtiger Energieträger für den Transport. Westphal: "Ich denke
da an PKW, LKW oder Schiffe." Laut Stindl hat Erdgas als Kraftstoff
Zukunft, auch wenn sich Gas bis dato nur in einigen wenigen Ländern
als alternativer Treibstoff etablieren konnte. Abschließend waren
sich alle Referenten darin einig, dass Erdgas im Energiemix in der EU
eine viel stärkere Rolle einnehmen müsste.

Über EAA-ENERGIEALLIANZ Austria:

Die EAA-ENERGIEALLIANZ Austria ist die gemeinsame
Energievertriebsgesellschaft von Energie Burgenland AG, EVN und WIEN
ENERGIE. Die EAA verfügt über Standorte in Österreich (Wien, Linz)
und Deutschland (Essen, München, Berlin) und zählt zu den führenden
Energievertriebsunternehmen in Mitteleuropa. Das Unternehmen
beliefert rund 3,2 Millionen Kundenanlagen mit Strom, Erdgas und
allen dazugehörenden Services und Dienstleistungen. Die EAA
erwirtschaftete im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Gesamtumsatz von
1,8 Milliarden Euro und belieferte ihre Kunden in allen
Verbrauchsegmenten in Österreich und Deutschland mit mehr als 18,4
TWh Strom sowie 14,7 TWh Erdgas.

Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM / Originalbild-Service
sowie im OTS-Bildarchiv unter http://bild.ots.at

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